Tatort Apotheke

CITALOPRAM – DIE PTA ERMITTELT

Wenn zwei Arzneistoffe auf dasselbe pharmakologische System wirken, kann es bei gleichzeitiger Einnahme zur Abschwächung oder Verstärkung der Wirkung kommen – manchmal mit dramatischen Folgen.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Frau Koch ist eine alte Stammkundin. Sie litt früher an Antriebslosigkeit und Panikattacken. Seit sie von ihrem Arzt Citalopram verschrieben bekommt, geht es ihr richtig gut und sie kann ihren Alltag wieder bewältigen. Heute fühlt sie sich aber gar nicht wohl, das sieht man ihr schon an, als sie die Apotheke betritt. Sie schaut sehr angespannt, auf ihrer Stirn steht eine steile Falte.

Kein Wunder, denn sie hat einen Migräneanfall. Das kommt bei ihr nur selten vor und meist bekommt sie die Schmerzen mit Analgetika in den Griff. Heute fragt sie jedoch gleich nach dem Wirkstoff Naratriptan. Dies hat ihr eine Freundin empfohlen, die damit gute Erfahrungen gemacht hat. Die PTA, die Frau Koch schon lange kennt und von ihren Depressionen und der Therapie weiß, überlegt einen Moment. Hatte sie nicht kürzlich etwas über das Serotonin-Syndrom gelesen?

Pharmakologischer Hintergrund Serotonin bindet an die verschiedenen Subtypen der 5-HT-Rezeptoren und löst so zentrale und periphere Effekte aus, die unter anderem die Stimmung, das Verhalten, den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Thermoregulation, die Schmerzwahrnehmung und den Appetit beeinflussen. Abgebaut wird Serotonin vom Enzym Monoaminoxidase (MAO). Das Antidepressivum Citalopram ist ein selektiver Serotonin-Reuptake- Inhibitor (SSRI). Es hemmt die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Serotonin in das präsynaptische Neuron und erhöht damit dessen Konzentration im synaptischen Spalt. Die Serotoninwirkung wird also verstärkt.

Citalopram wirkt dadurch antriebssteigernd und stimmungsaufhellend. Es ist das am häufigsten verordnete Psychopharmakon in Deutschland. Werden gleichzeitig Arzneistoffe genommen, die die Synthese oder die Freisetzung von Serotonin fördern, selbst als Serotonin-Agonisten wirken oder die Wiederaufnahme in das Neuron bzw. den Abbau hemmen, verstärken sie die Serotoninwirkung weiter, unter Umständen so, dass es zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen kann. Man spricht vom Serotonin-Syndrom.

Daher ist beispielsweise die Kombinationstherapie von SSRI mit Antidepressiva aus der Gruppe der MAO-Hemmer kontraindiziert. Sie hemmen den Abbau des Serotonins. Aber auch Triptane, wie das nicht verschreibungspflichtige Naratriptan, können die Serotonin-Wirkung verstärken, denn sie wirken als Agonisten am Serotonin-Rezeptor. Je nach Verlauf äußert sich das Serotonin-Syndrom sehr unterschiedlich. Zu den möglichen Symptomen gehören Verhaltens- oder Bewusstseinsveränderungen, wie Unruhe und Verwirrtheit, aber auch motorische Störungen, wie ein gesteigerter Muskeltonus und Tremor sowie vegetativautonome Symptome. Letztere äußern sich durch Übelkeit und Durchfall, Schweißausbrüche, Blutdruckschwankungen und Tachykardie. In schweren Fällen kommt es zu einer starken Erhöhung der Körpertemperatur, Krämpfen, Delirium und Koma. Auch Todesfälle sind möglich.

Zurück zum Fall Die PTA bespricht sich kurz mit dem Apotheker, der auf die Frage, ob man der Kundin das gewünschte Migränemittel geben kann, sofort den Kopf schüttelt. Also erklärt die PTA Frau Koch, dass Naratriptan zwar ein gutes Migränemittel sei, da hätte die Freundin schon Recht. Es darf aber nicht zusammen mit dem Antidepressivum Citalopram eingenommen werden. Sie solle also besser bei ihrem vertrauten Analgetikum bleiben. Frau Koch ist froh, dass sie sich nicht einfach auf den Rat der Freundin verlassen, sondern noch einmal nachgefragt hat.

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/11 auf Seite 42.

SB

×