Professor Doktor Friedrich Longin hält ein Tablet in der Hand und beobachtet einen Bäcker, der Brotteig in der Hand hält.
Die Universität Hohenheim untersuchte gemeinsam mit einem erfahrenen Bäcker, ob die Dauer der Teigführung den Anteil von FODMAP-Kohlenhydraten im Brot beeinflusst. © Sacha Dauphin / Universität Hohenheim

FODMAP | Reizdarm

BROT BRAUCHT ZEIT

Es wurde gebacken im Dienste der Wissenschaft: Auch Teiggehzeiten von zwei Stunden scheinen bereits auszureichen, um den Anteil sogenannter FODMAP im Teig um bis zu 70 Prozent zu reduzieren. Das zeigte ein Feldversuch der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit einem gelernten Bäcker.

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Heiner Beck war bei diesem Versuch in seinem Element: Zusammen mit dem Müller Hermann Gütler bewies er, dass handgebackenes Brot irgendwie immer noch das Beste ist. 21 verschiedene Weizensorten probierten sie aus, um den FODMAPs (fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols, also fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole) – spezielle Kohlenhydrate, die bei Reizdarm-Patienten Schmerzen verursachen können – auf die Spur zu kommen. Die Angst vor Blähungen und Krämpfen verleitet Reizdarm-Patienten oft dazu, überhaupt keinen Weizen mehr zu essen. Doch Brot ist lecker und es gehört in Deutschland zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln, deshalb versuchten die Wissenschaftler etwas zu verifizieren, was Bäckern schon lange bekannt ist: Brot braucht Zeit.

Denn traditionellerweise wird Teig schon einmal bis zu 48 Stunden lang ruhen gelassen, bevor er als Brot in den Ofen geschoben wird, "Diese Zubereitung bringt besonders viel Geschmack, Aroma und Saftigkeit ins Brot und sorgt für eine längere Frische“, bestätigt Heiner Beck. Solche langen Ruhezeiten werden aber nicht in jeder Bäckerstube und bei jedem Projekt realisiert. Menschen mit Reizdarm-Syndrom greifen gern auf diese alte Backtechnik zurück, da sich aufgrund der sehr langen Gärungszeit fast keine FODMAP-Elemente mehr in den Broten befinden.

Das stimmt zwar nicht pauschal, aber eben irgendwie doch, meint Professor Dr. Friedrich Longin von der Uni Hohenheim. Gemeinsam mit dem Ernährungsmediziner Professor Dr. Stephan Bischoff untersuchte er viele Herstellungsprozesse und Weizensorten in einer aktuellen Studie. Dabei haben sie Backprodukte aus 21 Weizensorten aus einer langen Teigführung von 25 mit einer wesentlich kürzeren Herstellungsart von zwei Stunden verglichen.

Das Ergebnis: Bereits nach zwei Stunden waren die Anteile der schmerzverursachenden Stoffe im Brot um bis zu 75 Prozent reduziert. Demgegenüber waren die Werte nach 25 Stunden nur unwesentlich geringer. „Das liegt daran, dass bei einer verlängerten Teigführung die Aktivität der Hefe durch eine reduzierte Hefemenge und eine Kühlung des Teiges reduziert werden muss“, erklärt Longin. „Ansonsten wird das für das Backen wichtige Gluten zu sehr geschädigt.“ Bäckermeister Beck ergänzt: „Dies wurde in den bisherigen wissenschaftlichen Studien zu FODMAP bei Backwaren nicht beachtet. Mir war wichtig, dass mit praxisrelevanten Rezepten gearbeitet wurde.“

Im Schnitt 0,22 Gramm je 100 Gramm FODMAP wurden gemessen, was einer Menge von drei Brotscheiben entspricht. Im Vergleich dazu enthält ein Pfirsich 4 Gramm FODMAPS. „Es ist somit fraglich, ob eine FODMAP-Konzentration in Broten medizinisch eine Auswirkung auf Patienten hat – und wenn doch, wie viele Patienten tatsächlich davon betroffen sind“, erläutert Bischoff, der gemeinsam mit seinem Kollegen die pauschal vereinfachende Haltung im Hinblick auf Backwaren zu den speziellen Kohlenhydraten für einseitig hält – beide finden das überbewertet. Jedoch: Die lange Teigführung halten sie, besonders was den Effekt auf Aroma und Verfügbarkeit von Mineralstoffen betrifft, für sehr hochwertig. „Neben der Herstellungsweise des Brotes wirkt sich auch die Wahl der passenden Weizensorte sehr auf die Brotqualität aus“, betont der Müller Hermann Gütler.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Universität Hohenheim

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