Immunreaktion | Gehirn
„BIS HIN ZU SCHWEREN SCHLAGANFÄLLEN“
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Aus Sicht des Coronavirus ist 2020 ein gutes Jahr. Es hat nicht nur den Sprung vom Tier zum Menschen geschafft, sondern bereiste von dort aus auch alle Länder dieser Welt, verbreitet sich dabei auf besonders schnelle Weise, nämlich exponentiell. Während im Bewusstsein der Bevölkerung besonders verankert ist, dass das Virus vor allem die Lunge befällt, ging ein Forscherteam um Professor Dr. Markus Glatzel der Frage nach: Was macht Corona eigentlich mit dem Gehirn? Und wie kommt es überhaupt dorthin?
Glatzel ist der Direktor des Instituts für Neuropathologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Gemeinsam mit anderen Forschenden* wurden für die Studie 43 mit SARS-CoV-2 infizierte Verstorbene untersucht. Diese waren im Mittel 76 Jahre alt.
Bei rund der Hälfte der Patienten haben die Wissenschaftler den SARS-CoV-2-Erreger im Gehirn entdeckt, sowohl im Hirnstamm als auch in den Nerven, die aus dem Hirnstamm entspringen. Die Virusmengen waren jedoch sehr gering und die Gehirne von Patienten mit den höchsten Virusmengen zeigten nicht mehr Veränderungen als solche, in denen kein Virus gefunden werden konnte. Der Schlüssel zum Verständnis lag allerdings in der Immunreaktion der verstorbenen Patienten: Diese ließ sich in ihren Gehirnen nachweisen. Man schließt daraus, dass Entzündungszellen im Gehirn an der Entstehung der neurologischen Symptome beteiligt sein könnten.
Die Komplikationen reichen von diffusen Beschwerden milder Ausprägung bis hin zu schweren Schlaganfällen.
Glatzel erklärt dazu: „Neben Komplikationen in Lunge, Herz und Nieren kann es bei COVID-19 auch zu neurologischen Symptomen kommen. Diese weisen ein breites Spektrum auf und reichen von diffusen Beschwerden milder Ausprägung bis hin zu schweren Schlaganfällen. Bislang war aber noch unklar, ob und wie der Erreger ins Gehirn gelangt und sich dort auch vermehren kann. Wir konnten nun zeigen, dass nicht das neuartige Coronavirus selbst das Gehirn schädigt, sondern die neurologischen Symptome vermutlich eine indirekte Folge der Virusinfektion sind.“
Besonders interessant sei gewesen, dass der Virusnachweis auf eine lokalisierte Vermehrung und Beeinträchtigung spezifischer Gehirnfunktionen hindeutet.
Der Freiburger Professor Dr. Marco Prinz ergänzt: „Üblicherweise zeigen COVID-19 Patienten vor allem im Blut eine deutlich veränderte Immunantwort. Wir konnten jetzt auch im Gehirn eine klare Entzündungsreaktion nachweisen, was in diesem Ausmaß nicht bekannt war.
Alexandra Regner,
PTA und Journalistin
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
*Beteiligt an der Studie waren außerdem Forschende aus dem Institut für Rechtsmedizin, dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene, der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKE und dem Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg.