Vegetarismus
DAUERHAFT GEEIGNET
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Schätzungen zur Folge ernähren sich hier zu Lande derzeit etwa sechs bis acht Prozent vegetarisch – mit steigender Tendenz. Vor allem die BSE-Krise, Vogelgrippe & Co. haben viele Menschen zu diesem „stillen Protest” bewegt. Darüber hinaus spielen auch die moralische Ablehnung der Tötung von Tieren und ökologische sowie gesundheitliche Aspekte eine große Rolle. Für die meisten Vegetarier ist die Kostform eine wahre Philosophie mit dem Bestreben, Gesundheit und Moral harmonisch zu verbinden.
Welche „Typen” gibt es? Die am weitest verbreiteten Ovo-Lacto-Vegetarier verzichten zwar auf Fleisch und Fisch, bauen aber tierische Produkte wie Milch und Eier mit in ihren Speiseplan ein. Zu den Unterformen zählen die lactovegetarische Kost, in der nur Milchprodukte, aber keine Eier eingesetzt werden und das Pendant: die Ovo-vegetarische Kost, bei der Eier, aber keine Milch zur pflanzlichen Kost ergänzt werden.
Die Pescetarier verzichten auf Fleisch, verzehren jedoch aufgrund ihrer gesundheitlichen Vorteile Fisch und manche anderen tierischen Produkte. Vegetarierverbände grenzen sich jedoch eher von dieser Untergruppe ab. Als strengste vegetarische Form gilt die vegane Ernährungsform, bei der alle Lebensmittel tierischen Ursprungs gemieden werden: Eier, Milch, Käse und sogar Honig. Aus ethischen-religiösen Gründen verzichten manche sogar auf tierische „Materialien” (z. B. Wolle und Leder).
Sich vegan zu ernähren, liegt im Trend und ist Teil des modernen Lifestyles geworden. Mittlerweile bieten zahlreiche Restaurants vegetarische „Haute Cuisine” an. Auch vegane Kochbücher sprießen wie Pilze aus dem Boden. Die Exoten unter den Vegetariern, die Frutarier, versuchen im Rahmen ihrer veganen Ernährung Beschädigungen an der Pflanze selbst zu vermeiden. Beispielsweise Obst und Nüsse als Pflanzenteile werden in der Kost akzeptiert, da die Natur diese „freiwillig” hergibt. Knollen, Wurzeln und Blätter etc. werden dagegen vom Speiseplan verbannt. Und nicht zu vergessen: Puddingvegetarier ernähren sich fleischlos, schenken ansonsten der Ernährung keine besondere Beachtung. Viel Fast-Food, Zucker und Weißmehlprodukte prägen die einseitige Kost.
Die gesundheitlichen Vorteile Studien zur Folge verfügen die meisten Vegetarier über einen überdurchschnittlich guten Gesundheitszustand. Vor allem diejenigen mit ovo-lacto-vegetarischer Ernährung profitieren davon. Durch die fleischfreie Ernährung werden tierische Fette und Eiweiße reduziert, was vor Zivilisationserkrankungen schützen kann und die Lebenserwartung erhöht. So litten Vegetarier seltener an Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gicht und Übergewicht. Dies ist jedoch nicht alleine auf die vegetarische Ernährungsweise, sondern auch auf den allgemein gesünderen Lebensstil zurück zu führen, denn: Sie rauchen meist nicht, trinken weniger Alkohol und treiben mehr Sport.
Wann droht ein Nährstoffmangel? Mit einem fundierten Knowhow zu einer fleischlosgesunden und ausgewogenen Ernährung und einer sorgfältigen Lebensmittelauswahl und -kombination schaffen es viele Vegetarier, ihren Nährstoffbedarf zu decken. Durch den gezielten Einsatz von saisonalem Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Nüssen, Pflanzenölen, Sojaprodukten und Getreidesorten wie Bulgur, Couscous & Co. gelingt dies sogar auf sehr schmackhafte Weise.
In den meisten Supermärkten haben sich mittlerweile vegetarische Ecken etabliert, in denen neben Brotaufstrichen auch vegetarische Schnitzel und Würstchen zu finden sind. Dies erleichtert die praktische Umsetzung, vor allem, wenn eine Mahlzeit auch für „Fleischesser” mit zubereitet wird. Dabei sind die Ovo-Lacto-Kost und der Pescetarismus auch als Dauerkost zu empfehlen, denn sie integrieren auch Eier und Milch als wichtige Kalzium- und Vitamin-D-Quellen, in manchen Fällen mit dem Plus an tierischem Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren des Fisches.
Veganer haben ein erhöhtes Risiko Je strenger die vegetarische Kostform ausfällt, desto höher ist das Risiko für einen Nährstoffmangel. Bei Veganern gibt es schon mehrere „Brennpunkte”: Die Eiweißversorgung beispielsweise sollte bewusst über den vermehrten Einsatz von Mais, Hülsenfrüchten (z. B. Bohnen), Sojaprodukten und Nüssen und speziellen Kombinationen sichergestellt werden. Auch ein Kalzium -, Eisen- oder Vitamin-B12-Defizit wird wahrscheinlicher.
Experten raten Veganern zur Überprüfung ihres Mikronährstoffstatus und bei Bedarf zur Nahrungsergänzung. Der Körper kann zwar von einem guten gefüllten Vitamin-B12-Speicher lange zehren. Dadurch wird jedoch auch ein Mangel erst spät bemerkt. Durch ein Vitamin-B12-Präparat kann man einem solchen vorbeugen. Ein Vitamin-D-Supplement macht vor allem im Winter Sinn, wenn die körpereigene Synthese nachlässt und die Speicher verebben. Beim Eisenstatus sollte auch das Ferritin (Speichereisen) mit untersucht werden, da es mehr Aufschluss auf einen manifesten Mangel gibt.
Grundsätzlich ist diese Kostform nicht geeignet für Schwangere, Stillende und Kinder. Aber auch bei Erwachsenen ist sie als Dauerkost kritisch zu bewerten, denn sie kann langfristig zum Beispiel zu Osteoporose oder Symptomen wie Müdigkeit und einem geschwächten Immunsystem führen. In Studien war dies aber nicht immer der Fall, denn durch den insgesamt gesünderen Lebensstil federn Veganer einiges ab: Der Bedarf an antioxidativen Mikronährstoffen ist eher gering und die Knochendichte wird vielmehr über die Bewegung an der frischen Luft und die körpereigene Synthese von Vitamin D durch UV-Licht gestärkt.
Besonders gefährdet: Frutarier und Puddingvegetarier Für eine Dauerernährung sind die frutarische Ernährung und die der Puddingvegetarier gänzlich ungeeignet. Bei ihnen dürften der Nährstoffmangel und die langfristigen Folgen für die Gesundheit am größten sein. Die extrem einseitig ausgerichtete Ernährung beider Gruppen kann zu einem breit gefächerten Defizit führen: Nicht nur das Risiko für ein Defizit an Kalzium, Vitamin D, B12 und Eisen steigt weiter, sondern auch die Zinkund Jodversorgung ist gefährdet. Von einer solchen Kost sollte langfristig abgeraten werden.
Fazit Ob die vegetarische oder gar vegane Kost Vorteile gegenüber den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bietet, ist fraglich. So kann jeder seinen Gesundheitszustand verbessern, indem er seinen Fleisch-, Weißmehl- und Zuckerkonsum reduziert, mehr Fischmahlzeiten und hochwertige Pflanzenkost einbaut. Die moralisch-ethischen Beweggründe scheinen jedoch das Bewusstsein der Vegetarier so zu schärfen, dass sie konsequent und langfristig zu einem gesünderen Lebensstil übergehen. Die einzelnen gesundheitlichen Aspekte des Vegetarismus können jedoch auch „moderat” in die Dauerkost eingebaut werden.
KURZER RÜCKBLICK
Der griechische Gelehrte Pythagoras (570 bis 500 v. Chr.) gilt als der erste große Vegetarier. Er und seine Anhänger befürchteten, dass alles, was der Mensch den Tieren antut, wieder auf sie zurückkommt. Sie waren sogar der Meinung, dass der Verzehr von Fleisch aus ihnen eine „aggressive und mordlüsterne Kriegsmaschine” mache, die auch Menschen töten würde. Auch wenn es immer wieder einige Nachahmer gab, so entwickelt sich doch keine konstante Bewegung daraus.
Erst prominente Vertreter der französischen Aufklärung wie Voltaire (1694 bis 1778) und Rousseau (1712 bis 1778) sorgten wieder für mehr Aufmerksamkeit. Bis zur Einführung des Begriffes „Vegetarier” inklusive Gründung des ersten Vegetariervereins 1847 in England wurden die sich fleischlos ernährenden Menschen immer noch als „Pythagoräer” bezeichnet. Der Begriff des Vegetarismus geht auf das englische Wort „vegetable” für „Gemüse, pflanzlich” zurück. 1867 folgte auch Deutschland mit dem ersten Verein. Die Entwicklung der Homöopathie nach dem ersten Weltkrieg ließ die vegetarische Bewegung erneut boomen, fand jedoch erst in der BSE-Krise (im Jahr 2000) seinen bislang absoluten Höhepunkt mit 15 Prozent deutscher Anhänger.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/12 ab Seite 124.
Andrea Pütz, PTA und Dipl. Oec. Troph