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Herbstmilben

DER KLEINE ROTE VAMPIR

Da sind mehrere kleine rote Pünktchen nebeneinander, direkt über dem Gürtel, die tierisch jucken? Das sind keine Mückenstiche: „Der Beiß“ geht um, die Herbstgrasmilbe hat wieder zugeschlagen.

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Die Menschen in früheren Zeiten hatten oft sprechende Namen für Beschwerden, die sie plagten, und diese waren erstaunlich treffend: Erntekrätze oder Herbstbeiß nannten sie die vielen roten Pünktchen, für die sich einfach kein Parasit finden ließ, die aber stets nach der Heuernte auftraten.

Festmahl für Nymphen Neotrombicula autumnalis ist ihr wissenschaftlicher Name, Herbstgrasmilbe die deutsche Entsprechung. Von April bis in den späten Oktober treiben sie ihr Unwesen in Gärten, Parks oder sonstigen Grünanlagen; sie lieben die niedrige Vegetation und sind auch im Moos oder auf gemulchten Rasenflächen zu finden. Ausgewachsene Tiere sind ungefähr zwei Millimeter groß und durchaus mit dem bloßen Auge zu erkennen. Doch sie sind es nicht, die den Juckreiz verursachen: Das sind ihre Larven.

Die haben noch sechs Beine statt acht (wie die Eltern) und sind nur auf eins aus: Lymphe und Hautschuppen. Diese Kombination ist für die kleinen Laufmilben ein Festmahl, bei dem sie bestens gedeihen. Die ausgewachsenen, leicht rötlichen Milben legen ihre Eier vom Frühsommer an auf der Erdoberfläche in Wiesen und Grasland ab. Nach vier Wochen schlüpfen die Larven – und warten, ähnlich wie Zecken, auf einen Wirt, der sich durch die Erschütterung des Bodens und Luftverwirbelungen ankündigt.

Meistens sind dies Mäuse, Vögel, Hunde oder Katzen – aber auch ein Mensch kann dabei sein, der einen Spaziergang macht. Unabsichtlich vom Grashalm abgestreift, läuft die kleine Milbe im Larvenstadium – Nymphe genannt – über die Haut aufwärts, um sich an einer geeigneten Stelle zu verstecken. Die sollte warm und feucht sein, wobei Kniekehlen, Achselhöhlen oder der Schritt sich anbieten. Das ist übrigens auch der Grund, warum die kleinen roten Pünktchen oft über dem Gürtel zu finden sind – der stoppt nämlich den Laufweg der Milben, die zu diesem Zeitpunkt ungefähr einen halben Millimeter groß sind.

Kieferklauen werden ausgefahren Würden wir die kleinen Nymphen unter dem Elektronenmikroskop betrachten, könnten wir nun grausige Dinge beobachten: Sie fahren nämlich ihre Kieferklauen aus, die Cheliceren, die sich größenmäßig zum Larvenkörper wie die Schaufel eines Baggers verhalten, ritzen die Haut an und injizieren ihren Speichel. Der sorgt dafür, dass sich die Zellen auflösen, was zusammen mit der vorbeifließenden Lymphe einen Nahrungsbrei bildet, der der Nymphe außerordentlich gut schmeckt. Das geht bei Hunden, Katzen und Mäusen aus Sicht der Milbe verhältnismäßig gut, da ihre Haut dünn ist.

Beim Menschen verhält es sich anders: Dessen Haut ist eigentlich zu dick für den Saugrüssel der Milbe und er wird daher von ihr als Fehlwirt angesehen, sozusagen eine Übersiedlung aus Versehen. Ist die Milbe satt, lässt sie sich fallen. Und wenn die Beschwerden beginnen, ist sie schon nicht mehr da. Denn die Symptome setzen verzögert ein. Erst wenn die Milbe den Wirtskörper verlassen hat, fangen die Einstichstellen an zu jucken. Der Speichel der Milbe löst eine Abwehrreaktion der Haut aus, die sehr heftig sein kann. Manche Menschen bekommen große, blasige Pusteln, die mit Flüssigkeit gefüllt sind und die nicht aufgekratzt werden sollten. Andere wiederum spüren fast nichts. Das ist ähnlich wie die Reaktion auf Mücken- oder Flohstiche, mit denen die Bisse der Herbstmilbe oft verwechselt werden.

Hilfe aus der Apotheke Helfen können hier Repellenzien oder Insektizide, die auf die Haut oder Schuhe und Kleidung aufgetragen werden. Ist bekannt, dass auf einer Wiese Milben lauern, sollten bei Betreten Gummistiefel und lange Hosen getragen werden. Befindet sich Neutrombicula autumnalis gar im eigenen Garten, hilft es nur, den Rasen so oft wie möglich zu mähen und den Rasenschnitt zu entsorgen – und zwar nicht auf dem Kompost! Hobbygärtner schwören auch auf häufiges Wässern des Rasens, wodurch die Milben einfach fortgespült werden.

Befinden sich auf einer Wiese viele Mäuselöcher, kann davon ausgegangen werden, dass die Milbenpopulation hoch ist, denn Mäuse sind die perfekten Wirtstiere. Erst der Frost stellt für die Larven eine natürliche Begrenzung dar: Bei Temperaturen unter Null sterben sie. Im Winter ist daher Ruhe vor den Plagegeistern. Ist der Mensch gebissen worden, hilft nur Schadensbegrenzung. Das Betupfen mit 70-prozentigem Alkohol kann helfen, manche schwören auch auf Essig oder Franzbranntwein. Besser wirken vermutlich juckreizlindernde Gele mit Antihistaminika oder Hydrokortison. Auch elektrische Stichheiler, die mit Wärme arbeiten, können den Juckreiz schnell lindern. Und wer seinen Hund im Bett schlafen lässt, sollte ihn ab und zu in ein Neemöl-haltiges Bad tauchen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/17 auf Seite 118.

Alexandra Regner, PTA/Redaktion

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