Schwangerschaft
DAS BABY ISST MIT!
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Prinzipiell gelten für Schwangere die gleichen Empfehlungen für eine ausgewogene gesunde Ernährung wie für die übrige Bevölkerung. In diesem Sinne gehören Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, fettarme Milch und Milchprodukte, fettarmes Fleisch und Meeresfisch auf den Speiseplan. Insgesamt sollte die Kost nicht zu fettreich und nur wenig gesüßt sein, damit nicht zu viele Kalorien zugeführt werden.
Ab dem vierten Monat werden lediglich 255 kcal pro Tag zusätzlich benötigt, was ungefähr einem Becher Jogurt oder einer belegten Scheibe Brot entspricht. Eine adäquate Gewichtszunahme wirkt sich positiv auf den Verlauf der Schwangerschaft und die Gesundheit des Kindes aus. So sollte eine normalgewichtige Frau circa 11,5 bis 16 Kilogramm Körpergewicht zunehmen, bei Untergewichtigen (BMI unter 19) darf es mit 12,5 bis 18 Kilogramm etwas mehr sein.
Kritische Nährstoffe Mehr als der Verbrauch an Energie steigt in der Schwangerschaft der Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen. Daher sollten die Lebensmittel eine hohe Nährstoffdichte, also einen hohen Gehalt an wichtigen Nährstoffen bei gleichzeitig niedrigem Energiegehalt aufweisen. Die meisten Nährstoffe werden bei ausgewogener und abwechslungsreicher Ernährung in ausreichender Menge aufgenommen. Besonders kritisch ist jedoch die Versorgung mit Folat, Jod und Eisen, deren erhöhter Bedarf in der Schwangerschaft in der Regel nicht allein über die Nahrung zu decken ist. Auch kann es für viele schwierig sein, sich hinreichend mit Kalzium, Vitamin D und der Omega-3-Fettsäure Decosahexaensäure (DHA) zu versorgen.
Folsäure/Folat zur Vorbeugung von MissbildungenSie gehören zu den wasserlöslichen B-Vitaminen. Während Folate die natürlichen Verbindungen sind, die in Lebensmitteln vorkommen, ist Folsäure eine synthetische Substanz. Sie wird in Nahrungsergänzungs- oder Arzneimitteln verwendet. Folsäure/Folat wird für die Bildung der roten Blutkörperchen, das Zellwachstum und die Zelldifferenzierung des Ungeborenen benötigt. Die Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt Schwangeren, täglich 600 Mikrogramm des B-Vitamins mit der Nahrung aufzunehmen, da ihr Bedarf infolge der Uterusvergrößerung, der Anlage der Plazenta, der Zunahme der mütterlichen Erythrozytenzahl sowie des embryonalen Wachstums steigt.
Folate kommen in grünen Blattgemüsen vor, auch Getreide und Leber sind folatreich. Die meisten sind aber mit dem B-Vitamin unterversorgt, da sie es mit der üblichen Kost nicht schaffen, eine ausreichende alimentäre Zufuhr zu gewährleisten. Zu geringe Folatspiegel erhöhen jedoch beim Ungeborenen das Risiko für bestimmte kindliche Fehlentwicklungen wie Neuralrohrdefekte, die mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen einhergehen können. Ebenso treten häufiger Herzfehler oder Lippen-Kiefer-Gaumenspalten auf und es werden ein verringertes Geburtsgewicht sowie Spontanaborte und Frühgeburten damit in Verbindung gebracht.
Rechtzeitig supplementieren Das Neuralrohr, eine Entwicklungsvorstufe des zentralen Nervensystems, schließt sich schon zwischen dem 22. und 28. Schwangerschaftstag, also zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Daher ist eine adäquate Zufuhr an Folsäure/ Folaten für Frauen mit Kinderwunsch bereits vor der Befruchtung wichtig.
Fachgesellschaften empfehlen, spätestens vier Wochen vor Beginn der geplanten Schwangerschaft täglich 400 Mikrogramm Folsäure zu supplementieren. Da dies in der Regel aber nicht ausreicht, um präkonzeptionell präventiv wirksame Erythrozytenfolatspiegel aufzubauen, ist es inzwischen üblich, mit einer höheren Dosierung von 800 Mikrogramm zu beginnen.
KEINE LEBER ESSEN
Schwangere sollten in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten auf Leber verzichten, da bereits kleine Portionen mehr Vitamin A enthalten können, als Schwangere aufnehmen dürfen. Als unbedenklich gilt hingegen Beta-Carotin, die Vorstufe des fettlöslichen Vitamins, das in Gemüse und Obst zu finden ist.
Ab der 13. Woche bis zum Ende der Stillzeit wird die Dosis auf 400 Mikrogramm reduziert. Frauen, die schon in einer vorausgegangenen Schwangerschaft ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt ausgetragen haben, sollen täglich vier bis fünf Milligramm Folsäure, also wesentlich höhere Mengen, einnehmen. Da nahezu die Hälfte aller Frauen synthetische Folsäure nur in unzureichendem Maße in die biologisch aktive Folatverbindung 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF) überführen kann, kann die Empfehlung von Präparaten sinnvoll sein, die neben Folsäure auch die körpereigene Vitaminform 5-MTHF enthalten.
Jod für Schilddrüse und Wachstum Auch lässt sich der höhere Bedarf an Jod in der Schwangerschaft nicht allein über Lebensmittel decken. Bereits ab der 10. bis 12. Woche bildet der Fetus selbstständig Schilddrüsenhormone, für die er Jod braucht. Eine Unterversorgung mit dem Spurenelement kann die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes beeinträchtigen und ein Neugeborenen-Struma (Kropf) verursachen. Zudem erhöht sich die Gefahr von Fehlgeburten.
ALLERGIEVORBEUGUNG
Während man noch vor nicht allzu langer Zeit Schwangeren zur Prävention von Allergien beim Kind empfohlen hat, häufige Allergieauslöser wie Kuhmilch, Eier oder Fisch aus dem Speiseplan zu streichen, gelten heute keine restriktiven Ernährungsregeln mehr. Im Gegenteil: Die werdende Mutter sollte sich möglichst abwechslungsreich ernähren. Außerdem sollte sie zwei Mal die Woche Fisch essen, da es Hinweise gibt, dass regelmäßiger Fischkonsum einen protektiven Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen hat.
Um den erhöhten Jodbedarf der Schwangeren von 230 Mikrogramm pro Tag zu sicherzustellen, empfehlen Experten neben dem regelmäßigen Verzehr jodreicher Lebensmittel wie Meeresfisch, Milch und Milchprodukte sowie der Verwendung von jodiertem Speisesalz eine tägliche Supplementierung von 100 bis 150 Mikrogramm Jod. Die Einnahme sollte möglichst schon vor der Schwangerschaft begonnen und bis zum Ende der Stillzeit beibehalten werden.
Achtung Kombinationspräparate Oftmals werden Kombinationspräparate mit 200 Mikrogramm Jod und 400 Mikrogramm Folsäure verwendet. Kommen diese Präparate zum Einsatz, sollte die Schwangere kein weiteres Jod einnehmen. Liegt bei ihr eine Schilddrüsenüberfunktion (z. B. im Rahmen eines Morbus Basedow) oder eine Hashimoto Thyreoiditis vor, sollte sie nach Rücksprache mit ihrem Gynäkologen auf eine Supplementierung ganz verzichten und auf Präparate ohne Jod zurückgreifen, die inzwischen von mehreren Herstellern angeboten werden.
Eisen für Zwei In der Schwangerschaft kann es auch zu einem Eisenmangel kommen, denn der Bedarf steigt bis auf das Doppelte an. Das Spurenelement wird für das erhöhte Blutvolumen der Mutter, die Bildung der Plazenta und vom Fetus benötigt, besonders viel ist in den letzten drei bis sechs Monaten notwendig. Zu wenig Eisen behindert das Wachstum des Kindes und erhöht das Risiko für Frühgeburten. Die DGE empfiehlt Schwangeren, täglich 30 Milligramm Eisen über den Verzehr eisenreicher Lebensmittel wie Fleisch, Wurstwaren oder Vollkorn zuzuführen. Um die Eisenaufnahme im Körper zu fördern, kann der Schwangeren der Tipp gegeben werden, zum Essen einen Vitamin-C-haltigen Fruchtsaft zu trinken.
Nicht prophylaktisch Fällt der Hämoglobinwert unter elf Gramm pro Deziliter Blut, wird von einer Eisenmangelanämie ausgegangen und eine orale Einnahme gut resorbierbarer Eisen-II-Präparate angeraten. Allerdings sollten sie nicht unkontrolliert im Rahmen der Selbstmedikation eingenommen werden. Eine Supplementierung sollte erst nach einer Laborkontrolle (u. a. des Ferritinwertes) und gesicherter Diagnose durch den Arzt erfolgen. Zu viel Eisen kann sich schädlich auf die Gesundheit auswirken, da es die Bildung freier Radikale fördert.
Kalzium und Vitamin D Bei Frauen, die wenig Milchprodukte verzehren, ist die Kalziumversorgung problematisch. Eine ausreichende Zufuhr senkt nicht nur das Osteoporoserisiko der Mutter und ist für das Skelett des Ungeborenen nötig. Eine gute Versorgung reduziert auch das Risiko für eine Präeklampsie. Die DGE empfiehlt Schwangeren eine tägliche Aufnahme von 1000 Milligramm. Neben kalziumreichen Lebensmitteln eignen sich auch entsprechende Mineralwässer. Reicht dies nicht aus, können Supplemente die Schwangere mit dem Mineralstoff versorgen.
»Die meisten werdenden Mütter sind mit Vitamin D unterversorgt.«
Ebenso kann eine Vitamin-D-Supplementierung sinnvoll sein. Wie Studien zeigen, sind die meisten Schwangeren nicht ausreichend mit dem fettlöslichen Vitamin versorgt. Dies führt nicht nur zu einer unzureichenden Kalziumaufnahme. Eine gute Versorgung kann das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen senken und die kindliche Gesundheit fördern.
DHA nicht vergessen Experten empfehlen auch eine tägliche Aufnahme von mindestens 200 Milligramm der Omega-3-Fettsäure Decosahexaensäure (DHA) während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit. Die essenzielle Fettsäure ist für die fetale Hirnentwicklung, die spätere Sehfunktion sowie motorische und kognitive Funktionen wichtig. Eine Supplementierung wird Schwangeren angeraten, die nicht regelmäßig zwei Portionen fetten Seefisch in der Woche verzehren.
Schutz vor Infektionendurch Lebensmittel Einige Nahrungsmittel sollten Schwangere prinzipiell meiden. Dazu zählen rohes oder nicht durchgebratenes Fleisch, Rohwurst, roher Fisch, kalt geräucherte Fischwaren, Rohmilch, Weichkäse, rohe Eier sowie daraus hergestellte, nicht ausreichend erhitzte Speisen. Zudem sollten Schwangere nur selbst frisch zubereitete und keine vorgefertigten Salate essen. Dabei sind Obst, Gemüse und Salate gründlich zu waschen und sollten bald verzehrt werden. Hintergrund für die Vorsichtsmaßnahmen sind Verunreinigungen mit Listerien, Toxoplasmodien oder Salmonellen, die sich in diesen Nahrungsmitteln tummeln können. Erst bei Temperaturen über 70 °C werden diese Erreger abgetötet.
Vorsicht mit Genussmitteln Fachgesellschaften empfehlen den völligen Verzicht auf Alkohol, um das Risiko von Fehlbildungen oder Entwicklungsstörungen des Kindes möglichst gering zu halten. Dagegen gilt der moderate Konsum von 300 Milligramm Koffein (circa drei Tassen Kaffee) am Tag als unproblematisch. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von mindestens 1,5 Litern täglich wird idealerweise mit ungesüßten Tees, Mineralwasser oder verdünnten Fruchtsäften erreicht.
Arzneimittel in der Schwangerschaft Physiologische Veränderungen von Körperfunktionen führen zu typischen Beschwerden. Nicht immer reichen Hausmittel und eine veränderte Lebensweise zur Linderung aus. Oft wünscht die Schwangere auch, akute oder chronische Erkrankungen mit Arzneimitteln zu behandeln. Eine praktische Beratungshilfe bietet das seit Oktober 2008 im Internet abrufbare Informationsportal des öffentlich geförderten Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie in Berlin.
Unter www.embryotox.de können Laien und Fachkreise eine Online-Datenbank zur Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit aufrufen. Auf dieser Seite veröffentlicht das Institut unabhängige, aktuelle wissenschaftliche Daten zur Verträglichkeit der wichtigsten Medikamente und zur Behandlung häufig vorkommender Krankheiten. Die Embryonaltoxikologie bietet außerdem ein Beratungstelefon an: 0 30/30 30-8111.
Achtung Kaffee: Koffein gelangt ungehindert über die Plazenta zum Kind. Mehr als acht Tassen Kaffee täglich können zu Fehl- und Frühgeburten führen.
Auch wenn Experten bestimmte Arzneimittel für eine Behandlung in der Schwangerschaft als einsetzbar beurteilen, sollte bei der Dosisfindung immer der Grundsatz „nur so viel wie nötig und so gering wie möglich” befolgt werden. Dabei sollte nur mit Einzelmitteln über eine relativ kurze Anwendungsdauer therapiert werden. Zudem ist besonders im ersten Schwangerschaftsdrittel die Notwendigkeit jeglicher Einnahme von Arzneien zu hinterfragen.
Impfungen in der Schwangerschaft Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt, nur dringend notwendige Impfungen durchzuführen. Idealerweise sollten daher Frauen mit Kinderwunsch Lücken schon vor Beginn einer Schwangerschaft rechtzeitig schließen lassen. Impfungen schützen nicht nur die Schwangere. Auch profitiert das Kind von der mütterlichen Immunität, da eine Reihe von Antikörpern durch die Plazenta auf das Ungeborene übergehen. Diese schützen das Kind vor einer Infektion bis im ausreichenden Maße die kindliche Produktion von Abwehrstoffen beginnt.
So sind Neugeborene gegen Erkrankungen wie beispielsweise Masern, Röteln, Mumps, Windpocken (Varizellen) oder Tetanus zu Beginn ihres Lebens gefeit (Nestschutz). Aber nicht alle Antikörper (z. B. Keuchhusten) werden auf das Kind übertragen. Vor diesem Hintergrund ist die ausdrückliche Empfehlung der STIKO zu verstehen, für Frauen mit Kinderwunsch bei Bedarf eine Impfung gegen Keuchhusten vor der Schwangerschaft anzuraten, damit die Mutter ihren ungeschützten Säugling nicht anstecken kann.
Eine gute Immunisierung hilft in vielen Fällen zudem, Schäden beim Kind im Mutterleib vorzubeugen. Viele Erreger werden zur Gefahr für das Ungeborene, da sie von der werdenden Mutter auf den Embryo/Fetus übergehen. Besonders lebensbedrohlich sind beispielsweise Infektionen mit Röteln- und Varizellenviren mit der Folge einer Rötelnembryopathie beziehungsweise einem fetalen Varizellensyndrom. Daher sollen auch Impfungen gegen Röteln und Varizellen vor einer Schwangerschaft erfolgen. Sie werden von der STIKO für nicht immune Frauen mit Kinderwunsch ausdrücklich empfohlen.
Keine Lebend-, aber Totimpfstoffe möglich Während der Schwangerschaft kann nicht mehr gegen Röteln oder Varizellen geimpft werden. Da bei den Impfstoffen gegen diese Erkrankungen abgeschwächte, aber vermehrungsfähige Erreger enthalten sind, besteht bei diesen Lebendimpfstoffen das Risiko, dass Impfkeime das ungeborene Kind schwer schädigen oder sogar absterben lassen. Zudem wird der Immunisierung mit Lebendimpfstoffen geraten, eine Schwangerschaft für drei Monate auszuschließen, um eine potenzielle Übertragung der Impfkeime auf das ungeborene Kind gänzlich zu vermeiden.
Andere Lebendimpfstoffe, die ebenfalls nicht während einer Schwangerschaft gegeben werden können, sind beispielsweise die gegen Masern oder Mumps. Aktive Immunisierungen mit abgetöteten Erregern (Totimpfstoffe) können aber in der Regel in der Schwangerschaft durchgeführt werden (Ausnahme: Cholera). Ausdrücklich empfohlen wird seit einiger Zeit für Schwangere die Grippeimpfung.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/12 ab Seite 14.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin