Tipps für die Beratung
BEI INKONTINENZ DISKRET BERATEN
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Harninkontinenz kommt zwar bei älteren Menschen über 65 Jahren wesentlich häufiger vor, kann aber prinzipiell jeden treffen. Es handelt sich dabei nicht um eine eigenständige Krankheit, sondern ist die Folge verschiedener Grunderkrankungen, wie zum Beispiel einer Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur nach Geburten, durch schwere körperliche Arbeiten, Blasenentzündungen durch Infektionen oder durch dünner werdende Schleimhäute von Harnröhre und Blase im Alter, aber auch nach Operationen oder Unfällen, durch Steinleiden, Nervenerkrankungen oder gutartiger und bösartiger Tumore, wie zum Beispiel der Prostata.
Bei Stuhlinkontinenz liegt eine Funktionsstörung des Schließmuskels am Darmausgang vor. Dies kann eine Folge von entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn sein oder von Tumorkrankungen. Aber auch im Rahmen einer Demenz kann es dazu kommen. Natürlich sollte so gut wie möglich die jeweilige Grunderkrankung und damit die Ursache der Inkontinenz behandelt werden. Aber oft ist dies nur begrenzt oder nicht sofort möglich. Wie auch immer: Ihr Rat als PKA ist gefragt, und zum Glück stehen dafür immer mehr gute Produkte zur Verfügung!
Heikles ThemaDeshalb sollten Sie Ihren Kunden auf alle Fälle anbieten, zum Beratungsgespräch in die Beratungsecke oder an einen Ort in der Apotheke, der Diskretion gewährleistet, zu gehen. Viele Herstellerfirmen stellen Muster und Pröbchen ihrer Produkte zur Verfügung, die Ihnen die Beratung sehr erleichtern. Wichtig ist aber, dass dieses Anschauungsmaterial auch wirklich aktuell ist. Denn es ist für den Kunden und auch Sie als PKA sehr ärgerlich, wenn das ausgewählte Produkt, für das sich der Kunde nach ausführlicher, individueller Beratung bewusst entschieden hat, dann nicht mehr produziert wird.
Einlagen einfach zu handhabenHat der Kunde noch keine konkreten Wünsche oder Vorstellungen, dann zeigen Sie ihm am besten zuerst kleine anatomisch (körpergerecht) geformte Einlagen. Diese besitzen einen Klebestreifen auf der Rückseite und können in die gewohnte Unterwäsche eingeklebt werden. Besonders Frauen reagieren oft mit dem Einwand, dass sie Damenbinden bereits ausprobiert hätten und es damit nicht getan sei. Dann ist es wichtig zu erklären, dass gute Inkontinenz-Produkte anders als Damenbinden aufgebaut sind.
Sie bestehen neben einer wasserdichten, oft atmungsaktiven Außenschicht aus einem absorbierenden Kern, der aus Zellstoff, Zellstoff-Flocken und bei hochwertigen Produkten aus einem Superabsorber besteht. Dieser verwandelt sich durch Flüssigkeitsaufnahme schnell in ein Gel, das auch unter Druck weder Urin noch Stuhl wieder freigibt. Bei der der Haut zugewandten Schicht handelt es sich um einen hautfreundlichen Vliesstoff, dessen Poren die Flüssigkeit in Richtung Kern leiten und somit die Haut weitestgehend trockenhalten.
Oder lieber Vorlagen?Anatomisch geformte Vorlagen besitzen im Gegensatz zu Einlagen keine Klebestreifen und werden deshalb mithilfe von Fixierhosen getragen, die es sowohl als Einwegvariante als auch in waschbarer Version gibt. Vorlagen gibt es in auf den individuellen Bedarf abgestimmten Saugstärken bis hin zu solchen bei sehr starker Blasenschwäche. Besonders bei Markenprodukten gibt es Artikel mit zusätzlichen Vorteilen, beispielweise mit nässeabweisenden Innenbündchen, die sich beim Tragen aufstellen oder Feuchtigkeitsindikatoren im Schrittbereich, die dem Pflegenden durch Farbänderungen den Zeitpunkt anzeigen, wann die Vorlage gewechselt werden muss.
Bei den Vorlagen gibt es speziell für den männlichen Körper entwickelte Varianten, die auch bei mittlerer und schwerer Harn- und Stuhl-Inkontinenz geeignet sind. Wie alle Inkontinenz-Produkte gibt es anatomisch geformte Vorlagen nicht nur in verschiedenen Größen, sondern auch in unterschiedlichen Saugstärken, die meistens an der Tröpfchenanzahl oder in Form von Nummern zu erkennen sind. Die Begriffe Einlage und Vorlage werden übrigens nicht nur von Kunden, sondern auch von einigen Anbietern oftmals synonym verwendet. In diesen Fällen ist es einfacher, über konkrete Muster oder Pröbchen von Produkten zu sprechen oder auf Abbildungen im Internet zurückzugreifen, als ein umständliches Gespräch zu führen.
Aus der Säuglingspflege bekannt Etwas verwirrend ist, dass man Windelhosen, unter denen sich jeder Kunde etwas vorstellen kann, auch als Inkontinenz-Slips bezeichnet. Sie werden deshalb öfters mit den später besprochenen Pants verwechselt. Über diese Produkte lassen sich eher die Angehörigen beraten, aber es ist oft nicht sofort erkennbar, für wen genau die Produkte sind. Deshalb ist es wichtig, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen. Die Windelhosen werden seitlich durch Haftstreifen verschlossen.
Wie man das geschickt machen kann, können Sie den Kunden anhand von Broschüren der Hersteller zeigen oder mit den Kunden zusammen auf den jeweiligen Homepages anschauen. Die unterschiedlichen Modelle weisen sehr unterschiedliche Qualität auf und sind für Fälle mit leichter bis hin zu besonders schwerer Inkontinenz geeignet. So haben hochwertige Windeln ein besonders hautfreundliches, pH-hautneutrales, antibakterielles Vlies, das im Hüftbereich luftdurchlässig ist und dort Luftzirkulation ermöglicht. Die mehrschichtigen Saugkörper bestehen aus saugstarken, geruchsbindenden Absorbern, die vor Rücknässung schützen; die Haftstreifen sind wiederverschließbar, um die Passform nachzujustieren.
Normaler Unterwäsche optisch immer ähnlicherPants oder Inkontinenzhosen gibt es für Frauen und Männer in immer mehr Farben oder mit Mustern, die die Hemmschwelle vor der Anwendung stark reduzieren. Das Ausziehen der Pants ist sogar noch leichter als bei normaler Wäsche, da sie im getragenen Zustand einfach seitlich aufgerissen werden können und deshalb nicht umständlich über die Knie und Füße gezogen werden müssen. Damit die Pants nicht rutschen, ist die Größenauswahl sehr wichtig. Dazu muss entweder der Bauchumfang gemessen werden oder Sie schätzen ihn und geben dem Kunden entsprechende Pröbchen mit nach Hause.
Auch der Hinweis auf verschiedene Saugstärke-Möglichkeiten bei gleicher Größe sollte nicht fehlen. Viele der genannten körpernahen Inkontinenz-Produkte sind prinzipiell von den gesetzlichen Krankenkassen erstattungsfähig, wenn sie eine 10-stellige Hilfsmittelpositionsnummer besitzen. Allerdings bestehen zwischen einigen großen Krankenkassen und Apothekerverbänden keine Lieferverträge mehr, und auch sonst müssen Sie sich vorab erkundigen, ob ein Kostenvoranschlag eingereicht werden muss und wieviel die jeweilige Krankenkasse erstattet.
Weitere Hilfe für PflegebedürftigeZum Schutz von Matratzen und Wäsche dienen Krankenunterlagen (= Bettschutzeinlagen). Sie werden auch als körperferne Hilfsmittel bezeichnet und können für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 1 von der jeweiligen Pflegekasse übernommen werden. Gerade hier sind auch wiederverwendbare Produkte im Handel, die dabei helfen, die Hausmüllmenge zu reduzieren und damit den Nachhaltigkeitsfaktor zu beachten.
Die Haut braucht UnterstützungAuch bei optimaler Versorgung mit Inkontinenz-Produkten wird die Haut durch aggressive Inhaltsstoffe im Urin und Stuhl sehr strapaziert und braucht deshalb gute Pflege, damit die Schutzfunktion der Haut erhalten bleibt. Um häufiges Waschen kommt man bei Inkontinenz nicht herum, was die Haut leider zusätzlich belastet und den Säureschutzmantel zerstören kann. Empfehlen Sie deshalb zur Reinigung seifenfreie, pH-hautneutrale Reinigungsprodukte. Nach der Reinigung sind Pflegeprodukte gerade bei älteren Patienten sinnvoll, da älter werdende Haut dünner wird, weniger Talg produziert und somit ihre Widerstandskraft gegen Entzündungen und Infektionen verliert.
Zusatztipps für Ihre KundenDa bei vielen Menschen Inkontinenz-Probleme große seelische Belastungen zur Folge haben, die die Lebensqualität stark einschränken, können Sie Ihnen mit guten Ratschlägen oft weiterhelfen: „Stärken Sie Ihren Beckenboden durch gezieltes Training.“ Dazu sollten Kontaktadressen von Kursen der Krankenkassen, örtlichen Sportvereinen oder der Volkshochschule griffbereit sein. „Gönnen Sie sich regelmäßige Entspannung.“ Damit sich die Patienten nicht nur auf ihre Leiden und Sorgen konzentrieren, sollten sie ermuntert werden, Freunde zu treffen, ihren Hobbys nachzugehen oder Entspannungstechniken zu erlernen.
„Harndrang dauert praktisch nie länger als fünf Minuten. Versuchen Sie in dieser Zeit lieber zu sitzen oder zu stehen, um den Druck auf Ihre Blase zu reduzieren. Sie können auch so tun, als ob Sie Ihre Schuhe zubinden, um weiteren Druck von der Blase zu nehmen. Dies alles ist besser, als zur nächsten Toilette zu hetzen, denn durch Erschütterung und verstärktes Atmen steigt der Druck auf die Blase noch zusätzlich.“ Auch von den besten Tipps kann sich niemand alle merken. Entwerfen Sie doch davon einen Flyer mit dem Logo Ihrer Apotheke. Dann können Ihre Kunden zu Hause alles in Ruhe nachlesen, und Sie und Ihre Apotheke bleiben in bester Erinnerung!
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 93.
Ute Kropp, Apothekerin und PKA-Lehrerin