Bienen- & Wespengiftallergie
DER STICH, DER SITZT
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Normalerweise ist ein Wespenstich zwar schmerzhaft und lästig, aber harmlos. Die Stelle, an der das Insekt seinen Giftstachel platziert hat, rötet sich, es kommt zu einer lokalen Entzündung. Falls der Stachel noch in der Haut steckt, sollte er schnell entfernt, die Stelle mittels kalter Umschläge gekühlt werden. Auch ein in Essig getränktes Tuch kann schon helfen. Eine Salbe mit einem Antihistaminikum oder schwachem Kortisongehalt wirkt lindernd. So behandelt, verschwindet die Einstichstelle meist deutlich unter vierundzwanzig Stunden; dann hat der Körper das Gift neutralisiert.
Die allergische Reaktion Nicht so bei einem Allergiker. Sein Organismus klassifiziert den injizierten Giftcocktail als gefährlichen Feind. IgE-Antikörper sorgen dafür, dass massenhaft Histamin und weitere Entzündungsmediatoren wie Prostaglandine und Leukotriene freigesetzt werden. Das bewirkt einen gefährlichen Blutdruckabfall und kann lebensbedrohlich sein.
Immerhin fünf Prozent der Bevölkerung reagieren allergisch auf Bienen- oder Wespenstiche; 20 Menschen sterben pro Jahr an einem daraus resultierenden anaphylaktischen Schock. Es gibt verschiedene Stadien der Anaphylaxie, also der erworbenen Überreaktion des Immunsystems. Bei Grad 1 bekommt der Allergiker einen Juckreiz am ganzen Körper, das Gesicht und hier besonders die Augenlider schwellen an, Nase und Augen tränen übermäßig. Typisch ist auch ein so genannter „Flush“, also eine anfallsartige Gesichtsröte.
NOTFALLSET FÜR ALLERGIKER
Dieses enthält:
+ ein schnell wirkendes Antihistaminikum
+ ein Glukokortikoid zur oralen Anwendung
+ Adrenalin als Autoinjektor
+ einen Inhalator für Asthma-Patienten
Grad 2 zeigt erste Kreislaufsymptome: Herzrasen, Übelkeit, Blutdruckabfall. Danach beginnt der Betroffene nach Luft zu ringen: Die Atemwege schwellen zu, das Bewusstsein trübt sich. Zuletzt setzt der Kreislauf aus. Ein Schock muss aber nicht erst alle vier Stufen durchlaufen; er kann bereits nach Sekunden oder Minuten übergangslos auftreten! Es ist deshalb wichtig, bei den ersten Anzeichen eines anaphylaktischen Schocks den Notarzt zu rufen! Er wird mit Histaminblockern und Glukokortikoiden, vielleicht auch mit einer intramuskulären Adrenalinspritze behandeln.
„Erfahrene“ Allergiker haben stets ein Notfallset mit eben diesen Präparaten dabei. Ist der Betroffene nicht mehr in der Lage, die Medikamente zu applizieren, sollte idealerweise auch seine Umgebung über deren Handhabung informiert sein. Wer an sich selbst Anzeichen einer Insektenstichallergie beobachtet, sollte sich zunächst in die Hände eines Facharztes begeben. Der wird eine genaue Diagnostik vornehmen. Dazu gehören ein Bluttest, bei dem die Anzahl der Immunglobuline vom Typ IgE bestimmt werden, sowie ein Hauttest .
Der Arzt wird nach den genauen Umständen der Reaktion und nach der Art des Insektes fragen. Eine besondere Gefährdung gilt für Menschen, die sich beruflich viel im Freien aufhalten (Waldarbeiter, Gärtner) und auch für Bäckereioder Obstverkäufer.
Leben mit der Allergie Wer um seine Bereitschaft zur allergischen Reaktion weiß, dem ist klar, dass er zuallererst den Kontakt mit dem Allergen meiden muss. Dazu gehört, im Sommer nicht barfuß über die Wiese zu laufen – schon gar nicht durch eine Obstwiese. Denn das gärende Fallobst zieht die Insekten massenweise an. Langärmelige, helle Kleidung ist von Vorteil, ebenso wie Insektennetze vor den Fenstern. Selbst nachts ist das vonnöten, denn Hornissen sind nachtaktiv und fliegen zum Licht!
Beim Essen oder Trinken süßer Speisen im Straßencafé oder auf der heimischen Terrasse sollten Allergiker sehr vorsichtig sein – übrigens kann ein Stich in den Rachenraum auch für Nicht-Allergiker gefährlich werden. Eiswürfel lutschen hilft, die Schwellung zurückzudrängen, damit keine Atemnot entsteht – natürlich nur, wenn der Betroffene dazu noch in der Lage ist.
DER ANAPHYLAKTISCHE SCHOCK
Bei dieser schwersten Form der allergischen Sofortreaktion kommt es durch die massenhafte Ausschüttung von Histamin zu einer Erweiterung der Blutgefäße, was wiederum einen lebensbedrohlichen Abfall des Blutdrucks zur Folge hat. Der anaphylaktische Schock kann folgende Vorboten haben: Quaddelbildung, Kopfschmerzen, Atemnot, Herzrasen, ein „Zuschwellen“ des Gesichtes, manchmal auch nur ein Kribbeln an Händen und Füßen. Oft aber droht der Kreislauf nach einem Stich ohne Vorwarnung sehr schnell auszusetzen. In jedem Fall ist bei den beschrieben Anzeichen sofortige ärztliche Hilfe nötig!
Wer gern Motorrad fährt, sollte eng anliegende Kleidung und das Visier heruntergeklappt tragen. Und leider mögen Wespen und Bienen auch Parfüm recht gern. Also lieber darauf verzichten! Generell gilt es, hastige Bewegungen zu vermeiden, da sich die Insekten sonst schnell bedroht fühlen und zustechen. Bei schwül-warmem Wetter sind sie besonders aggressiv. Insektenspray aus der Sprühflasche bietet übrigens keinerlei Schutz.
Und wenn es doch passiert ist: Ein Stachel sollte niemals mit zwei Fingern im Pinzettengriff herausgezogen werden. Denn durch das Zusammendrücken wird auch das restliche Gift noch unter die Haut gespritzt. Besser ist es, den Stachel mit dem Fingernagel vorsichtig abzulösen.
Hyposensibilisierung kann helfen Sehr gute Erfolge sind bei Wespen- und Bienenstichallergikern mit der Hypo- oder Desensibilisierung zu verzeichnen. Immerhin hilft sie in 90 Prozent der Fälle, das Leben für diese Menschen sicherer und erträglicher zu machen! Dabei werden kleinste Mengen des Giftes in wachsender Dosis unter ärztlicher Aufsicht ungefähr drei Jahre lang unter die Haut gespritzt.
Das ist übrigens auch die Antwort auf die Frage, warum Imker nur selten allergische Reaktionen auf Bienenstiche zeigen: Sie werden durch wiederholte, immer wiederkehrende Stiche auf natürliche Weise desensibilisiert. Allerdings können auch Imker einen anaphylaktischen Schock erleiden! Eine Allergie kann plötzlich, wie aus dem Nichts auftreten, denn ihr ging immer eine unbemerkte Erstreaktion voraus. Bei dieser produziert der Körper bereits in großen Mengen das Immunglobulin E, das dann später die Antigen-Antikörper-Reaktion auslöst, in deren Verlauf übermäßig hohe Mengen an Histamin ausgeschüttet werden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/15 ab Seite 126.
Alexandra Regner, PTA und Journalistin