Giftpflanzen
BITTERSÜSSER NACHTSCHATTEN
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Solanum dulcamara L. ist eine verholzende Kletterpflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse . Als kletternder oder niederliegender Halbstrauch kann sich die Pflanze über mehrere Meter ausbreiten. Während die Stängel am Grund verholzen, wächst der obere Teil krautig.
Die Pflanze ist in Asien, Nordafrika und Europa heimisch und wächst bevorzugt an feuchten bis nassen Orten. Sie ist daher besonders oft an Ufern, in Mooren und Wäldern in Höhen bis zu 1400 Metern anzutreffen. Man findet sie aber auch an mäßig trockenen Stellen wie nährstoff- und stickstoffreichen Lehm- und Tonböden.
Bittersüße Früchte Die fingerdicken Sprosse des Bittersüßen Nachtschattens sind meistens behaart, wobei die Dichte der Behaarung stark schwanken kann. Die Blätter stehen gestielt und sind vielgestaltig. Sie können sogar an einem Stamm in unterschiedlichsten Formen und Größen auftreten. Die Blattspreite kann ungeteilt, spießförmig oder gefiedert sein. Der Umriss der Blätter variiert von elliptisch bis ei- oder herzförmig.
Zwischen Juni und August erscheinen violette Blüten in rispenartigen, langgestielten mehr oder weniger überhängenden Wickeln. Die Blüten haben einen Durchmesser von einem Zentimeter und eine fünfteilige Krone, deren Zipfel zurückgeschlagen sind. Auffällig sind ihre vorstehenden gelben Staubblätter. Die Staubbeutel sind miteinander zu einer kegelförmigen Röhre verwachsen und umgeben den Griffel des Fruchtblattes.
Als Früchte reifen ab August eiförmige, vielsamige Beeren, die unreif grün sind und im reifen Zustand scharlachrot glänzen. Die Beeren haben zu Anfang einen bitteren Geschmack, der sich im weiteren Verlauf beim Kauen in süßlich verändert, was sowohl im deutschen Namen Bittersüßer Nachtschatten als auch im Artnamen Dulcamara (lat. dulcis = süß und lat. amarus = bitter) zum Ausdruck kommt.
Magische Pflanze Das Nachtschattengewächs gehörte früher zu den Zauberpflanzen, die in mittelalterlichen Flugsalben enthalten waren. Diese wurden auf die Haut aufgebracht und versetzten den Verwender in einen Rauschzustand, der ihn „fliegen“ lassen sollte. Weitere Bestandteile dieser als Hexensalben bekannten Zubereitungen waren oft Stechapfel (Datura stramonium), Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), Alraune (Mandragora officinalis) und Tollkirsche (Atropa belladonna).
ANWENDUNG
Noch heute kommen standardisierte Extrakte aus den Stängeln von Solanum dulcamara (Solani dulcamarae stipites = Bittersüßstängel) aufgrund ihrer inzwischen nachgewiesenen entzündungshemmenden, Juckreiz mindernden und immunsuppressiven Wirkung äußerlich bei Hauterkrankungen zum Einsatz. Von der Kommission E liegt eine positive Bewertung für die unterstützende Behandlung bei chronischen Ekzemen vor. Von der innerlichen Anwendung der Bittersüßstängel wird wegen ihres Gehaltes an giftigen Steroidalkaloiden allerdings abgeraten.
Im Mittelalter wurden die Beeren zudem als Amulett oder Talismann getragen, um üble Nachrede fern zu halten. Dem Vieh wurde zum Schutz vor Krankheiten ein Kranz aus Bittersüßem Nachtschatten um den Hals gelegt und man glaubte, dass ein Zweig der Pflanze in der Wiege den Nachwuchs vor böser Zauberei bewahren könne.
Altes Heilmittel Außerdem diente der Bittersüße Nachtschatten als Narkotikum, mit dem nächtliche Alpträume, die im althochdeutschen „Nachtschaden“ hießen, vertrieben werden sollten, worauf die deutsche Bezeichnung Nachtschatten verweist. Auch der Gattungsname Solanum, der sich von lat. solamen = Trost ableitet, betont die einschläfernde, beruhigende Wirkung.
Eine andere Deutung bezieht sich auf den lateinischen Ursprung solari = lindern und greift damit die frühere medizinische Verwendung des Nachtschattengewächses als Analgetikum auf. In mittelalterlichen Kräuterbüchern wurde die Pflanze als harntreibendes und abführendes Mittel erwähnt. Einsatzgebiete in der Volksheilkunde waren chronische Bronchitis, Rheuma und Hautleiden.
Vorsicht giftig Die gesamte Pflanze enthält toxische Steroidalkaloide wie alpha- und beta-Solamarin, weshalb Solanum dulcamara zu den Giftpflanzen gerechnet wird. Der höchste Giftgehalt befindet sich im Kraut (bis zu drei Prozent). Die Wurzel (bis zu 1,4 Prozent) und die unreifen Früchten (bis zu 0,6 Prozent) sind weniger giftig. Die reifen Beeren sind fast alkaloidfrei, da die Steroidalkaloide beim Heranreifen der Früchte abgebaut werden.
Dennoch verursacht ihr Verzehr Übelkeit und Erbrechen und größere Mengen können Vergiftungserscheinungen wie starkes Kratzen im Hals, Erbrechen, Koliken und starke Durchfälle auslösen. Später kommt es zu Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen und Sehstörungen bis hin zu Halluzinationen. Der Tod tritt durch Kreislaufkollaps oder Atemlähmung ein.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/15 auf Seite 22.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin