Postpartale Depression
BABY ALLEIN ZUHAUS
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Eigentlich könnte ja alles so schön sein: Die frischgebackene Mutter hat erst kürzlich ihr gesundes Kind zur Welt gebracht, doch anstatt sich zu freuen, beherrschen Traurigkeit, ein Gefühl innerer Leere, Desinteresse, Antriebslosigkeit oder gar eine verkapselte Aggression gegenüber dem Kind und dem Vater die Stimmung.
Die Frauen wissen oft gar nicht, wie ihnen geschieht, denn in ihrer Vorstellung sollten sie einfach nur glücklich sein. Stattdessen fürchten sie sich vor dem alltäglichen Umgang mit dem Neugeborenen, erwarten schwerwiegende Fehler sowie nicht kontrollierbare Gefahren und haben Angst, keine liebevolle Mutter zu werden. Liegen diese Symptome vor, könnte es sich um eine postpartale Störung handeln.
Das Fatale: Ärzte und Hebammen sind auf das seelische Tief meist nicht vorbereitet und erkennen nicht einmal die Anzeichen. Hinzu kommt, dass viele Patientinnen Scham und Schuldgefühle empfinden und daher nicht gerne über die aktuelle Situation sprechen. Dabei ist eine schnelle Unterstützung von außen für die Mutter und für die Entwicklung des Kindes äußerst bedeutsam.
Verschiedene Stufen Je nach Schweregrad unterscheidet man drei Arten: das postpartale Stimmungstief, auch Heultage oder Babyblues genannt, ist eine leichte Form und verschwindet spontan nach einigen Tagen. Schwerwiegender sind die postpartale Depression sowie die postpartale Psychose (PPP). Die PPD entwickelt sich in der Regel schleichend und kommt bei Müttern und Vätern vor. Charakteristisch sind Gereiztheit, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Ängste, Panikattacken und ambivalente Gefühle gegenüber dem Kind. Gefährlich ist das Stimmungstief, weil bei Betroffenen mitunter sogar Tötungsgedanken (auf die eigene Person und auf das Kind bezogen) aufkommen.
Hingegen beginnt die PPP abrupt und geht mit einer paranoid-halluzinatorischen Symptomatik einher. Im Gegensatz zum postpartalen Blues besteht bei der PPD und der PPP stets Therapiebedarf. Bei schweren postpartalen Depressionen sowie bei der PPP ist ein stationärer Aufenthalt aufgrund der Suizidgefahr oft unumgänglich, sodass Betroffene schnellstmöglich in eine Klinik eingewiesen werden sollten. Hierbei ist empfehlenswert, Mutter und Kind nicht zu trennen.
Mögliche Ursachen Die Auslöser für die Entstehung einer postpartalen Depression sind vielfältig. Hierzu gehören:
- psychische Faktoren (Veränderungen des eigenen Lebens, traumatische Erlebnisse bei der Geburt, persönliche Einschränkungen, eigenes Idealbild der Mutterrolle, Stress und Konflikte, mangelnde Unterstützung durch den Partner)
- physische Faktoren (körperliche Veränderungen, körperliche Anstrengung während der Geburt)
- Schwankungen im Hormonhaushalt, denn die in der Schwangerschaft stark erhöhten Estrogenund Progesteronspiegel fallen nach der Entbindung rapide ab. Hingegen steigt die Konzentration des Prolaktins, welches für die Aktivierung der Milchproduktion zuständig ist, stark an.
- Postpartum-Thyreoiditis, die zu einer Schilddrüsenunterfunktion führt
- Vulnerabilität durch eine Depression oder andere psychische Erkrankungen.
Noch immer ein Tabuthema Den jungen Müttern würde es bereits helfen, wenn ihnen bewusst wäre, dass sie unter einer Krankheit leiden, denn viele sehen ihre Problematik als persönliche Schwäche an. Zunächst ist daher unbedingt eine Aufklärung über die Erkrankung und die damit einhergehende Entlastung von Schuldgefühlen nötig. Um die Wochenbettdepression zu behandeln, werden häufig Verfahren wie Verhaltenstherapien oder tiefenpsychologische Psychotherapien eingesetzt. Diese können sowohl im Einzelgespräch als auch im Gruppensetting stattfinden.
BABY DA, FREUDE WEG
Auch im ICD-10, dem Internationalen Klassifikationssystem der Krankheiten, ist die Erkrankung unter psychischen oder Verhaltensstörungen im Wochenbett (F 53) aufgeführt. Voraussetzung für die Diagnose ist, dass die Problematik innerhalb eines Sechs-Wochen-Zeitraumes nach der Entbindung beginnt. Wenn die Beschwerden noch zwölf Wochen nach der Geburt bestehen, sollte das Stimmungstief spätestens therapiert werden.
Neben der Beschäftigung mit der postpartalen Depression steht dabei auch die Mutter-Kind-Beziehung im Vordergrund. Unterstützung durch den Partner, die Familie und Freunde sowie Hilfe bei der Hausarbeit und Babybetreuung wirken sich positiv auf den Verlauf aus. In schweren Fällen werden Betroffenen Medikamente verordnet. Bei der Einnahme der Antidepressiva ist unbedingt zu beachten, ob sie in die Muttermilch übertreten, denn in diesem Fall sollte rechtzeitig abgestillt werden. Insgesamt haben Wochenbettdepressionen eine gute Prognose, da die Beschwerden nach einer gewissen Zeit in der Regel verschwinden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/14 ab Seite 132.
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)