© Ivan Mikhaylov / 123rf.com

Venen

BESENREISER, KRAMPFADERN & CO.

Venenerkrankungen sind nicht nur ein kosmetisches Problem. Sie können unbehandelt gravierende Folgeerkrankungen hervorrufen. Kompressionsbehandlung, chirurgische Verfahren, Bewegung und Ödemprotektiva sind die wichtigsten Säulen der Prävention und Therapie.

Seite 1/1 8 Minuten

Seite 1/1 8 Minuten

Zu den Volkskrankheiten der Industrienationen zählen die Venenleiden. Besonders mit einem steigenden Lebensalter leiden mehr und mehr Menschen unter Krampfadern, Schwellungen oder Schmerzen der Beine. Fortschreitende Venenerkrankungen können zu offenen Beinen, Venenentzündungen oder -thrombosen führen.

Venenleiden betreffen keinesfalls nur alte Menschen. Bereits Menschen ab 30 Jahren klagen über erste Anzeichen einer beginnenden Veneninsuffizienz. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Laut der Bonner Venenstudie von 2002 leiden etwa dreißig Prozent der Frauen und zwanzig Prozent der Männer zwischen 18 und 79 Jahren in Deutschland unter Krampfadern.

Symptome erkennen Venenerkrankungen entstehen schleichend. Häufig kommen Patienten in die Apotheke und verlangen kühlende Gele oder abschwellende Tabletten. Gerade im Sommer leiden viele Menschen unter schweren Beinen, Kribbeln, und Schwellungen. Berichtet der Patient von häufigen, wiederkehrenden Beschwerden, sollten PTA und Apotheker den Arztbesuch zur Venenmessung anraten. Insbesondere wenn chronische Vorerkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes mellitus vorliegen, ist eine genaue Abklärung anzeigt.

Leistung des Venensystems!
Das Venensystem speichert etwa 80 Prozent der Blutmenge und ist an der Wärmeregulation des Körpers beteiligt. Hauptaufgabe ist jedoch der Rücktransport des mit CO2 beladenen Blutes zum Herzen. Physiologisch unterscheidet man das tiefe vom oberflächlichen Beinvenensystem. Über die tiefen Venen erfolgt etwa 90 Prozent des Blutrücktransportes. Die oberflächlichen Venen übernehmen etwa 5 bis 10 Prozent des Blutrücktransportes. Sie liegen außerhalb der Muskulatur und vereinigen sich zu den zwei großen Stammvenen, der Vena saphena magna (große Rosenader) und der Vena saphena parva (kleine Rosenader). Jeden Tag muss das Venensystem etwa 7000 Liter Blut an das Herz zurücktransportieren. Dort wird das Blut über die Lunge wieder mit Sauerstoff angereichert und steht dem Kreislauf erneut zur Verfügung.

Werden Symptome des Anfangsstadiums einer Veneninsuffizienz nicht ernst genommen, führen sie im fortgeschrittenen Stadium nicht selten zu einem Ulcus cruris venosum. Hier zu Lande leiden mehr als 80 000 Menschen an einem „offenen Bein“. Von den über 80-Jährigen sind fünf Prozent betroffen.

Venenklappen und Muskelpumpe Der Rücktransport des Blutes aus den Beinen zurück zum Herzen erfordert eine erhebliche Arbeitsleistung von unserem Körper, denn egal ob wir sitzen, gehen oder stehen, Blut muss immer entgegen der Schwerkraft gepumpt werden. Dazu hat das venöse System zwei unterstützende Prinzipien: die Venenklappen und die Wadenmuskelpumpe.

Die Venenklappen funktionieren wie Rückschlagventile und verhindern einen Rückfluss des Blutes in die Beine. Wird das Blut durch die Arbeit des Herzmuskels herzwärts gepumpt, öffnen sich die Klappen. Nimmt die Sogwirkung ab, sackt das Blut wieder mit der Schwerkraft zurück und übt einen gewissen Druck auf die Klappe aus, sie schließt sich dann sofort. So wird das Blut stufenweise wieder zurück zum Herzen transportiert.

Jedes Bein hat zwischen acht und achtzehn Venenklappen, die dafür sorgen, dass der Blutstrom wie eine Einbahnstraße funktioniert. Je weniger funktionierende Klappen ein Mensch hat, desto größer ist das Risiko für eine Veneninsuffizienz.

Die Wadenmuskelpumpe unterstützt den Rücktransport des Blutes aktiv. Beim Gehen kontrahiert die Wadenmuskulatur, in die die tiefen Beinvenen eingebettet sind. Dabei wird das Blut zurück in Richtung Herz gepumpt. In der Entspannungsphase der Muskulatur entsteht eine Sogwirkung, bei der Blut aus den oberflächlichen Venen in die tiefen Venen nachfließt. Jeder Patient mit einer Venenschwäche kann also durch Bewegung selber dazu beitragen, dass die Venen entlastet werden.

Venenerkrankungen Mit zunehmendem Lebensalter setzen Umbauprozesse des Bindegewebes ein, die Elastizität des Gewebes nimmt ab, wie auch die Gefäßdurchblutung. Bei der Entstehung einer Veneninsuffizienz kommt es zunächst zur Überlastung des venösen Systems. Das Blut wird nicht mehr vollständig zum Herzen zurücktransportiert und eine gewisse Restmenge staut sich in den Venen.

Aufgrund der Druckerhöhung in den oberflächlichen Beinvenen tritt Flüssigkeit in das umliegende Gewebe über, Schwellungen und Ödeme bilden sich. Auf Dauer können sichtbare Aussackungen der Venen entstehen, die im Volksmund bezeichneten „Krampfadern“. Mit Fortschreiten der Erkrankung können auch die tiefen Venen sowie deren kommunizierende Venen dem Druck nicht standhalten.

Fragen für das Beratungsgespräch
+ Haben Sie Schwellungen an den Knöcheln oder Unterschenkeln? Besonders nach langem Sitzen oder Stehen?
+ Leiden Sie unter Kribbeln oder Jucken an den Beinen?
+ Haben Sie sichtbare Besenreiser oder Krampfadern an den Beinen?
+ Bestehen Hauterkrankungen oder Hautveränderungen?
+ Leiden Sie unter schlecht heilenden Wunden im Beinbereich?

Kommen dazu noch Defekte der Venenklappen, staut sich das Blut mit der Folge erheblicher Ödembildung in den unteren Beinabschnitten – eine Minderversorgung des umgebenen Gewebes und Störungen der Durchblutung sind die Folge, was sich an Hautveränderungen zeigt. Ärzte sprechen spätestens jetzt von einer chronischen Veneninsuffizienz.

Die Hauptrisikofaktoren für die primäre Varikosis sind die genetische Disposition, Übergewicht, Bindegewebsschwäche, Schwangerschaft, zunehmendes Alter, weibliches Geschlecht und stehende Tätigkeiten am Arbeitsplatz. Der größte Teil der Krampfaderleiden ist auf eine primäre Varikosis zurückzuführen. Die sekundäre Varikosis ist die Folge einer Vorerkrankung, zum Beispiel einer angeborenen Venenklappeninsuffizienz oder eines -verschlusses durch eine Thrombose. Hierbei ist der venöse Rückfluss zum Herzen behindert.

»Venenerkrankungen waren schon den alten Ägyptern bekannt.«

Eine gefährliche Venenerkrankung ist die Phlebothrombose. Im Vorfeld ist der venöse Rückfluss des Blutes gestört. Bildet sich dann in den tiefen Venen ein Blutgerinnsel, kann es zu einem Venenverschluss kommen, der mit dem Risiko einer Lungenembolie oder einer chronisch venösen Insuffizienz verbunden ist. Symptome einer Phlebothrombose sind blaue Verfärbungen der Haut, Ödembildung und ziehende Schmerzen an Leiste, Kniekehle, Wade oder Fußsohle.

Bei einer oberflächlichen Venenentzündung sprechen Mediziner von einer Thrombophlebitis. Es handelt sich dabei um eine akute Entzündung der Venenwand, ausgelöst durch mechanische oder chemische Reize. Auch eingetragene Erreger zum Beispiel durch einen Venenkatheder können die Ursache dafür sein. Risikofaktoren sind unter anderem Gerinnungsstörungen, fortgeschrittenes Lebensalter und chronische Venenschäden. In der Folge einer Thrombophlebitis kann es ebenfalls zu einer Gerinnselbildung kommen. Typische Hinweise dafür sind Symptome einer Entzündungsreaktion in Form von Rötung des Gewebes um die betroffene Vene, leichte Schwellung und Schmerzempfindlichkeit unter Druckbelastung.

Therapie Eine Varikosis ist nicht heilbar, selbst nach einer Operation oder einer Verödung können Varizen immer wieder auftreten. Die gute Nachricht für die Patienten ist, dass es eine Vielzahl von therapeutischen Maßnahmen gibt, um die Beschwerden zu lindern, ein Fortschreiten zu verhindern und damit schweren Folgeerkrankungen vorzubeugen.

Die Säulen der Behandlung sind Sklerosierung, Lasertherapie und operative Verfahren durch den Arzt auf der einen Seite und die konservative Therapie in Form der Kompressions- und Arzneimitteltherapie auf der anderen Seite. Die Kompressionstherapie ist besonders effektiv bei Venenerkrankungen in fortgeschrittenen Stadien. Zusammen mit der Bewegungstherapie sollte sie die Grundlage jeder Therapie der venösen Insuffizienz sein. Sie ist kontraindiziert für Patienten mit einer dekompensierten Herzinsuffizienz, einer fortgeschrittenen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und einer Phlegmasiacoeruleadolens, einer Sonderform der Phlebotrombose.

Einteilung der chronisch venösen Insuffizienz*
Stadium 1 Leichte Varikosis, ohne nennenswerte Beschwerden, keine Komplikationen
Stadium 2 Krampfadern und Beschwerden sind vorhanden (Missempfindungen in den Beinen, Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellungsneigung, Wadenkrämpfe etc.), keine Komplikationen
Stadium 3 Deutliche Krampfadern vorhanden, Beschwerden wie in Stadium 2, Komplikationen sind Hautveränderungen (Ekzem, Atrophie, Dermatitis, Pigmentierung), Entzündungen der oberflächlichen Venen
Stadium 4 Ausgedehnte Krampfaderbildung, Beschwerden wie in Stadium 2 und 3, Komplikationen wie in Stadium 3 und zusätzlich Ulcus cruris
* in Anlehnung an Widmer

Kompressionsstrümpfe oder -verbände üben von außen einen festen Druck auf die erweiterten Venen aus und sorgen dafür, dass die Venenklappen wieder besser schließen. Die Rückflussgeschwindigkeit des Blutes und die Leistung der Wadenmuskelpumpe werden erhöht, sowie der Druck auf die innere Venenwand erniedrigt. Im umliegenden Gewebe wirkt die Kompressionstherapie antiödematös und steigert den lymphatischen Fluss.

Im Rahmen der Beratung sollten PTA und Apotheker den Unterschied zwischen Stützstrümpfen und Kompressionsstrümpfen erläutern. Erstere üben einen deutlich geringeren Druck aus und sind eher für die Prophylaxe beziehungsweise Behandlung leichter Venenerkrankungen geeignet. Ab dem Stadium 2 sind Kompressionstrümpfe, die es in vier verschiedenen Kompressionsklassen gibt, zu empfehlen. Sie werden häufig individuell angemessen, um den Bedürfnissen der Patienten bestmöglich zu entsprechen. Je nach Lokalisation der betroffenen Venenschwäche, werden Knie-, Halbschenkel-, Oberschenkelstrümpfe oder Strumpfhosen verordnet.

Obwohl moderne Strümpfe nichts mehr mit dem guten alten „Gummistrumpf“ zu tun haben, ist die Akzeptanz für das Tragen von Kompressionsstrümpfen bei einem großen Teil der Patienten nicht sehr groß .Dagegen ist die Compliance für orale Ödemprotektiva sehr viel besser. Sie sind in der Regel gut verträglich, haben wenig Neben- oder Wechselwirkungen und gelten als sinnvolle Adjuvanzien. Auch wenn die Studienlage vieler Phytopharmaka nicht sehr umfangreich ist, haben sich doch einige Präparate bewährt, sodass sie unterstützend zu einer Kompressionstherapie beziehungsweise in frühen Stadien eingesetzt werden können.

Pflanzliche Ödemprotektiva Im Extrakt der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) befindet sich ein Triterpenglykosidgemisch, Aescin, das für die ödemprotektive und antiexsudative Wirkung verantwortlich. Aescin bildet mit dem Cholesterol in der Lysosomenzellwand Komplexe. Dadurch wird die Freisetzung der lysosomalen Enzyme ins Blut reduziert. Zusätzlich werden auch die durchlässigen Venenwände durch Aescin-Cholesterol-Komplexe stabilisiert, sodass weniger Flüssigkeit und Proteine ins Gewebe gelangen können. So reduziert die regelmäßige Einnahme eines standardisierten Rosskastanienextraktes die Bildung von Schwellungen und Ödeme.

Die Arzneibuchmonografie empfiehlt eine Extraktmenge von 100 Milligramm Aescin pro Tag verteilt auf zwei Einzeldosen am Morgen und am Abend zu den Mahlzeiten, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Die Einnahme von Rosskastaniensamenextrakt ist sehr gut verträglich. Als Wechselwirkung ist nur die Verstärkung gerinnungshemmender Substanzen bekannt. Der therapeutische Effekt ist bereits nach wenigen Tagen zu spüren. Die Einnahme sollte möglichst regelmäßig über einen längeren Zeitraum erfolgen.

Im roten Weinlaubextrakt sind unter anderem die Flavonoide Quercetin und Isoquercetin für die antiödematöse Wirkung verantwortlich. Studien zufolge wirkt der rote Weinlaubextrakt schützend auf das Venenepithel durch Stabilisierung der Membranen und Verbesserung der Elastizität. So tritt weniger Flüssigkeit aus dem Blut in das Gewebe. Die Tagesdosis beträgt ein Mal täglich 360 Milligramm Trockenextrakt. Die Einnahme sollte mit einem Glas Wasser vor der Mahlzeit erfolgen.

Nicht so intensiv untersucht sind die Ruscogenine aus dem Mäusedornwurzelstock. Auch sie werden zu den saponinhaltigen Ödemprotektiva gezählt. Vermutlich sorgen die Saponine für einen membranstabilisierenden, gefäßschützenden Effekt. Ähnliche Wirkungen werden den Rutin-Derivate Diosmin, Oxerutin und Troxerutin zugeschrieben, obwohl zu ihnen nur wenige pharmakologische Studiendaten existieren.

Externa Gele und Salben mit Extrakten aus den beschriebenen Pflanzen, Heparin oder Arnika lindern symptomatisch die subjektiven Beschwerden des Patienten. Gerade nach einem langen Tag, wenn die Beine müde, geschwollen und schwer sind, tut es vielen Menschen gut, sie hochzulegen und mit abschwellenden Zubereitungen einzucremen.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/13 ab Seite 58.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

×