Kolumne | Holger Schulze
DÉJÀ VU?
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Kennen Sie das auch? Dieses seltsame Gefühl, eine bestimmte Situation, in der man sich gerade befindet, ganz genau so schon einmal erlebt zu haben, obwohl man sich gleichzeitig sicher ist, dass das objektiv betrachtet eigentlich gar nicht sein kann? Wenn ja, dann gehören Sie zu den rund 60 Prozent der Bevölkerung, die zumindest einmal in ihrem Leben schon einmal ein sogenanntes Déjà vu-Erlebnis gehabt haben. Trotz der Tatsache, dass derartige Erfahrungen also keine Seltenheit sind, sondern vielmehr ausgesprochen häufig auftreten, ist die neurobiologische Ursache ihrer Entstehung nach wie vor äußerst rätselhaft.
Wie kann es sein, dass unser Gehirn uns das Gefühl vermittelt, etwas zu kennen, obwohl wir gleichzeitig zu wissen glauben, dass dem nicht so ist?
Für die Hirnforschung ist dies eine außerordentlich schwierig zu beantwortende Frage, entzieht sich das Phänomen durch sein beim Einzelnen seltenes und vor allem unvorhersehbares Auftreten doch den allermeisten experimentellen Ansätzen: Man kann einfach nicht wissen, wann man die Hirnaktivität messen sollte, um einem Déjà vu auf die Spur zu kommen, denn es ist in der Regel nicht auslösbar und vor allem nicht reproduzierbar. Die Wissenschaft war daher lange auf Fallberichte und Befragungen angewiesen, um etwas über das Phänomen zu erfahren.
Nichtsdestotrotz ließen sich bei derlei Untersuchungen bereits gewisse Eigenschaften des Déjà vu identifizieren: So nimmt die Häufigkeit der Déjà vu-Erfahrungen bei Gesunden mit dem Alter ab, korreliert aber gleichzeitig positiv mit dem Bildungsniveau und dem sozialen Status. Auch scheint das Phänomen häufiger im Zusammenhang mit Stress oder Müdigkeit aufzutreten. Neben diesem „normalen“ Auftreten beobachtet man Déjà vus überproportional häufig in bestimmten Patientengruppen, nämlich solchen mit Schizophrenie und solchen, die unter Temporallappenepilepsie (TLE) leiden, hier dann häufig als Aura, also eine einen Anfall ankündigende Wahrnehmung.
Während unklar ist, ob Déjà vu-Phänomene im Kontext von Hirnerkrankungen denen im Gesunden vergleichbar sind, so gibt insbesondere deren Auftreten bei TLE mögliche Hinweise auf die neurobiologichen Ursachen der Erfahrung: Scheinbar ist das Déjà vu-Erlebnis mit einer Aktivierung von Neuronen in einem bestimmten Hirnareal (oder einem Netzwerk von solchen) verbunden, welche im Temporal- oder Schläfenlappen der Großhirnrinde liegen.
Neuere anatomische Vergleiche zwischen Hirnen von Menschen mit und ohne Déjà vu-Erfahrungen zeigen denn auch signifikante Unterschiede in Form von weniger grauer Substanz bei Personen mit Déjà vu in diesem Bereich, besonders im Parahippocampus, der etwas mit dem Erkennen von Dingen zu tun hat. Man könnte also spekulieren, dass wenn diese Region fälschlicherweise aktiv ist, ein Gefühl des Erkennens unabhängig davon entstehen könnte, ob es da tatsächlich etwas zu erkennen gibt. Im Konfliktfall ergäbe sich dann eben ein Déjà vu. Und? Kennen Sie das auch? Oder sollte ich besser fragen: „Déjà vu?“
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 12.
ZUR PERSON
Prof. Dr. Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de
Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches MItglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de
Prof. Dr. Holger Schulze, Hirnforscher