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Anti-Aging-Wirkstoffe

DAS GOLD DER FRAUEN

Der Karitébaum ist ein störrischer Baum, der sehr langsam wächst und sich nicht künstlich vermehren lässt. In seinen Früchten verbirgt sich das Schönheitsgeheimnis afrikanischer Frauen: die Sheabutter.

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Im Jahr 1794 ging der schottische Arzt und Wissenschaftler Mungo Park auf Afrika-Expedition: In einer Zeit, in der es immer noch weiße Flecken auf der Weltkarte gab, sollte er eine mögliche Verbindung des Niger zum Kongo entdecken, was den Transport der kolonialen Bodenschätze vereinfacht hätte. Diese Verbindung existierte aber nicht. Nach seiner Rückkehr schrieb er einen berühmten Reisebricht: In „Travels in the Interior of Africa“ erwähnt er, quasi nebenbei, die „Wundercreme“ der schwarzen Naturvölker. Sie sammelten die Früchte eines heiligen Baumes und verarbeiteten diese zu einer buttrigen Paste mit niedrigem Schmelzpunkt. Aus „sii“ (heilig) und der Konsistenzbezeichnung entstand das Neuwort „Sheabutter“.

Butyrospermum parkii Viel später tauchte der Name des schottischen Forschers auf der INCI-Deklaration der zahlreichen Kosmetika, die Sheabutter enthalten, auf: Butyrospermum parkii. Die Bezeichnung nimmt Bezug auf den Entdecker, der etwas als neu propagierte, was in der afrikanischen Savanne doch ein ganz alter Hut war: Seit Jahrhunderten nutzten die Eingeborenen die in aufwändigen Arbeitsschritten zerlegten Bestandteile der muskatnussähnlichen Nuss für Gesicht und Körper und brachten ihre Haut damit zum Schimmern. Mungo Park nannte die Creme mit dem eigentümlichen Geruch ehrfürchtig „Das Gold der Frauen“. Dabei macht es der Karitébaum seinen Bewunderern wirklich schwer. Zunächst einmal lehnt er jede Forstwirtschaft ab: Er lässt sich einfach nicht vermehren, seine Ableger sind reine Zufallskeimungen.

Er wurzelt dort, wo es ihm gefällt. Das hat zur Folge, dass er bei landwirtschaftlichen Rodungen in seiner Savannen-Heimat auf dem afrikanischen Kontinent meist stehen gelassen wird, da man ihn als Kostbarkeit erachtet. Hat eine Karité-Nuss – die botanisch betrachtet eigentlich eine Beere ist – sich selbst irgendwo eingepflanzt, braucht das entstandene Bäumchen 20 Jahre, um das erste Mal zu blühen. Und erst nach etwa 50 Jahren trägt er so viel Früchte, dass diese verwertet werden können – dann aber über 300 Jahre lang. Kein Wunder, dass der charaktervolle Baum von den Eingeborenen als heilig bezeichnet wird – wer einen Karitébaum fällt, muss mit schweren göttlichen Strafen rechnen.

In Puncto Schönheit und Körperpflege ist die Shea- oder Karitébutter ein wahrer Alleskönner.

Aufwändige Extraktion Kariténüsse werden nicht gepflückt, sondern erst aufgesammelt, wenn sie vom Baum gefallen sind. Das geht nur von Juni bis September, in der allergrößten Hitze. Nach der traditionellen Methode werden sie dann zunächst ausgebreitet und regelmäßig gewendet, danach in Handarbeit aufgeknackt, die Kerne gewaschen und nochmals in die heiße Sonne gelegt, bis auch wirklich der letzte Tropfen Wasser verdunstet ist. Früher wurden die Kerne dann in Holzmörsern zerstampft, die Masse nochmals leicht geröstet und schließlich zu einer feinen Paste zermahlen – heute übernehmen Maschinen diesen körperlich sehr anstrengenden Teil. Zumal die schokoladenähnliche Masse später noch stundenlang wie ein Brotteig geknetet und geschlagen werden muss.

Eine Presse extrahiert schließlich die begehrte ölige Substanz, die in ihrer unraffinierten Form nicht weiter bearbeitet wird und fertig zur Verwendung ist. Puristen halten dieses kakaobutterähnliche Fett für sehr viel wertvoller als die in Europa oft angebotene raffinierte Sorte, die – geruchlos und weiß – in ihrer Konsistenz an Vaseline erinnert. Der Trester der Kariténüsse – der sogenannte Presskuchen – findet danach übrigens als Verputz für die Häuser der Land- bevölkerung Verwendung: Sein Geruch vertreibt wunderbar Insekten. Doch was ist das Besondere an der Sheabutter, die in ihrem chemischen Aufbau dem menschlichen Hautfett ziemlich ähnlich ist? Sie hat von allen Pflanzenfetten den höchsten Anteil an unverseifbaren Bestandteilen (bis zu 16 Prozent) und stabilisiert sich durch ihren hohen Vitamin-E-Gehalt quasi selbst. Sheabutter ist nach ihrer Herstellung drei bis vier Jahre haltbar – auch bei tropischen Temperaturen.

Unverseifbar und wertvoll Unraffinierte Sheabutter besteht im Wesentlichen aus zwei chemischen Wirkstoffkomplexen: den Triglyceriden in Gestalt von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren und jenen unverseifbaren Anteilen. Letztere tragen dazu bei, dass dieses Pflanzenfett gut von der Haut aufgenommen wird, dort länger haftet und auch in die tieferen Schichten eindringen kann. Da sind zum einen die Phytosterole: Sie fördern die Wasseraufnahmefähigkeit der Haut, gelten als entzündungshemmend und heilungsfördernd. Tocopherole dringen aufgrund ihrer Lipophilie ebenfalls tiefer in die Haut ein und sind so in der Lage, freie Radikale abzufangen, die die Hautalterung fördern.

Durch Vitamin E und seine chemischen Brüder bleiben auch die Fettsäuren vor der zersetzenden Oxidation geschützt. Vitamin A wiederum stimuliert den Zellstoffwechsel und die Bildung von Kollagen. Als hauterneuernde Ingredienz wird es vor allem nach Sonnenbädern geschätzt. Vor Austrocknung schützen auch die enthaltenen Triterpenalkohole; Allantoin wirkt wundheilend und normalisiert entzündliche Prozesse. Zellschützende Auswirkungen haben außerdem Catechine und Squalen. Kein Wunder also, dass die Qualität von Sheabutter sich am Lebensmittelgesetz orientiert: Man könnte sie sogar essen.

Raffiniert kontra unraffiniert Ähnlich wie beim Olivenöl gibt es einen kleinen Glaubenskrieg um die Qualität der Sheabutter. Dabei ist die eine von der anderen gut zu unterscheiden: Im Urzustand, also unraffiniert, ist sie gelblich-​braun und hat einen speziellen Geruch, der je nach Beschreibung von „nussig-ölig“ oder „rauchig“ bis „leicht ranzig“ reicht. Es könnte sein, dass dieser Eigengeruch die ganz große Karriere der Sheabutter in Europa bisher verhindert hat. Denn sie hat einen äußerst wohltuenden Effekt auf die Haut: Wer sich davon überzeugen möchte, trage sie einmal abends auf und überprüfe am nächsten Morgen den Zustand der Gesichtshaut – sie fühlt sich an wie der sprichwörtliche Babypopo.

Nutzer berichten von ihrer Verwendung als Schutz gegen Schwangerschafts-Dehnungsstreifen, als Hautschutz für den Winter, als Allheilmittel gegen entzündliche Hautprozesse wie Neurodermitits oder andere Barrierestörungen. Um einen höheren Ertrag aus den Kariténüssen zu gewinnen und den von manchen als störend empfundenen Geruch zu beseitigen, setzen Hersteller vor allem für den europäischen Markt die Raffination ein: Dort wird mit Lösungsmitteln auch der letzte Rest des Pflanzenfettes aus der Frucht geholt, die Masse danach gebleicht und desodoriert. Das Verfahren beseitigt nicht nur den Geruch, sondern auch die Farbe: Die entstandene Paste ist reinweiß, da das ursprünglich enthaltene orange-gelbe Beta-​Carotin nun fehlt. Der Schmelzpunkt liegt aber weiter bei circa 35 Grad, weshalb die Paste verrieben zwischen den Handflächen oder aufgetragen auf die Haut sofort schmilzt.

Teilnahme an Wertschöpfung Da der Karitébaum nur in Afrika wächst, die industrielle Herstellung von Sheabutter jedoch zum größten Teil in Europa stattfindet, haben sich vielerorts Kooperativen gebildet, die einen fairen Preis für die Frauen bieten, die die Ernte übernehmen. Indem sie dadurch am Wertschöpfungsprozess des Rohstoffes beteiligt sind, erhalten auch sie ihren Anteil am „Gold der Frauen“.

Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Kosmetik – Anti-Aging“ 2019 ab Seite 18. 

Alexandra Regner, PTA und Journalistin

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