Lebererkrankungen – Teil 4
DAS SCHLAFENDE VIRUS
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Hepatitis B gehört zu den häufigsten viralen Hepatitiden. Etwa ein Drittel aller Menschen weltweit war von der Entzündung schon einmal betroffen, 350 Millionen Menschen haben eine chronische Form. Während die akute meist folgenlos ausheilt, erhöht ein chronischer Verlauf das Risiko für lebensgefährliche Lebererkrankungen wie Schrumpfleber oder Leberkrebs drastisch.
Fest in die DNA integriert Das Hepatitis-B-Virus ist ein partiell doppelsträngiges DNA-Virus aus der Familie der Hepadnaviren. Bei einer Infektion integriert es sein Erbgut in die DNA der Leberzellen. Hierdurch wird es fester Bestandteil der menschlichen DNA und kann nicht mehr eliminiert werden. HBV findet sich in Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma, Schleimhautsekret, aber auch in Muttermilch. Es kann von einem Infizierten über kleinste Hautverletzungen in den Körper eindringen oder von der Mutter auf das Neugeborene übertragen werden. Gefährdet sind auch Heroinabhängige (durch Austausch von Spritzen), medizinisches Personal oder Menschen, die Bluttransfusionen erhalten. Aggressive Sexualpraktiken stellen ebenfalls ein Übertragungsrisiko dar.
Wichtig: Folgeerkrankungen vorbeugen! Die Inkubationszeit einer akuten HBV-Infektion beträgt zwischen vier Wochen und sechs Monaten. In zwei Dritteln der Fälle verläuft die Infektion symptomlos und wird daher von den Betroffenen nicht bemerkt – wobei sie natürlich trotzdem ansteckend sind. Wer Symptome ausbildet, fühlt sich meist grippig, ist abgeschlagen, hat Muskel- und Gliederschmerzen und keinen Appetit. Lediglich die Gelbfärbung der Schleimhäute (Ikterus) sowie Verfärbung von Kot und Urin sind als Symptome für eine Leberentzündung spezifisch, kommen aber nicht in allen Fällen vor.
LABORDIAGNOSTIK
In den klinischen Leitlinien ist das diagnostische Vorgehen folgendermaße empfohlen: Die virologisch-serologische Diagnostik bei Verdacht auf eine akute Hepatitis B sollte den Nachweis von HBsAg, Anti-HBc (gesamt), falls positiv auch Anti-HBc-IgM, umfassen sowie bei Bedarf HBeAg und Anti-HBe. In seltenen Fällen (HBsAg-negative akute Hepatitis B) führt erst die Bestimmung der HBV-DNA (quantitativ) zur korrekten Diagnose. Die Diagnostik bei Verdacht auf eine chronische Hepatitis B erfordert sinnvoll aufeinander abgestimmte Schritte. Zu diesen gehören der Nachweis von HBsAg und Anti-HBc (gesamt), HBV-DNA (quantitativ) und HBeAg/Anti-HBe. Quelle: RKI
Nach vier bis sechs Wochen heilt die Krankheit bei den meisten von selbst und folgenlos aus. Daher behandelt man, wenn überhaupt nötig, auch nur die Symptome. Ansonsten wird Bettruhe empfohlen und eine Schonung der Leber. Alkohol ist daher tabu, aber auch die Anti-Baby-Pille und Paracetamol sollten als potenziell lebertoxische Produkte kritisch gesehen werden.
Verlauf Bei fünf bis zehn Prozent der Patienten dauern die Anzeichen der Erkrankung länger als sechs Monate an, das heißt, es liegt eine chronische Hepatitis B vor. Auch sie kann symptomlos verlaufen, es können aber auch Beschwerden wie Muskelund Oberbauchschmerzen sowie Abgeschlagenheit auftreten. Die chronische Form erhöht das Risiko von Folgeerkrankungen extrem. Experten nehmen an, dass jeder dritte Fall von Leberzirrhose und jeder zweite Fall von Leberkrebs auf eine chronische Hepatitis B zurückgeht. Daher ist eine rechtzeitige Diagnose mittels Bluttests wichtig. Die chronische Form wird mit Virostatika und Interferonen behandelt, wodurch die Virenvermehrung gehemmt beziehungsweise das Immunsystem unterstützt wird.
Wenn das Virus wieder erwacht Eine sehr gefährliche Form der Hepatitis-B-Infektion ist die Reaktivierung des Virus. Sie kommt selten vor und wird meist durch eine Immunschwäche ausgelöst, etwa unter einer Chemotherapie oder der Gabe von Immunsuppressiva bei einer Organtransplantation. Wird die Immunsuppression dann noch verringert, kann es durch die nun überschießende Reaktion der Körperabwehr gegen das Virus in kürzester Zeit zur Zerstörung der Leber kommen. Um das zu verhindern, muss eine Reaktivierung des Virus mehrere Wochen lang mit einem Nukleosidanalogon behandelt werden. Dieses verhindert die Bildung neuer Erreger-DNA und hemmt so die Virenvermehrung.
Ein Piks zur Vorbeugung Hepatitis B ist meldepflichtig. Die Infektionszahlen sind in den letzten Jahren immer weiter zurück-gegangen, sodass das Robert Koch-Institut für 2013 nur noch knapp 700 Neuerkrankungen meldete. Im Jahr 2000 waren es noch mehr als 4500. Grund dafür ist sicherlich auch die Schutzimpfung, die in Deutschland seit 1995 von der Ständigen Impfkommission empfohlen wird.
Die Impfung gegen Hepatitis B ist in der Sechsfachimpfung, die bereits im ersten Lebensjahr verabreicht wird, enthalten. Sie umfasst vier Impfdosen im Alter von zwei, drei, vier und 11 bis 14 Monaten. Als Einzelimpfung besteht sie lediglich aus drei Impfdosen, die innerhalb von sechs Monaten gegeben werden. Die Impfung bietet etwa 25 Jahre lang Schutz – und zwar gleichzeitig auch gegen Hepatitis D. Diese Zusatzinfektion tritt nach einer Ansteckung mit Hepatitis B zwar recht selten auf, sie kann aber zu schweren Verläufen führen, die innerhalb von wenigen Tagen tödlich enden können.
Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 98.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist