Repetitorium
BAKTERIELLE INFEKTIONSKRANKHEITEN – TEIL 2
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Bei lokalen Infektionen ist das Auftreten von Eiter ein fast sicherer Hinweis auf eine bakterielle Infektion. Doch wie sieht es ansonsten mit der Diagnostik, der Krankheitserkennung, der Abgrenzung eines bakteriellen von einem viralen Infekt aus? Im Alltag wird hier seitens des Arztes häufig aufgrund der typischen Symptome und Krankheitsverläufe entschieden. Klinisch-chemische Laborparameter sind eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit, ein verändertes Blutbild mit erhöhter Leukozytenzahl, ein Anstieg des C-reaktiven Proteins im Blutserum, aber auch ein Test auf Procalcitonin (PCT), einer Vorstufe des Hormons Calcitonin. Der PCT-Spiegel scheint neuesten Studien zufolge ein wichtiges Kriterium für die Frage zu sein, ob ein Antibiotikum nötig ist oder nicht. Bei den häufigen Atemwegsinfekten ist gelbgrünes Sekret entgegen landläufiger Meinung nicht automatisch ein Hinweis auf eine bakterielle Infektion. Erst wenn dies mehrere Tage anhält, spricht vieles dafür.
Bei manchen Infektionen sind weitergehende diagnostische Hilfsmittel wie Röntgenbilder oder Computertomografie notwendig. Eine genaue Bestimmung eines bakteriellen Erregers gelingt durch die entsprechende bakteriologische Labordiagnostik, wobei ein Abstrich, Sekret, Punktat oder eine Blutabnahme das notwendige Material liefern. In der Praxis wird allerdings aufgrund des akuten Handlungsbedarfs und der Kosteneffizienz nur, wenn es absolut notwendig erscheint, eine Erregerbestimmung durchgeführt.
Bekannte bakterielle Krankheitsbilder Diphterie ist eine akute, häufig lebensbedrohlich verlaufende Infektion des Nasen-Rachen-Raumes, ausgelöst durch das Gift des Diphtheriebakteriums (Corynebakterium diphtheriae). Nach einer Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen beginnen starke Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Auf Rachen- und Atemwegsschleimhaut bilden sich graue Beläge (Membranen), die Schleimhäute schwellen dort stark an und Infizierte bekommen kaum noch Luft.
„Würgeengel der Kinder” heißt die Erkrankung deshalb im Volksmund. Das Diphterietoxin kann zusätzlich Herz und Nervensystem schädigen und letztlich zum Tod führen. In Deutschland ist die Erkrankung dank guter hygienischer Verhältnisse und Impfung selten geworden, in den Staaten der ehemaligen UDSSR kommt sie hingegen noch häufig vor.
Keuchhusten ist eine durch das Bakterium Bordetella pertussis, seltener Bordetella parapertussis ausgelöste, hochansteckende Infektionskrankheit der Atemwege. Durch Tröpfcheninfektion übertragen kommt es nach einer Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen zu erkältungsähnlichen Krankheitsbeschwerden. Danach folgt eine mehrwöchige Phase mit schweren, mehrere Minuten andauernden anfalls- und stakkatoartigen Hustenattacken, die zu Atemnot führen können. Insbesondere bei Säuglingen können lebensbedrohliche Atemstillstände auftreten. Zur Prophylaxe existiert aber eine wirksame Impfung.
Tonsillitis, gerne auch Angina oder Mandelentzündung genannt, ist eine schmerzhafte Entzündung der Gaumenmandeln, die in 10 bis 50 Prozent der Fälle durch Bakterien, meist Streptococcus pyogenes, manchmal auch Haemophilus influenzae hervorgerufen wird. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis sieben Tage, wobei die Erkrankung bei Kindern häufig auch mit Kopf-, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen einhergeht.
»Cholera, Diphterie, Gonorrhö, Keuchhusten, Lepra, Scharlach, Syphilis, Tuberkulose, Typhus und Paratyphus gehören nicht zur natürlichen Keimflora.«
Scharlach (persisch: sakrilat = rote Farbe) ist eine Komplikation oder auch Folgeerkrankung der Tonsillitis und wird durch den gleichen Erreger, genauer das Exotoxin des Bakteriums Streptococcus pyogenes hervorgerufen. Fieber und ein stark geröteter Rachen sind nach einer kurzen Inkubationszeit von drei bis fünf Tagen erste Anzeichen. Charakteristisch ist dann die Erdbeer- oder Himbeerzunge, aber auch ein Hautausschlag, der am Oberkörper, an den Ellenbogen, der Leiste und Kniekehle beginnt und sich von dort auf den ganzen restlichen Körper ausbreitet.
Typisch für diesen Ausschlag ist, dass sowohl Handinnenflächen, Fußsohlen als auch der Bereich um den Mund ausgespart bleiben. Die Erkrankung tritt meist im Kindesalter zwischen drei und sieben Jahren auf, wobei eine mehrfache Erkrankung häufig ist, da die Immunität immer nur gegen das gerade vorherrschende Toxin erzeugt wird.
Otitis media, die Mittelohrentzündung, ist die häufigste akute bakterielle Infektion im Kleinkindalter. Als Auslöser kommen Bakterien und Viren in Frage, wobei in der Literatur die Zahlen für eine bakterielle Infektion als Auslöser oder Superinfektion stark schwanken und zwischen 20 und 60 Prozent liegen. Insbesondere Strepto- und Staphylokokken, Haemophilus influenzae und Moxarella catarrhalis werden als typische Erreger aufgeführt.
Meist greifen die Bakterien über die Eustachische Röhre, also die „Ohrtrompete”, die Mittelohr und Nasen-Rachen-Raum verbindet, auf das Mittelohr über. Ohrenschmerzen, Hörminderung, Gleichgewichtsprobleme, Fieber, aber auch Erbrechen und Bauchschmerzen sind häufigste Symptome.
Pneumonie oder Lungenentzündung ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt. Auslöser sind zu 90 Prozent Bakterien, wobei das Erregerspektrum sehr breit ist und vom häufigsten Erreger Streptococcus pneumoniae, gefolgt von Haemophilus influenzae über Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa bis zu Mycoplasma pneumoniae, Chlamydophila pneumoniae, Enterobakterien und weiteren atypischen Bakterien reicht.
Gehäuft tritt die Erkrankung im Kindergartenalter und bei älteren Menschen ab 65 Jahren auf, wobei Krankenhausaufenthalte dann häufig notwendig werden. Tröpfcheninfektion oder kontaminierte Gegenstände sind der Hauptübertragungsweg. Schüttelfrost, Kopf-, Brust- und Gliederschmerzen, Rasselgeräusche im Bronchialbereich sowie Atem- und Luftnot, mit teils ge steigerter Atemfrequenz, hoher Puls sowie Fieber sind häufig auftretende Symptome.
Tetanus ist eine schwere Erkrankung des Nervensystems, die sich durch krampfhafte Erstarrung der Muskulatur (Wundstarrkrampf) äußert. Im Verlauf können die Betroffenen nicht mehr sprechen, die Atmung setzt aus, die Todesrate liegt unbehandelt bei 50 Prozent. Beim Kontakt beispielsweise mit Straßenschmutz oder Gartenerde kann der Tetanuserreger (Clostridium tetani) über kleine Hautverletzungen in den Körper eindringen.
Nach einer Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen löst das Toxin des Tetanusbakteriums die Muskelkrämpfe aus. Dank konsequenter Impfung der Bevölkerung mit einem Totimpfstoff, der abgeschwächtes Gift des Tetanusbakteriums enthält, ist die Erkrankung in den Industrieländern relativ selten geworden.
Auch die bekanntesten, „klassischen” vier Geschlechtskrankheiten sind bakterielle Infektionen. Dies sind die Syphilis (Lues, Erregerbakterium ist die Spirochäte Treponema pallidum), Ulcus molle (weicher Schanker, Erregerbakterium ist das gram-negative Stäbchen Haemophilus ducreyi), Lymphogranuloma inguinale (Lymphopathia venerea, Erregerbakterium ist Chlamydia trachomatis) sowie Gonorrhoe (Tripper, Erreger Neisseria gonorrhoeae).
Letzteres ist die häufigste Geschlechtskrankheit in Deutschland. Nach einer Inkubationszeit von zwei bis acht Tagen kommt es dabei zu Beschwerden wie Brennen, Schmerzen beim Wasserlassen, eitrigen Absonderungen beziehungsweise Ausfluss im Vaginal-/ Harnröhrenbereich. Unbehandelt kann es zur Unfruchtbarkeit von Mann und Frau kommen. Schwangere wiederum können bei der Geburt den Erreger auch auf das Kind übertragen, was früher oft zu gefährlichen Augeninfekten mit Erblindungsgefahr geführt hat.
Tuberkulose (Tbc, Schwindsucht) ist eine durch Tröpfcheninfektion mittels Mykoplasmabakterien ausgelöste Lungenerkrankung, die später auch auf andere Organe übergehen kann. Nachtschweiß, geringes Fieber, Husten sind erste unspezifische Symptome, durch Streuung über die Blutbahn auf Organe wie Hirnhäute, Knochen, Harnwege, Verdauungstrakt, Haut- und Geschlechtsorgane kommen etwa Knochen-, Gelenk-, Bauch-, Kopfschmerzen oder Sehstörungen hinzu.
Von allen Infizierten erkrankt nur etwa jeder Zehnte tatsächlich, begünstigt durch Mangelernährung oder Immunschwäche. Bei intakter Immunabwehr oder einer durchgemachten Primärtuberkulose können die Erreger auch lebenslang im Körper „schlummern” und jederzeit reaktiviert werden. Die meldepflichtige Erkrankung verläuft unbehandelt oft tödlich.
Botulismus ist eine durch das Botulinumtoxin, ein Stoffwechselprodukt des Bakteriums Clostridium botulinum hervorgerufene schwere Lebensmittelvergiftung. Das Toxin bildet sich unter Luftausschluss, also besonders in luftdicht verpackten Nahrungsmitteln. Es ist einer der giftigsten in der Natur vorkommenden Stoffe überhaupt und kann schwere bis tödliche Nervenstörungen verursachen. In Deutschland ist die Infektion allerdings relativ selten, wird von Experten auf weniger als zehn pro Jahr geschätzt, bei allerdings hoher Dunkelziffer.
Legionellosen sind durch Bakterien der Gattung Legionella, meist Legionella pneumophila hervorgerufene Infektionen der Atemwege mit Pneumonie (lebensgefährlicher Lungenentzündung). Erstmals wurde die Erkrankung 1976 beschrieben, als bei einem Treffen von US-Kriegsveteranen 181 Personen lebensgefährlich erkrankten (Legionärskrankheit). Seltener kommen Formen ohne Lungenentzündung, aber mit Fieber oder außerhalb der Atemwege als Endokarditis (Herzinnenhautentzündung) oder Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) vor.
Die Inkubationszeit beträgt zwei bis zehn Tage. Da sich die Legionellen bevorzugt in warmem Wasser (18 bis 50 °C, Maximum bei 36 bis 43 °C) vermehren, bergen insbesondere Schwimmbecken, Whirlpools, Klimaanlagen, Duschen und Warmwasserleitungen ein erhöhtes Infektionsrisiko. In Deutschland müssen nach der neuen, seit 1. November 2011 geltenden Trinkwasserverordnung deshalb bei nicht vom Eigentümer genutzten Wohnungen oder Häusern mit entsprechenden Warmwasserboilern oder -leitungen mindestens einmal jährlich Wasserproben entnommen und untersucht werden.
Gasbrand ist eine durch anaerobe Bakterien, vor allem Clostridium perfringens, verursachte Weichteilinfektion (Wundkontamination), bei der Toxine und aggressive Enzyme das Gewebe stark anschwellen lassen, Gasbläschen entstehen (Gasknistern) und das Gewebe nekrotisiert, stirbt also ab. Starkes Fieber, enorme Schmerzen am ganzen Körper, Delirium, Kreislaufkollaps, Schock treten hinzu. Die Prognose ist, selbst wenn die Wunde schnell geöffnet und von nekrotischem Gewebe (bis hin zur Amputation) befreit wird, eher ungünstig. Hier zu Lande – wo Wunden schnell versorgt werden – kommen pro Jahr aber nur noch 10 bis 20 Fälle vor. Schutzimpfungen bei besonders gefährdeten Personen, etwa Militär im Kriegsfall, sind bisher leider nicht möglich.
Pseudomembranöse Kolitis, auch Clostridium difficile assoziierte Diarrhoe (CDAD) oder antibiotikaassoziierte Kolitis genannt, wird durch das Bakterium Clostridium difficile ausgelöst. Es vermehrt sich manchmal dank Antibiotika-bedingter Schädigung der Darmflora so stark, dass seine Toxine Fieber, Bauchkrämpfe und -schmerzen, teilweise blutigen Durchfall mit enormem Flüssigkeitsverlust verursachen.
Teile der Darmwand sind verdickt (Pseudomembran). Meist beginnen die Beschwerden wenige Tage nach Antibiotikatherapie (meist Clindamycin, Ampicillin, Cephalosporine), sie können aber auch noch sechs Wochen später auftreten. Darmdurchbrüche (Perforation) oder Peritonitis (Bauchfellentzündung) sind mögliche Komplikationen.
Cholera ist eine schwere Durchfallerkrankung, ausgelöst durch das Bakterium Vibrio cholerae, genauer dessen Exotoxin (Choleratoxin). Die Keime werden hauptsächlich durch Trinkwasser übertragen, das mit Fäkalien verunreinigt ist. Die Inkubationszeit beträgt einige Stunden bis fünf Tage.
Schon der Erkrankungsverdacht ist meldepflichtig, die Behandlung erfolgt unter Quarantäne. Nach Brechdurchfall mit Exsikkose (starker Flüssigkeitsmangel) kommt es häufig zu Verwirrtheit, Koma, Hautausschlag, aber auch Lungenentzündung und Sepsis (Blutvergiftung) können hinzukommen. Cholera kommt insbesondere in Südamerika, Südostasien und Afrika vor, wodurch Reisende betroffen sind und vereinzelt eine Einschleppung nach Deutschland erfolgt. Eine seit 2005 auf dem Markt befindliche Schluckimpfung wirkt nicht nur antibakteriell, sondern zusätzlich auch gegen das Choleratoxin.
ZUSATZINFORMATIONEN
Harnwegsinfekte (HWI) werden in untere Harnwegsinfekte (Harnröhre, Harnblase) und obere HWI (Nierenbecken, Harnleiter) unterteilt und zu 95 bis 98 Prozent durch eingedrungene Darmbakterien (Escherichia coli, Enterobakterien wie Klebsiellen, Proteusarten, Staphylo- oder Enterokokken) hervorgerufen. Da die Harnröhre von Frauen kürzer ist, sind Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer. Auch eine Blasenspiegelung oder ein Blasenkatheter öffnen die Eintrittspforte. Die Symptome sind vielfältig, meist Juckreiz, Schmerzen beim Urinieren, häufiger Harndrang, seltener auch Übelkeit, Brechreiz. Nierenbeteiligung oder Meningitisanzeichen deuten auf Komplikationen beziehungsweise kompliziertere Harnwegsinfekte hin.
Die Infektionsbekämpfung
Gegen einige bakterielle Infektionskrankheiten existieren vorbeugend Impfungen, die je nach Krankheit vom Kinder-, Hausarzt oder Tropenmediziner verabreicht werden. So wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) die Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Kinderlähmung, gegen Meningo- und Pneumokokken oder Haemophilus influenzae Typ B schon im Säuglingsalter empfohlen. Die Impfungen tragen auch dazu bei, dass Antibiotika seltener gebraucht werden. Unmittelbare Folge: Deren Resistenzbildung sinkt. Seit die STIKO im Jahr 2006 die Pneumokokkenimpfung für alle Kinder bis zum Alter von 24 Monaten empfiehlt, ist die Zahl der Resistenzen gegen die dafür eingesetzten Makrolid-Antibiotika deutlich zurückgegangen. Ansonsten ist für akute Behandlung bakterieller Infektionen die Bedeutung der antiinfektiösen Therapie mittels Antibiotika natürlich immens. Ein zu sorgloser Umgang mit vielen Antibiotika hat in verschiedenen europäischen Ländern, aber auch in Asien und Nordamerika immer mehr Bakterienstämme gegen bestimmte Antibiotika resistent werden lassen.
Im deutschen Apothekenalltag kommen in der Beratung am häufigsten bakterielle Infektionen der Atemwege sowie der Harnwege vor. Sie sind laut statistischer Datenerhebung auch überwiegend für die Antibiotikaverordnungen im ambulanten Bereich verantwortlich.
Im dritten und letzten Repetitoriumsteil werden kompakt wichtige Antibiotikaklassen und ihr Einsatzgebiet beleuchtet sowie Tipps für das Beratungsgespräch gegeben. Teil 1 finden Sie hier.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/12 ab Seite 72.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin