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Herpes

DAS GROSSE KRIBBELN

Jucken, Brennen und Bläschenbildung auf den Lippen deuten auf Herpes hin. Um die Ausbreitung der Erreger zu verhindern, sollte man bei den ersten Beschwerden rasch handeln.

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Lippenherpes ist im Apothekenalltag ein gängiges Beratungsthema. Klagen Betroffene über ein unangenehmes Brennen auf den Lippen, erhoffen sie sich eine kompetente Beratung von PTA und Apotheker, die dazu beiträgt, dass die lästigen Bläschen gar nicht erst auftreten oder zumindest schnell wieder verschwinden. Wer zum ersten Mal unter Lippenherpes leidet, muss leider damit rechnen, dass die Bläschen von nun an regelmäßig aufblühen.

Auslöser sind Herpes-simplex- Viren vom Typ 1 (HSV 1). Sie halten sich im Trigeminusganglion (in der Nähe der Schläfen) auf und verharren dort bis zur Reaktivierung. Im Vergleich zur übrigen Gesichtshaut ist die Haut der Lippen sehr sensibel. Sie hat (bei Personen mit heller Hautfarbe) weder Pigmente, welche die UV-Strahlung abschirmen, noch besitzt sie Talg- oder Schweißdrüsen. Auch der schützende Hydrolipidfilm fehlt ihnen, sodass sie anfällig für Infektionen sind.

Ungebetene Gäste Viren sind zur Replikation auf einen Wirt angewiesen, da sie nicht über einen eigenen Stoffwechsel verfügen. Sie bestehen lediglich aus einer Proteinhülle mit DNA oder RNA. Über Endozytose, (ein Transportvorgang in die Zelle hinein) gelangen sie in die Wirtszellen, wo sie ihre DNA beziehungsweise RNA sowie ihre Enzyme absondern. Die Wirtszellen vervielfältigen von diesem Zeitpunkt an die fremde Erbinformation sowie entsprechende Proteine. Sobald sie absterben, werden die Viruskopien freigesetzt. Die neuen Viren befallen dann weitere gesunde Zellen und vermehren sich auf diese Weise innerhalb kürzester Zeit.

Abwehrmechanismen Die Antwort des Immunsystems besteht zunächst in einer Aktivierung von Antikörpern, die sich gegen die Erreger richten (spezifische Abwehr). Außerdem werden die Viren durch Phagozytose bekämpft, indem die phagozytierenden Zellen die Fremdkörper „fressen“. Eine weitere Möglichkeit der Bekämpfung besteht in der Ausschüttung von Interferonen. Dadurch werden antivirale Proteine produziert, welche die gesunden Zellen schützen. Grundsätzlich ist die Behandlung bei viral ausgelösten Infektionen komplizierter als bei bakteriellen Erkrankungen, da die Erreger über keinen eigenen Stoffwechsel verfügen und somit schwer zu erfassen sind.

Kategorisierung Herpes-simplex- Viren gehören zur Gruppe der DNA-Viren mit Hülle. Lippenherpes (Herpes labialis) wird meist durch HSV-Typ 1- Viren verursacht, während HSV-Typ 2-Viren eher Herpes genitalis hervorrufen. Es handelt sich bei den Erregern um ein lineares, doppelsträngiges DNA-Molekül mit einer für einen DNA-Virus ungewöhnlichen Struktur, da zwei Nukleotidsequenzen (Nukleotide = Grundbausteine der DNA) von zwei sich umgekehrt wiederholenden Sequenzen umgeben werden.

GRENZEN DER SELBSTMEDIKATION

Denken Sie im Beratungsgespräch daran, Kunden, die an Herpes leiden, in folgenden Fällen zu einem Arztbesuch aufzufordern:

+ bei extremer Ausprägung der Bläschen.
+ bei Ausbreitung auf andere Bereiche wie Nase oder Kinn.
+ bei Augenbeteiligung oder Entzündungen der Hornhaut.
+ bei häufigen Rezidiven.
+ bei Personengruppen wie Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern, Schwangeren, Stillenden, älteren, multimorbiden sowie immungeschwächten Menschen.
+ bei ungewöhnlichen Verläufen.
+ bei begleitendem Fieber.
+ bei bakteriellen Superinfektionen.
+ beim Verdacht auf Entzündungen der Haut, Schleimhaut und Mundschleimhaut.
+ bei Herpes genitalis oder Herpes zoster.

Lebenslanger Aufenthalt Die Ansteckung mit Herpes-Viren erfolgt in der Regel im Kindesalter (vor dem fünften Lebensjahr) über Speichel oder Tröpfcheninfektion. Schmusen, insbesondere mit Kleinkindern, oder die gemeinsame Nutzung von Handtüchern oder Besteck stellen ein Risiko dar. Die Viren gelangen bei der Übertragung in die Lippenepithelzellen und wandern entlang der sensorischen Nerven zu den Ganglien der Gesichtsnerven oder zu denen des Rückenmarks. Dort verbleiben sie lebenslang in den Nervenzellen des Nervus trigeminus sowie des Ganglion trigeminales.

Diese Erstinfektion verläuft in 99 Prozent der Fälle unbemerkt. Es folgt die Latenzphase, in der größtenteils keine Symptome bestehen bis auf akute Ausbrüche in Form eines Herpes labialis. Latente Viren werden vermutlich durch Triggerfaktoren wie Stress, Ekel, UV-Strahlung, Zahnarztbehandlungen, hormonelle Schwankungen, körperliche Anstrengungen, Belastungen des Immunsystems (z. B. bei Erkältungen), Infektionen oder eine generelle Immunschwäche (wie bei HIV-Infektionen) aktiviert.

Darüber hinaus fördern Drogen, übermäßiger Alkoholkonsum, extreme Klimaschwankungen, Mangelernährung oder Nervenreizungen die akuten Infektionen. Bei der Sekundärinfektion gelangen die Viren über die sensorischen Nervenbahnen in das Gebiet zwischen Lippen und umliegender Haut. Dort befallen sie die Lippenepithelzellen, sodass der Lippenherpes ausbricht.

Phasen des Herpes labialis Lippenherpes beginnt mit Symptomen wie Jucken, Kribbeln oder Spannen im betroffenen Bereich, die durch die Vermehrung der Viren in den Wirtszellen zustande kommen (Prodromalphase). In der Erythemphase treten erste Entzündungssymptome wie Rötungen und kleine Erhebungen auf. Nach einigen Stunden entwickeln sich Schwellungen sowie die charakteristischen Lippenbläschen (Schwellungs- oder Papelphase). Die folgende Vesikelphase ist durch die mit hochinfektiöser Flüssigkeit gefüllten Bläschen gekennzeichnet.

Die Geschwüre platzen nach einiger Zeit auf und hinterlassen eine nässende, teilweise schmerzhafte Wunde (Ulzerationsphase). Nach einigen Tagen bildet sich eine Kruste (Verkrustungsphase). Der Schorf löst sich und es entsteht eine neue, frische Hautschicht (Heilungsphase). Insgesamt ist der Herpes labialis nach acht bis zehn Tagen wieder abgeheilt. Die Rezidive können jederzeit auftreten, gewöhnlich werden sie im Verlauf des Lebens seltener, bis sie schließlich ganz ausbleiben.

Seelische Belastung Nicht nur der Lippenherpes selbst ist für Betroffene unangenehm: Meist schämen sich Herpes- Patienten für die unästhetisch wirkenden Entzündungen im Mundbereich und befürchten, dass die Wunden lästige Blicke auf sich ziehen. Ihr Selbstbewusstsein ist zeitweise angeschlagen und nicht selten kommt es vor, dass sich Patienten während der akuten Herpesphase aus dem sozialen Leben zurückziehen. Eine schnelle, effektive Hilfe ist daher das A und O.


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