© DIE PTA IN DER APOTHEKE
© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Repetitorium

BETÄUBUNGSMITTEL – TEIL 2

Hand aufs Herz: Wer mochte während der Ausbildung Gesetzeskunde so richtig? Paragrafen und Beamtendeutsch schrecken schnell ab – doch bei Betäubungsmitteln sollte man sich gut auskennen. Verstöße gegen das BtM-Gesetz werden streng geahndet.

Seite 1/1 8 Minuten

Seite 1/1 8 Minuten

Im vorherigen Teil dieses Repetitoriums ging es um die Substanzen, die hinter dem Begriff Betäubungsmittel stehen. Schnell wurde klar, dass neben wichtigen Arzneistoffen auch illegale Stoffe existieren. Und selbst die Abläufe um die therapeutisch genutzten Verbindungen werden streng überwacht, um Missbräuche zu vermeiden. Das dient vor allem dem Schutz des Patienten, aber auch der Menschen, die beruflich täglich mit den Substanzen zu tun haben. Um sicherzustellen, dass BtM medizinisch sinnvoll eingesetzt werden, existieren neben dem Arzneimittelgesetz das Betäubungsmittelgesetz, das Grundstoffüberwachungsrecht, die BtM-Binnenhandelsverordnung, die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung sowie die Betäubungsmittelaußenhandelsverordnung.

Kann ich damit Drogen herstellen? Es kommt nicht mehr so oft vor, doch manche Kunden kaufen weiterhin privat benötigte Chemikalien in der Apotheke. Sei es Wasserstoffperoxid zur Entfernung von Schimmel, Ethanol für den weihnachtlichen Eierlikör oder Aceton zum Reinigen von Pinseln. In manchen Fällen ist die Abgabe nicht erlaubt oder eingeschränkt. So würden Sie bestimmt nie auf Kundenwunsch ein Kilogramm Ephedrin abgeben. Aber wie ist es mit einer kleinen Menge 1-Phenyl-2-Propanon? Die Frage, die man sich immer stellen muss, ist: Was könnte der Kunde damit tun? Die Antworten darauf findet man im Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG).

Darin finden sich alle Regelungen zum Handel sowie der Ein- und Ausfuhr von Stoffen, die möglicherweise zur unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden können. Es werden drei Kategorien unterschieden: Kategorie 1 enthält Stoffe, bei denen es sich um direkte Vorläuferstufen (z. B. Safrol, Lysergsäure, Ephedrin) häufig missbräuchlich verwendeter BtM (z. B. MDMA, LSD, Metamphetamin) handelt. Jeglicher Handel und die Herstellung sind genehmigungspflichtig. Die Erlaubnis dazu erteilt die Bundesopiumstelle (BOPST), die beim BfArM sitzt. Deutsche Apotheken haben automatisch eine europaweite Sondererlaubnis, Ihr Kunde muss eine Erlaubnis des BOPST besitzen. Bei Abgabe ist eine mengenunabhängige Endverbleibserklärung (EVE) erforderlich. Hält man sich hier nicht an die Vorgaben, macht man sich strafbar – schlimmstenfalls mit fünf Jahren Haft.

In Kategorie 2 sind Reagenzien aufgelistet, die ebenfalls der Herstellung dienen können, ihr Verkehr wird jedoch mengenabhängig überwacht. Das bedeutet, erst bei der Überschreitung eines bestimmten Grenzwertes sind eine Registrierungspflicht beim BOPST und eine EVE fällig. Beispiele wären Kaliumpermanganat (100 kg; zur Herstellung von Kokain) oder Essigsäureanhydrid (100 l; zur Herstellung von Heroin). Ein Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld bestraft wird. Gängige Lösungsmittel wie Aceton, Toluol oder Diethylether sind in Kategorie 3 aufgelistet. Der Handel ist ohne EVE und Erlaubnis legal. Lediglich der Export in Drittländer wird in Abhängigkeit von der Art und Menge des Stoffes sowie des Exportlandes überwacht. Wer sich im Apothekenalltag nicht durch die Originalgesetzestexte kämpfen möchte, findet eine Abgabehilfe der ABDA für Chemikalien unter: https://www.abda.de/fileadmin/assets/Praktische_Hilfen/Arbeitsschutz/Chemikalienabgabe/Abgabevorschriften_Chemikalien_Privatperson.pdf.

Ist das ein BtM? Im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sind nicht nur die Erlaubnis, Pflichten, Überwachung, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im BtM-Verkehr geregelt, sondern auch, wann ein Stoff sich Betäubungsmittel nennen darf. Definitionsgemäß handelt es sich bei BtM nämlich um einen Stoff oder eine Zubereitung, die sich in den Anlagen I bis III des Betäubungsmittelgesetzes findet. Um als Apotheke am BtM-Verkehr teilzunehmen, bedarf es keiner Erlaubnis, aber Handel, Ausfuhr, Einführen, Herstellen, Abgabe und Erwerb müssen beim BfArM angezeigt werden. Im Gegenzug erhält jede Apotheke eine eigene BtM-Nummer, auch die jeweilige Filialapotheke.

In dem Gesetz finden sich ebenso wichtige Punkte zum Erwerb und der Abgabe der BtM mittels Belegverfahren und zur Aufbewahrung. Ein Safe, in der Wand verankert, und eine Alarmanalage schützen BtM vor dem Zugriff Unbefugter. Doch was tun mit kühlpflichtigen BtM? Das BfArM empfiehlt dazu ein abschließbares Fach in einem in der Wand verankerten oder verschraubten Kühlschrank. Laufen BtM ab oder müssen aus irgendeinem anderen Grund vernichtet werden, so muss nach §16 des BtM-Gesetzes ein Vernichtungsprotokoll angefertigt werden. Die Vernichtung muss in der Gegenwart von zwei Zeugen geschehen und eine Wiedergewinnung muss ausgeschlossen werden. Das Protokoll mit allen Unterschriften wird drei Jahre aufbewahrt. Auch wenn sich das BtM-Gesetz abstrakt liest und natürlich wieder aus lauter Paragrafen besteht, wird es in den Anlagen konkret.

Diese sind jeweils dreispaltig aufgebaut: aus Spalte 1 mit dem Internationalen Freinamen (INN) der Weltgesundheitsorganisation, Spalte 2 führt andere nicht geschützte Stoffbezeichnungen wie Kurzbezeichnung oder Trivialnamen und Spalte 3 enthält die korrekte chemische Stoffbezeichnung. In Anlage I sind alle nicht verkehrsfähigen BtM aufgelistet, also beispielsweise Mescalin, Heroin oder LSD, aber auch Organismen oder Teile davon, die zu Rauschzwecken missbräuchlich verwendet werden könnten (z. B. „Magic Mushrooms“) – also bei denen jeglicher Verkehr als illegal einzustufen ist. In Anlage II finden sich alle verkehrsfähigen, aber nicht verordnungsfähigen BtM. Dabei handelt es sich vor allem um Rohstoffe zur Fertigarzneimittelproduktion von Zubereitungen aus Anlage III (z. B. Kokablätter, Mohnstrohkonzentrat) – auch wenn sie zur Produktion als legal eingestuft werden, ist die Verschreibung, Verabreichung oder Abgabe verboten.

Für den Alltag sind daher vor allem die Zubereitungen und Stoffe relevant, die in Anlage III aufgeführt sind: verkehrsfähige und verordnungsfähige BtM – nur diese Stoffe, als Zubereitungen formuliert, dürfen Sie in der Apotheke auf einem BtM-Rezept entdecken. Ein Stoff kann sich übrigens in mehreren Kategorien befinden. So ist beispielsweise Heroin (Diamorphin) in allen drei Kategorien vertreten. Denn unter bestimmten Auflagen ist es Ärzten mit besonderen Kenntnissen erlaubt, Heroin zu Substitutionszwecken zu verschreiben. Auf einem Rezept werden sie den Stoff allerdings nicht finden, das Prozedere findet zwischen Pharmazeutischem Unternehmen und einer anerkannten Einrichtung gegen Vorlage einer Verschreibung statt. Es gibt noch eine weitere Situation, in der die Apotheke bei der Abgabe nicht beteiligt sein kann: „Zur Deckung des nicht aufschiebbaren Bedarfs“ darf ein Arzt einem ambulant versorgten Palliativpatient ein BtM in Form eines Fertigarzneimittels überlassen.

Allerdings höchstens für den Dreitagesbedarf, nur unter Abgabe einer schriftlichen Gebrauchsanweisung und nach Kontaktaufnahme dienstbereiter Apotheken im Umkreis zur Frage der Verfügbarkeit. Ruft bei Ihnen also ein Arzt an und erkundigt sich über die Möglichkeit der Beschaffung eines BtM für einen Palliativpatienten, müssen Sie die Anfrage schriftlich fixieren (Datum und Uhrzeit der Anfrage, Name des Arztes, Bezeichnung des angefragten BtM, Ihre Angabe zur Anfrage) und drei Jahre aufbewahren – der Arzt ebenso. Eine Vorlage hierzu finden Sie unter: https://www.dgpallia​tivmedizin.de/service/dgp-dokumentationshilfen.html. Auch wenn eine zentrale Wirkung ausgelöst wird, so finden sich Alkohol, Nikotin und Coffein nicht in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes. Ebenso wenig zur Berauschung missbräuchlich verwendete Pflanzen wie beispielsweise Stechapfel, Engelstrompete oder Fliegenpilz.

Vernichtung von BtM

Vernichten heißt nicht die Entsorgung ganzer Blister im Restmüll, auch wenn dieser in der Entsorgungsanlage verbrannt wird.

+ Tabletten und Kapselinhalte, sowie Lutscher sollten gemörsert und mit heißem Wasser zersetzt werden. Die Lösung mit einem saugfähigen Material aufnehmen (z. B. Zellstoff, Katzenstreu) und im Müll entsorgen. Der letzte Schritt bietet sich auch für Lösungen zur Injektion oder zur Einbringung in die Nase oder den Mund an.
+ Matrixpflaster zusammenkleben, Membranpflaster auf Papier kleben und Pflaster zerschneiden. Danach ist die Entsorgung im Hausmüll möglich.
+ Gepulverte Ausgangsstoffe für die Rezeptur entweder auch lösen und via Saugmaterial entsorgen oder in Sulfatasche-Öfen zu CO2 und Sulfat zersetzen.
+ Besondere Entsorgungshinweise (z. B. nicht in den Hausmüll) können der Packungsbeilage entnommen werden.
+ Keine Entsorgung über das Abwasser und immer Handschuhe tragen!

Ausnahmen von der Regel Jeder Stoff beziehungsweise jede Zubereitung, die sich in den Anlagen I bis III findet, ist ein BtM – nicht ganz, es gibt ausgenommene Zubereitungen. Diese sind von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften ganz oder teilweise ausgenommen. In der Anlage III sind sie aufgelistet, beziehungsweise ab wann sie als ausgenommene Zubereitungen gelten. Gängige Beispiele sind unter anderem: Diazepam, wenn es in abgeteilter Form mit maximal 10 Milligramm Einzeldosis oder als 0,1 prozentige flüssige Arzneiform (max. 250 mg Diazepam pro Packungseinheit) vorliegt, Dihydrocodein als 2,5 prozentige flüssige Arzneiform beziehungsweise abgeteilt mit maximal 100 Milligramm Dihydrocodein (berechnet als Base) oder Tilidin als feste Zubereitungen (mit bis zu 300 mg) mit verzögerter Wirkstofffreigabe und in Kombination mit Naloxonhydrochlorid. Diese Zubereitungen dürfen also auf einem normalen Kassen- oder Privatrezept verschrieben werden.

Wer darf was aufschreiben – vor allem wieviel? Keine Sorge, es wird nicht zwischen Radiologe, Internist oder Gastroenterologe unterschieden, sehr wohl gibt es aber bei der Verschreibung von BtM juristische Unterschiede zwischen einem Arzt, einem Zahnarzt und einem Tierarzt. So darf ein Arzt innerhalb von 30 Tagen pro Patient bis zu zwei Betäubungsmittel der in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) aufgelisteten Zubereitungen verordnen. Dabei gelten für ihn generell höher festgelegte Höchstmengen als beispielsweise für einen Zahnarzt. Außerdem darf er die Höchstmenge in begründeten Einzelfällen überschreiten – er muss dies auf der Verschreibung kenntlich machen – ein Zahnarzt darf das nicht.

Dieser darf übrigens pro Patient und innerhalb von 30 Tagen nur ein Betäubungsmittel der festgelegten Liste verordnen – zudem stehen ihm weniger als die Hälfte der Zubereitungen zur Verfügung, aus denen ein Arzt wählen kann. So sollten Sie stutzig werden, wenn Sie zum Beispiel Cannabisextrakt auf dem BtM-Rezept eines Zahnarztes sehen. Alle erlaubten Zubereitungen sowie die geltenden Höchstmengen finden Sie ausformuliert in den Paragrafen eins bis vier der BtMVV. Ein Tierarzt darf natürlich nur für ein Tier verschreiben, die Auswahl der einen Zubereitung innerhalb von 30 Tagen ist auch dem Bedarf eines Tieres angepasst, ebenso die Höchstmengen – sie liegen zum Teil höher, um auch Großtiere adäquat versorgen zu können.

Für alle gilt: Es dürfen nur Zubereitungen verordnet werden, keine Ausgangsstoffe wie beispielsweise 50 Milligramm Fentanylcitrat-Pulver. Für alle Berufe sind in dem Gesetz außerdem die Vorratshaltung in der Praxis, die Verordnung des Praxisbedarfs, sowie die Vorgehensweise der Verschreibung an sich (Betäubungsmittelrezept, Betäubungsmittelanforderungsschein, Sonderregelung Kauffahrtschiffe) geregelt. Ein großer Teil des Gesetzes beschäftigt sich mit den Abläufen zur Substitution. Eine Verschreibung zur Substitution darf nur ein Arzt ausführen, der die Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation erfüllt. Der opiatabhängige Patient erhält dann gleichzeitig erforderliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungsoptionen und wird wöchentlich beim Arzt vorstellig – mit dem Ziel der Abstinenz, der Wiederherstellung des Gesundheitszustandes und zur Vermeidung von Beschaffungskriminalität.

Der Arzt verpflichtet sich, ein Substitutionsregister zu führen. Aktuell sind Levomethadon, Methadon, Buprenorphin und in begründeten Ausnahmefällen auch Codein, Dihydrocodein oder Diamorphin (Heroin) zur Substitution zugelassen. Da ein Arzt die Verschreibung nur dann dem Patienten aushändigen darf, wenn er dessen Zustand als stabil erachtet oder die äußeren Zustände ausnahmsweise keine tägliche Einnahme unter Aufsicht zulassen, hat ein Kunde in der Apotheke mit gültiger Verschreibung über ein Substitutionsmittel immer eine take-home-Verschreibung in Händen. Auch der gewerbliche Waren- oder Personenschiffverkehr birgt eine Sonderregelung: Ein von der zuständigen Behörde beauftragter Arzt darf für zur Bestückung von Schiffen ohne Schiffsarzt Morphin verordnen. Ist übrigens kein Schiffsarzt an Bord, ist der Kapitän berechtigt, das BtM bei Bedarf zu verabreichen. Die Besonderheiten der Abgabe, der Dokumentation und wie ein BtM-Rezept korrekt ausgefüllt sein muss, ist Teil des nächsten Repetitoriumteils.

Doku, Doku, Doku Mit der Betäubungsmittelbinnenhandelsverordnung (BtMBinHV) wird das Verfahren des Betäubungsmittelverkehrs in Form des Abgabebelegverfahrens geregelt. Es besteht im Groben aus vier Teilen: der Abgabemeldung an das BfArM durch den Abgebenden, die Empfangsbestätigung für den Empfänger der BtM, dem Lieferschein zur Dokumentation der Lieferung durch den Empfänger und dem Lieferscheindoppel, der vom Abgebenden bis zum Erhalt der Empfangsbestätigung aufzubewahren ist. Wie dieser Ablauf genau funktioniert, welche Dokumentation bei der Abgabe erfolgen muss und was wie lange aufbewahrt wird, wird Inhalt des folgenden und letzten Repetitoriumsteils sein. Auch das Reisen mit BtM wird eine Rolle spielen, die rechtlichen Grundlagen hierzu findet man in der Betäubungsmittelaußenhandelsverordnung (BtMAHV).

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/19 ab Seite 86.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

×