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Viren & Bakterien

BAD VIBRATIONS

Der bekannteste Vertreter dieser Keime, der Cholera-Erreger, hat noch vor gut 150 Jahren in europäischen Metropolen zahllose Opfer gefordert. In anderen Weltgegenden wütet die Seuche noch heute.

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Dass die Cholera hierzulande praktisch nur mehr von historischem Interesse ist, wurde durch moderne Trinkwasserversorgung und Abwassertechnik erreicht. Wo es kein sauberes Wasser und keine ausreichende sanitäre Grundversorgung gibt, grassiert sie immer wieder. In Haiti zum Beispiel wurde eine schwere Epidemie, die nach dem Erdbeben 2010 begann, bis heute nicht gestoppt.

Der Erreger ist ein gekrümmtes stäbchenförmiges Bakterium, das sich durch große Beweglichkeit auszeichnet. Es gehört der Gattung Vibrio an, die verschiedene humanpathogene Arten umfasst. Der natürliche Lebensraum von Vibrionen ist das Wasser; die Keime sind in unterschiedlichem Maß halophil, also salzliebend.

Vibrio cholerae wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Filippo Pacini aus Florenz entdeckt und – wie später auch durch Robert Koch – als wahrscheinlich ursächliches Pathogen beschrieben. Man unterscheidet diverse Stämme; nur Bakterien der toxinbildenden Serogruppen O1 und O139 von V. cholerae sind für Cholera-Epidemien verantwortlich.

Die Infektion Menschen infizieren sich mit dem Bakterium hauptsächlich über verseuchtes Wasser, aber auch kontaminierte Lebensmittel wie Meerestiere. Häufig werden die Erreger auch von Menschen ausgeschieden, die keine erkennbaren Infektionszeichen aufweisen. Die Magensäure dezimiert die Zahl der aufgenommenen Bakterien stark, daher sind relativ hohe Keimkonzentrationen nötig, um eine Infektion auszulösen.

Nur Stämme, die zwei sogenannte Virulenzfaktoren aufweisen, können den Wirtsorganismus krank machen. Mit Hilfe von Pili, also kurzen Zellfortsätzen, heften sich die Cholera-Erreger an die Darmschleimhaut an. Zusätzlich haben pathogene Cholera-Vibrionen die Fähigkeit, ein Gift zu sezernieren, das Choleratoxin. Dieses greift in wichtige zelluläre Steuerungsprozesse ein und bewirkt so eine massive unkontrollierte Steigerung der Sekretion von Natriumchlorid in das Darmlumen, was die schweren wässrigen Durchfälle auslöst und zu extremem Wasser- und Elektrolytverlust führt.

Wird nicht adäquat behandelt, also ausreichend Flüssigkeit und Salze in Form einer Elektrolyt-Zuckerlösung substituiert – am besten stationär und intravenös –, droht häufig der Tod. Die Mortalität ist unter anderem vom Erregerstamm und der aufgenommenen Menge abhängig. Unterstützend kann, vor allem zur Verkürzung der Zeit, in der die Patienten ansteckend sind, ein Antibiotikum wie zum Beispiel Ciprofloxacin gegeben werden.

Zur Prophylaxe stehen zwei Schluckimpfungen mit inaktivierten Bakterien zur Verfügung, die für einige Monate zusätzlichen Schutz bieten können, allerdings nicht die wichtige Expositionsprophylaxe in Endemiegebieten ersetzen. Deren Grundregel lautet bekanntlich: nur abgekochtes Wasser verwenden, keine rohen Produkte verzehren.

SELTEN, ABER ERNSTZUNEHMEN

Auch wenn die Fallzahlen in Relation zu den vielen Tausenden Touristen an den Ost- und Nordseestränden extrem klein sind, sollten Badende über das Risiko einer solchen Infektion informiert sein: Bei begründetem Verdacht muss noch vor einer gesicherten Diagnose unverzüglich mit Antibiotika behandelt werden. Auch verschiedene Binnengewässer sind von Vibrionen bewohnt, etwa der Neusiedlersee. Im heißen Sommer 2015 wurden zudem Erkrankungsfälle beschrieben, die sich nach dem Baden in niederösterreichischen Badeteichen ereigneten.

Gefährliche Verwandte Von den Cholera-Erregern unterscheidet man die sogenannten Nicht-Cholera-Vibrionen: Zu diesen werden sowohl die nicht-toxinbildenden Vertreter von V. cholerae wie auch andere Spezies gezählt, zum Beispiel Vibrio parahaemolyticus und Vibrio vulnificus. Solche Vibrionen gibt es in Gewässern weltweit. Optimale Lebensbedingungen bieten ihnen die moderat salzhaltigen Flussmündungen, Förden und Boddengewässer von Nord- und Ostsee.

Dort sind sie schon immer heimisch; bei Wassertemperaturen über 18 bis 20 °C vermehren sie sich rapide. Prinzipiell sind zwei verschiedene Übertragungswege möglich, die zu unterschiedlichen Erkrankungen führen: Zum einen der Verzehr kontaminierter, nicht ausreichend erhitzter Meerestiere. Er löst Gastroenteritiden aus, bei immungeschwächten Menschen auch eine rasend schnell entstehende Blutvergiftung mit Multiorganversagen.

Der andere – hierzulande vorherrschende – Infektionspfad geht über den Kontakt (auch kleiner) Hautverletzungen mit erregerhaltigem Wasser: In diesem Fall können sich innerhalb weniger Stunden Schmerzen und Blasen auf der Haut und schließlich Nekrosen entwickeln.

Rascher Therapiebeginn entscheidend Es gibt schwere Verläufe, bei denen es in kürzester Zeit zu einer Sepsis kommt, die schließlich zum Tod führen kann. Frühzeitig eingesetzt, können Antibiotika die Infektion gut stoppen. Wird die Therapie jedoch nicht umgehend eingeleitet, kann es erforderlich werden, betroffene Gliedmaßen zu amputieren.

Senioren und chronisch Kranke (z. B. mit Lebererkrankungen oder Diabetes) mit geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet. Wenn Personen aus dieser Risikogruppe offene oder schlecht heilende Hautwunden haben, sollten sie daher besser den Kontakt mit Küstengewässern meiden, jedenfalls bei warmen Temperaturen.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/16 ab Seite 82.

Waldtraud Paukstadt, Dipl. Biologin

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