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Albträume

BESUCH VOM NACHTMAHR

In der germanischen Mythologie glaubte man, Albträume würden von einem koboldähnlichen Wesen eingepflanzt, das auf der Brust des Schlafenden hocke. Heute weiß man mehr über die schrecklichen Traumbilder.

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Sie steht nachts vor ihrem Zelt in der Wüste und betrachtet die Abermillionen funkelnder Sterne, als diese plötzlich vom Himmel stürzen und im Sand zu ihren Füßen versinken. Im Sand mutieren sie zu Dämonenhunden, die ihr nach dem Leben trachten. Sie flieht, doch der Sand hindert sie am Rennen, sie stolpert - und wacht auf. Jeder hatte vermutlich schon solche Albträume. In der Kindheit kommen sie häufig vor, im Jugend- und Erwachsenenalter werden sie dann seltener.

Nicht in jedem Albtraum spielt sich eine bedrohliche Situation ab, es kann auch etwas ganz Banales sein, das von negativen Gefühlen wie Angst, Panik oder Ekel begleitet wird. Was den Albtraum von anderen Parasomnien abhebt, ist die Erinnerung an das Geträumte - wir können uns meist noch wochenlang an die beunruhigen- den Bilder erinnern.

Böses Sandmännchen Im Germanischen bezeichnet „Alb“ einen Elfen, das niederdeutsche „Mahr“ hat die gleiche Bedeutung. Der Nachtmahr galt demnach lange als der Elf, der die Albträume bringt. Auch Nachtschaden ist ein Begriff für die angsteinflößenden Schlafbilder; vermutlich hat er den Nachtschattengewächsen ihren Namen beschert, denn die alkaloidhaltigen Zubereitungen aus Solanum niger wurden im Mittelalter als Heiltränke gegen Albträume verwendet. Albträume können einen Auslöser haben, ein Trauma, das nachts immer wieder durchlebt wird. Psychische Grunderkrankungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit der furchterregenden Visionen.

Sie können auch als Nebenwirkung von Arzneimitteln (z. B. Zopiclon) auftreten. Durch emotional aufwühlende Erlebnisse oder Stress können sie ebenfalls verursacht werden: Untersuchungen des Traumforschers Ernest Hartmann haben 1984 gezeigt, dass manche Menschen ein durchlässiges Empfinden der eigenen Innenwelt in Interaktion mit der Außenwelt haben. Es sind besonders empathische Menschen, die sich intensiv in ihre Mitmenschen, aber auch Romanerzählungen oder Horrorfilme hineinfühlen. Diese dünne Grenze zwischen Fiktion und Realität kann auch zu häufigeren Albträumen führen. Frauen werden häufiger davon geplagt als Männer.

Was ist luzides Träumen?

Dem Schlafenden ist bewusst, dass er gerade nicht wach ist. So kann er die Geschehnisse seines Schlafkinos selbst steuern. Solche Klarträumer nennt man Oneironauten (Traumfahrer) und die Fähigkeit kann man erlernen.

Ein Albtraum für die Gesundheit Gefährlich sind Angstträume dann, wenn sie oft auftreten. Die schrecklichen Bilder sind psychisch aufreibend und durch das Aufschrecken fehlt den Betroffenen Schlaf. Man ist tagsüber müde und unkonzentriert. Umgekehrt begünstigt Tagesmüdigkeit schlechtes Träumen. Wie andere Schlafstörungen auch, können Albräume das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigern. Deshalb sollte man sich bei belastenden, wiederkehrenden Nachtmahren in Behandlung begeben. Psychotherapeuten kennen verschiedene Übungen, um ihre Patienten von der nächtlichen Last zu befreien: unter anderem Konfrontation mit den Trauminhalten, um mit den Gefühlen vertraut zu werden, was jedoch oft als sehr bedrückend und fordernd empfunden wird. Oder luzides Träumen.

Die derzeit am häufigsten angewendete Methode ist die imagery rehearsal therapy (IRT), bei der im Gespräch eine positive Wendung oder Strategie entwickelt wird, dem Schrecken zu entkommen. Das „Drehbuch“ von wiederkehrenden Albträumen wird also umgeschrieben, der Angstauslöser überwunden. Wen im Schlaf Bilder vom Fallen quälen, könnte sich also beispielsweise rechtzeitig Flügel wachsen lassen. Tagsüber wird der neue Traum in der Vorstellung eingeübt, damit er nachts die gewünschte Richtung nimmt. Schon bei Kindern findet diese Idee Anwendung: Der Verhaltenstherapeut lässt sie ein Bild von ihrem Albtraum malen.

Anschließend sollen sie die erdachte Lösung einzeichnen: Ein Beschützer, ein Netz zum Geisterfangen oder ein Monster-Abwehr-Spray könnten das sein. Wichtig ist, dass die jungen Träumer ihren Retter selbst erfinden. Ein entspanntes Schlafumfeld, in dem das tagsüber Erlebte nicht unmittelbar mit in die Nacht genommen wird, fördert das erfolgreiche Durchschlafen ebenfalls und kann gegen stressbedingte Albträume helfen. Autogenes Training und Meditationsübungen sind geeignet, aber auch Lavendel- oder Zirbenöl fördern die Erholung sowie pflanzliche Präparate zum Einnehmen mit Hopfen-, Melissen-, Baldrian- oder Passionsblumenextrakten. Damit stehen den gequälten Träumern einige Instrumente zur Verfügung, um den aufdringlichen Nachtmahr aus dem Schlafzimmer herauszujagen.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 78.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin

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