Seuchen der Welt
DER SCHWARZE TOD
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Ausgelöst wird die Pest durch das Bakterium Yersinia pestis, eine Mutation des für den Menschen sonst relativ ungefährlichen Bakteriums Yersinia pseudotuberculosis. Doch das wusste man zur Zeit der großen Pestepidemien noch nicht. Bemerkt wurde nur: Massenhaftes Sterben von Ratten ist das wichtigste Merkmal, das einem Pestausbruch vorausging.
Noch heute sagt der Volksmund in China und Indien: „Wenn die Ratten sterben, muss man fliehen.” Denn wenn dies passiert, suchen die infizierten Rattenflöhe , wild vor Hunger, nach einer neuen Blutquelle und stürzen sich auf die Menschen. Randvoll mit Pestbazillen funktioniert der Floh wie eine Injektionsnadel und spritzt bei seinem Biss die Bakterien ins Lymphsystem der Betroffenen. Dieser Zusammenhang wurde aber erst 1898 durch den französischen Bakteriologen Paul-Louis Simond (1858 bis 1947) entdeckt. Mittlerweile ist auch bekannt, dass die Pest über 200 Säugetierarten befallen kann, also nicht auf Ratten allein beschränkt ist.
Krankheitszeichen Erste Anhaltspunkte sind nach einer Inkubationszeit von bis zu sieben Tagen Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, starkes Krankheitsgefühl, Bewusstseinstörungen und typischerweise harte, geschwollene Beulen in der Leiste, der Achsel oder im Nacken in Flohstichnähe (Beulenpest). Befallen die Bakterien ebenfalls die Lunge, was auch durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch möglich ist, ist dies die Lungenpest. Diese geht mit Atemnot, Husten, Blaufärbung der Lippen, schwarzblutigem Auswurf, Lungenödem mit Kreislaufversagen und meist Tod nach zwei bis fünf Tagen einher.
Gelangt bei der Infektion eine ausreichende Bakterienkonzentration in die Blutbahn, kann die körpereigene Abwehr ihrer nicht mehr Herr werden, eine Blutvergiftung (Sepsis) ist Folge, Nieren und Leber werden nekrotisch und am Ende erliegt das Opfer spätestens nach 36 Stunden einem toxischen Schock (Pestsepsis). Bei dieser hämorrhagischen Reaktion des Körpers wird dieser mit schwarzen Flecken überzogen.
Unbehandelt sterben etwa 60 Prozent der an Beulenpest Infizierten, an der Lungenpest rund 90, an der Septischen Pest praktisch 100 Prozent. Es existiert noch eine vierte Erscheinungsform, die vergleichsweise harmlose abortive Pest. Diese geht nur mit leichtem Fieber und geringer Schwellung der Lymphdrüsen einher und gewährleistet durch Antikörperbildung nach überstandener Infektion aber eine langanhaltende Immunität gegen alle Pestformen.
Große Pestepidemien Die ersten kamen 540 n. Chr. bis Mitte des 8. Jahrhunderts in Asien vor und breiteten sich von dort nach Nordafrika, bis zum Mittelmeerraum und im Nahen Osten aus. Am bekanntesten ist die Justinianische Pest von 541 bis 544, die sich von Ägypten nach Europa ausbreitete und möglicherweise zum Zusammenbruch des Römischen Reiches beitrug. Es wird geschätzt, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung im mediterranen Europa ums Leben kam.
Von den 1330er-Jahren bis ins 18. Jahrhundert ist dann die zweite Pestperiode mit vielen schweren Ausbrüchen in Europa dokumentiert. 1347 bis 1353 wütete der „Schwarze Tod”, eine der tödlichsten Pandemien der Menschheitsgeschichte und auf jeden Fall die tödlichste demografische Krise des Mittelalters. Mindestens 25 Millionen Menschen starben.
ÜBERBLICK
In unserer neuen Serie „Seuchen der Welt“ stellen wir Ihnen in den bevorstehenden Monaten folgende Themen vor:
+ Lepra
+ Syphillis
+ Cholera
+ Typhus
+ Malaria
+ Pocken
+ Masern
+ Polio
+ Grippe
+ AIDS
+ SARS
Der Begriff „Schwarzer Tod” bezog sich vermutlich sowohl auf den Schrecken der Seuche als auch auf die schwarzen Körper der Opfer. Verwesungsgeruch lag überall in der Luft. Ursachen und Ausbreitung der Erkrankung waren aber noch völlig unbekannt. Es wurden göttliche und astrologische Erklärungen, die Pest als Gottes Reaktion auf Menschheitssünden, eine unheilvolle Stellung der Sterne und Planeten, ungewöhnliches Wetter oder verfaulender Abfall auf den Straßen als Erklärungsursachen herangezogen. 1665/1666 tötete die Große Pest von London etwa 100 000 Einwohner. Insgesamt starben rund 50 Millionen Europäer vom 14. bis 18. Jahrhundert an der Pest, die immer wieder von Osten nach Westen über den Kontinent zog.
Die dritte Periode begann ab 1855 in Asien und forderte bis 1948 allein in Indien 12,6 Millionen Todesopfer. Eine moderne Beschreibung der Krankheit mit Untersuchung von Ausbreitung, Erregern und effektiven Bekämpfungsmöglichkeiten begann erst mit der Pandemie von 1890 in Indochina.
Heilung Alexandre Yersin (1863 bis 1943), ein französischer Bakteriologe aus der Schweiz, gelang es 1895, den Pesterreger zu entdecken und auch ein Antiserum, das erste wirkliche „Heilmittel”, zu entwickeln. Heute kann die Erkrankung vorbeugend sowie im Akutfall mit Antibiotika (Streptomycin i. m., Chloramphenicol, Tetrazyklin/Sulfonamidkombinationen) bekämpft und bei frühzeitiger Erkennung gut behandelt werden.
Eine langanhaltende Schutzimpfung gegen die Pest existiert bis heute nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registriert jährlich immer noch ungefähr 2000 Erkrankungsfälle pro Jahr, meistens örtlich begrenzte Epidemien in Afrika (Uganda, Kongo), in Asien (Indien) und Teilen der südwestlichen USA.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/13 ab Seite 50.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin