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Medizinproduktekunde

BITTE NICHT VERKLEBEN

Konventionelle Wundauflagen sollen die Wunde nach außen schützen und Blut- und Wundsekret aufsaugen. Beim Entfernen sollen sie aber das frische Gewebe möglichst nicht verletzen. Wie geht das?

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Gemeint sind Verbandmull, Mullkompressen, Vliesstoffkompressen, kombinierte Saugkompressen, aber auch Wundschnellverbände. Ihnen ist im Unterschied zur modernen, feuchten Wundversorgung gemeinsam, dass sie die Wunde trocken versorgen. Es bildet sich ein Schorf, unter dem die Wunde langsam abheilt. Auch wenn die feuchte Wundversorgung viele Vorteile bietet, werden trockene Wundverbände noch häufig eingesetzt. Es besteht dabei immer die Gefahr, dass aufgesaugtes Blut und Wundsekret antrocknet und so Wundauflage und Wundoberfläche miteinander verkleben. Beim Verbandwechsel wird dann der Schorf mit dem neu gebildeten Gewebe abgerissen. Das ist nicht nur schmerzhaft, es verzögert die Wundheilung und sorgt unter Umständen auch für eine unansehnliche Narbe.

Saugfähigkeit ist nicht alles Wenn es nur nach der Saugfähigkeit ginge, könnte man auch Watte auf die Wunde legen. Baumwollwatte, die wirklich sehr gut Blut und Sekret aufsaugen kann, ist als Wundauflage aber völlig ungeeignet, da die vielen einzelnen Fäden nicht wieder vollständig von der Wunde entfernt werden können. Das stört die Wundheilung und bietet Eintrittspforten für Bakterien, die die Wunde infizieren können. Die Fäden müssen also in irgendeiner Form zusammengehalten werden, damit daraus eine akzeptable Wundauflage wird. Verbandmull erfüllt diese Anforderungen. Er besteht aus verwebten Baumwollfäden und ist gerollt oder in Zickzack-Lagen erhältlich.

Es gibt ihn in verschiedenen Faden- und Lagenzahlen. Sehr gebräuchlich ist er allerdings heute nicht mehr, da er je nach Größe der Wunde erst abgeschnitten werden muss und dadurch nicht steril ist. Direkt einsatzfähige, da schon auf ein bestimmtes Format gebrachte Wundauflagen heißen Mullkompressen. Auch sie sind aus Baumwolle und werden durch die Faden- und die Lagenzahl charakterisiert. Sie werden heute maschinell meist so gelegt, dass die Schnittkanten nach innen eingeschlagen sind (ES steht für Eingeschlagene Schnittkanten). So ragen keine einzelnen losen Fäden in die Wunde, auch wenn man die Kompresse aufklappt. Mullkompressen gibt es in steriler und unsteriler Form. Die sterilen Kompressen sind jeweils zu zweit in einer Peel-Packung verpackt, die man aufreißen kann, ohne die sterilen Kompressen zu berühren. Es sind stets zwei in einer Packung, damit man eine zum Reinigen der Wunde und die andere zum Abdecken verwenden kann.

Ein Sonderformat der Mullkompressen sind Schlitzkompressen. Sie weisen einen Schlitz auf, durch den die Wundbehandlung bei Drainagen oder ähnlichem, also wenn ein Schlauch aus der Wunde ragt, erleichtert wird. In jedem Fall müssen Verbandmull oder Kompressen auf der Haut fixiert werden, meist macht man das entweder am Rand mit einem schmalen Fixierpflaster oder über die ganze Fläche mit einem vollflächigen Fixierpflaster. Auch eine Mullbinde eignet sich dafür. Werden die Kompressen nicht durch Weben, sondern durch verschiedene andere Verfahren (z. B. mittels Bindemittel oder Wärme) aus kurzen und/oder langen Fasern gefertigt, erhält man Vliesstoffkompressen. Dies ist in der Herstellung preiswerter. Vliesstoffkompressen können aus Baumwolle, aber auch aus synthetischen Materialien oder Gemischen daraus, hergestellt werden.

Keine Saugfähigkeit ist aber auch keine Lösung Kompressen aus reiner Baumwolle – unabhängig von der Art der Herstellung – saugen sehr gut Blut und Sekret auf. Das hat aber, wie gesagt, den Nachteil, dass die Wundauflage mit der Wunde verklebt. Für nicht nässende und wenig blutende Wunden können diese Kompressen problemlos verwendet werden. Ebenso wenn die Kompresse lediglich als Trägermaterial für eine Salbe oder eine Lösung verwendet wird. Würde man rein synthetische Materialien verwenden, dann könnten diese Wundauflagen nicht mit der Wunde verkleben. Allerdings hätten sie auch keine Saugwirkung und könnten Blut und Wundsekret nicht aufnehmen.

Die Kombination macht’s Abhilfe schaffen kombinierte Saugkompressen. Sie bestehen aus verschiedenen Materialien. Die Oberfläche, die direkt mit der Wunde in Berührung kommt, wird aus einem Vliesstoff aus synthetischem Material gebildet. Darüber liegt eine Schicht aus Zellstoff, Watte oder aus einem Vliesstoff aus Baumwolle. Die synthetische Oberfläche ist hydrophob, also nicht saugfähig und kann daher nicht mit der Wunde verkleben. Sie wird aber so hergestellt, dass kleine Poren enthalten sind oder es werden einzelne saugfähige Baumwollfasern mit eingearbeitet, durch die Blut und Sekret in die Saugschicht abfließen können. So bleibt die Oberfläche trocken, verklebt nicht und leitet die Flüssigkeiten an die dahinterliegenden Schichten ab. Nach diesem Prinzip werden übrigens auch Babywindeln und Inkontinenzeinlagen hergestellt, damit die Haut trocken bleibt.

Für kleinere Verletzungen, wie kleine Schnittwunden, hat jeder Wundschnellverbände in seiner Hausapotheke. Sie werden oft als Pflaster oder gar als Heftpflaster bezeichnet, das ist jedoch nicht ganz korrekt. Während ein Pflaster lediglich aus einem Trägermaterial und daraufgestrichenem Kleber besteht und ausschließlich zum Fixieren von Wundauflagen dient, enthält ein Wundschnellverband zusätzlich noch eine Wundauflage. Dies ist eine kleine Kompresse aus Vliesstoff oder aus einem Gewirke (Gewirke werden nicht gewebt, sondern durch Maschenbildung hergestellt), die auf dem Trägermaterial befestigt ist.

Bei Wundschnellverbänden gibt es ebenfalls gut saugende, aber verklebende und kombinierte Wundauflagen. Hier ist das Problem mit dem Verkleben nicht so gravierend, da es sich ja meist um sehr kleine Verletzungen handelt. Es sind auch Wundschnellverbände erhältlich, deren Wundauflage mit Silber bedampft ist. Auch hier sind Poren zur eigentlichen Saugschicht zu finden. Das Silber schützt vor dem Verkleben und schafft ein Milieu, in dem sich Keime nicht gut vermehren können. Zu beachten ist hier, dass keinesfalls Salbe zwischen Wunde und silberbeschichtete Wundauflage aufgetragen werden darf. Das Silber kann sonst seine antimikrobielle Wirkung nicht entfalten.

Fettige Alternative Eine weitere Möglichkeit, das Verkleben der Wundauflage mit der Wunde zu verhindern, ist die Verwendung einer Salbenkompresse. Dabei handelt es sich um ein grobes Gitter, dessen Fäden mit Vaseline oder einer wirkstoffhaltigen, hydrophoben Salbe imprägniert sind. Dadurch hat die Salbenkompresse selbst keinerlei Saugwirkung. Sie muss immer mit einer saugenden Wundauflage, die einfach daraufgelegt und fixiert wird, kombiniert werden. Durch die Fensterchen im Gitter können Blut und Wundsekret in die saugende Schicht – das kann beispielsweise eine Mullkompresse sein – abgeleitet werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER SCHULE 2019 auf Seite 32.

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