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Bedarfsgruppen

DARF ES ETWAS MEHR SEIN?

Theoretisch lässt sich der Bedarf nahezu aller Mikronährstoffe mit einer abwechslungsreichen Kost decken. In der Praxis sieht das aber häufig anders aus. Es gibt Risikogruppen, die von Supplementen profitieren.

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Wie repräsentative Studien zeigen, gelingt es den meisten Menschen in Deutschland, sich ausreichend mit den notwendigen Mikronährstoffen alimentär zu versorgen. Bei der Mehrzahl der Nährstoffe werden die Referenzwerte für die Zufuhr im Mittel erreicht oder sogar überschritten. Dennoch existieren für bestimmte Lebenssituationen Empfehlungen zur Supplementierung ausgewählter Mikronährstoffe. Ihre erforderliche Dosis muss meist individuell ermittelt werden. Nur in einigen Fällen geben die Fachgesellschaften allgemeingültige Empfehlungen, auf die bei der Beratung in der Apotheke zurückgegriffen werden kann.

Kritische Vitamine Wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) berichtet, ist lediglich die Versorgung einiger Vitamine in bestimmten Altersgruppen kritisch. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Kindern und Jugendlichen sowie auf Pflegeheimbewohnern über 65 Jahre. Hingegen bestehen bei Folsäure und Vitamin D bei einem Großteil der Bevölkerung in allen Altersstufen Versorgungslücken. Man erklärt sich die Unterschreitung der Referenzwerte vor allem durch eine ungünstige Lebensmittelauswahl. Insbesondere Kleinkinder, Kinder und Jugendliche nehmen zu wenig pflanzliche Nahrung und zu viel fettreiche tierische Kost zu sich.

Bei Älteren sind vor allem altersbedingte Faktoren ausschlaggebend: Neben veränderten Ernährungsgewohnheiten und einer Mangelernährung spielen physiologische Veränderungen, die Einnahme von Arzneimitteln und Erkrankungen eine Rolle. Bei Vitamin D und Folsäure liegt eine besondere Situation vor. Diese Mikronährstoffe sind für alle Personen nur sehr schwer alimentär in ausreichender Menge zuführen. Vitamin D nimmt dabei noch eine Sonderstellung ein, da es nicht nur über die Ernährung aufgenommen, sondern zum größten Teil durch UV-Bestrahlung in der Haut gebildet wird.

Risikogruppen erkennen Die Versorgung mit Mikronährstoffen ist nicht nur in bestimmten Altersgruppen kritisch, sondern auch in speziellen Lebens- situationen gefährdet. Dieser Zustand ist zwar nicht mit einem Vitaminmangel gleichzusetzen und führt daher nicht zwangsläufig zu erkennbaren Mangelerscheinungen. Dennoch kann eine Supplementierung bei bestimmten Risikogruppen sinnvoll sein, damit sich keine Erkrankungen manifestieren. Dazu zählen beispielsweise besondere Lebensabschnitte, wie Schwangerschaft, Stillzeit, Wachstumsphasen, höheres Lebensalter, einseitige Ernährungsformen, zum Beispiel vegane Ernährung, langfristige und unausgewogene Reduktionsdiäten, Unverträglichkeiten, wie Fructose- oder Laktoseintoleranz, chronischer, hoher Alkohol- und Tabakkonsum, bestimmte Krankheiten, beispielsweise Diabetes mellitus.

Jodversorgung

Deutschland ist ein Jodmangelgebiet, da die Böden zu wenig Jod enthalten und das Spurenelement somit in der tierischen und menschlichen Nahrung fehlt. Dennoch ist die deutsche Bevölkerung im Allgemeinen durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz ausreichend mit Jod versorgt. Nur einzelne Risikogruppen müssen Jod gegebenenfalls supplementieren.

Schwangerschaft und Stillzeit Eine ausreichende Versorgung der Schwangeren mit Mikronährstoffen ist eine wichtige Voraussetzung für eine komplikationslose Schwangerschaft und eine gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes. Kritisch ist grundsätzlich die Lage bei Folsäure und Jod. Da ihre Zufuhr über die Nahrung nicht zufriedenstellend zu realisieren ist, empfiehlt die DGE beide Mikronährstoffe grundsätzlich zu supplementieren. Dabei ist zu beachten, dass mit der Einnahme der empfohlenen Menge von 400 Mikrogramm (µg) Folsäure bereits spätestens vier Wochen vor Beginn der Schwangerschaft begonnen werden muss, um präventiv wirksame Erythrozytenfolatspiegel zu erreichen.

Zudem ist die Folsäure-​Gabe während des ersten Drittels der Schwangerschaft fortzuführen. 800 µg sind nötig, wenn die Supplementation erst kurz vor oder sogar nach der Konzeption beginnt. In der Praxis hat sich überdies die Gabe von 400 µg Folsäure noch bis zum Ende der Stillzeit durchgesetzt. Die generelle Empfehlung für Jod beträgt 100 (bis 150) µg, wobei die Einnahme möglichst schon vor der Schwangerschaft begonnen und bis zum Ende der Stillzeit beibehalten werden sollte. Zudem benötigen viele Schwangere und Stillende Eisen.

Supplemente sollten aber erst bei einem ärztlich nachgewiesenen Mangel zum Einsatz kommen. Erfahrungsgemäß ist die Frau in der Schwangerschaft auch nicht immer ausreichend mit Decosahexaensäure (DHA) alimentär versorgt. Daher empfiehlt die DGE eine tägliche Supplementierung mit DHA während des gesamten Zeitraums, um die empfohlene Zufuhrmenge von durchschnittlich 200 mg DHA/Tag zu erreichen. Auch die Gabe von Vitamin D kann sinnvoll sein. Ziel ist, eine 25-Hydroxyvitamin-D-Serumkonzentration von mindestens 50 nmol/l sicherzustellen, wofür bei fehlender endogener Synthese 20 µg (800 IE) Vitamin D pro Tag benötigt werden.

Höheres Lebensalter und chronische Krankheiten Veränderte Ernährungsgewohnheiten und Mangelernährung führen häufig zu einer zu geringen Aufnahme an Mikronährstoffen, wobei vor allem Vitamin D, Folsäure und Calcium betroffen sind. Darüber hinaus gehen altersassoziierte Veränderungen wie schwindender Appetit, Schluck- und Kaustörungen, nachlassende Aktivität des Intrinsic Faktors oder eine unzureichende endogene Vitamin D-Synthese insbesondere mit Vitamin-B12- und D-Defiziten einher. Eingenommene Arzneimittel können den Mineralstoffhaushalt durch Neben- und Wechselwirkungen sowie Veränderung der Stoffwechselvorgänge beeinträchtigen.

So lösen Protonenpumpenhemmer (PPI) bei Langzeiteinnahme einen Magnesiummangel aus und gehen häufig mit einem Vitamin-B12-Mangel einher, da sie die säureabhängige Vitamin-​B12-Aufnahme aus Lebensmitteln im Magen behindern. Auch Metformin setzt die Absorption von Vitamin B12 im Darm herab. Diabetiker haben zudem stoffwechselbedingt einen erhöhten Bedarf an Vitamin B12, Vitamin B1, Folsäure, Vitamin C, Magnesium und Zink. Mehr zu Empfehlungen bei Dauermedikation erfahren Sie im Beitrag ab Seite 88.

Vegane Ernährung Auch Personen, die sich ausschließlich pflanzenbasiert ernähren, zählen zu den Risikogruppen. Bei einer streng veganen Ernährung sind vor allem Vitamin B12 und D, Eisen, Jod, Zink und Calcium sowie die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA kritisch. Während sich die meisten der genannten Mikronährstoffe mit einem gut durchdachten Speiseplan ausreichend zuführen lassen, ist dies bei Vitamin B12 nicht möglich. Da Vitamin B12 ausschließlich in tierischen Lebensmitteln enthalten ist, müssen Veganer dieses B-Vitamin immer supplementieren. Bei den anderen erwähnten Mikronährstoffen kann es individuell zu Versorgungslücken kommen, die dann gezielt ausgeglichen werden müssen.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine und Mineralstoffe der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 62.

Gode Chlond, Apothekerin

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