Reiseapotheke

AUF UND DAVON!

Sommerzeit ist Urlaubszeit und die Fragen rund um die Reiseapotheke haben Hochkonjunktur. Nutzen Sie die Chance, sich beratungsaktiv zu präsentieren und Ihre Kunden rundum zu versorgen.

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Kurz vor dem Reiseantritt fällt bei vielen Menschen noch mal der Blick in ihre Hausapotheke. Häufig ist dann eine Aufstockung des Medikamentenvorrats nötig, um beruhigt in die Ferien zu fahren. Gerade bei Auslandsreisen, wenn die bekannten Arzneimittel nicht so leicht verfügbar sind, ist eine sorgfältige Zusammenstellung der Reiseapotheke eine wichtige Vorraussetzung für einen entspannten Urlaub.

Durchfall Je nach Urlaubsort erkranken fast 80 Prozent der Reisenden an Magen-Darm-Infekten. Die häufigsten Erreger der Reisediarrhöe sind die enterotoxischen Vertreter von Escherichia coli gefolgt von Shigellen. Die beste Prophylaxe ist laut Empfehlung der WHO immer noch die Regel „Peel it, boil it, cook it or forget it!“ In südlichen Ländern sollte also möglichst auf rohe ungeschälte Lebensmittel, Leitungswasser oder Eiswürfel in Getränken verzichtet werden.

Industriell abgefülltes Wasser sollte deshalb auch zum Zähneputzen verwendet werden. Die orale Rehydratation ist die wichtigste Maßnahme, wenn es einen dann doch einmal erwischt hat. Neben einer Elektrolytlösung gehört zur Behandlung der akuten Durchfallproblematik ein loperamidhaltiges Präparat in die Reiseapotheke. Loperamid bindet an periphere Opioidrezeptoren und hemmt so die Darmbewegung sowie den Wassertransport in das Darminnere hinein. Loperamid ist für Kinder unter zwei Jahren kontraindiziert.

Sind Kleinkinder mit im Urlaub, ist ein Pulver mit Saccharomyces boulardii eine gute Empfehlung. Die vermehrungsfähigen Hefen besiedeln die Darmflora und sollen pathogene Mikroorganismen verdrängen. Die Grenze der Selbstmedikation ist erreicht, wenn die Durchfälle blutig sind, Fieber begleitend vorliegt und die Beschwerden länger als drei Tage andauern. Bei Säuglingen und Kleinkindern wird der Arztbesuch direkt angeraten.

Verstopfung Manche Patienten wünschen vor dem Reiseantritt ein leichtes Abführmittel, da sie durch die Ernährungsumstellung im Urlaub unter Obstipation leiden. Flohsamenschalen gelten als gut verträgliche Abführhilfe und können leicht unter das Frühstücksmüsli oder Obst gemischt werden. Ansonsten eignen sich bisacodylhaltige Tropfen, die nach Bedarf dosiert werden können. Weitere Alternativen sind Macrogole als Granulat zum Auflösen oder Glycerinzäpfchen für die Behandlung einer akuten Obstipation.

RUNDUM-BERATUNG
Nutzen Sie die Urlaubszeit in der Apotheke als Chance, um sich beratungsaktiv zu positionieren. Ein Blickfang im Schaufenster macht auf Ihr Angebot aufmerksam. Bieten Sie komplette Reiseapotheken oder die individuelle Zusammenstellung an. Auch homöopathische Sets sollten nicht fehlen. Bitten Sie den Patienten, eine kurze Checkliste alleine oder mit Ihnen zusammen auszufüllen. So lässt sich der Bedarf systematisch erfassen und es wird nichts vergessen. Halten Sie Infobroschüren für praktische Tipps zur Gesundheitsvorsorge auf der Reise bereit.

Sodbrennen Andere Essgewohnheiten in den Urlaubsländern verträgt nicht jeder. Wer auch zu Hause schon mal Last mit Sodbrennen hat, sollte ein wirksames Antazidum, zum Beispiel aus der Gruppe der Schichtgitter-Antazida Hydrotalcid, Magaldrat oder einen der Protonenpumpenhemmer Omeprazol oder Pantoprazol, in die Reiseapotheke packen. Zu beachten ist, dass Patienten, die unter hohen Dosierungen von Protonenpumpenhemmern stehen, aufgrund des erhöhten pH-Wertes des Magensaftes anfälliger für infektiöse Erreger sind.

Schmerzen und Fieber Allerlei Unwohlsein kann einen Reisenden treffen: angefangen von Kopf- über Rücken- und Glieder- bis zu Zahnschmerzen. Urlauber, die eher magenempfindlich sind oder regelmäßig gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, sollten Paracetamol gegen Schmerzen einsetzen. Ansonsten sind Acetylsalicylsäure und Ibuprofen die Analgetika der Wahl, um Schmerzen und Fieber zu behandeln. Reisen kleine Kinder mit, sind ibuprofen- oder paracetamolhaltige Säfte oder Zäpfchen zu empfehlen. Treten starke Schmerzen akut auf, begleitet von hohem Fieber oder anderen Symptomen, sollte auch am Urlaubsort ein Arzt aufgesucht werden.

Erkältung im Urlaub Die Grundausstattung an Arzneimitteln gegen Erkältungsbeschwerden darf in der Reiseapotheke nicht fehlen. Dazu gehört ein Schleimlöser, zum Beispiel mit einem der Wirkstoffe Acetylcystein, Bromhexin oder Ambroxol. Alternativ können auch pflanzliche Sekretolytika aus Thymian- oder Efeuextrakt sowie ätherische Ölkapseln eingepackt werden. Wer auf Nummer sicher gehen will, ergänzt dazu noch einen dextromethorphanhaltigen Hustenstiller gegen trockenen Reizhusten. Abschwellende Nasentropfen sollten auf jede Flugreise mitgenommen werden. Gerade bei einer Erkältung funktioniert im Flugzeug der Druckausgleich bei Abflug und Landung so deutlich besser.

Reiseübelkeit Wer weiß, dass er im Auto, Bus, Flugzeug oder auf einem Schiff unter Reiseübelkeit leidet, kann vorsorgen. Effektiv wirken Antihistaminika wie Diphenhydramin oder Dimenhydrinat als Tabletten oder Kaugummis. Allerdings haben sie auch eine leichte sedierende Wirkung und können die Reaktionsfähigkeit einschränken. Die Einnahme sollte etwa 30 bis 60 Minuten vor Reiseantritt erfolgen. Alternative sind scopolaminhaltige Pflaster, die etwa 72 Stunden wirken und keine müde machende Wirkung haben. Sie eignen sich besonders zur Vorbeugung von starken Kinetosen, zum Beispiel bei Hochseefahrten mit dem Schiff.

Aktivurlaub Ist ein sportlicher Urlaub am Meer oder in den Bergen geplant, ist auch an eine geeignete Versorgung für Wunden und Verletzungen zu denken. Wundschnellverbände, Desinfektionsspray und ein Gel gegen Prellungen und Verstauchungen sind dann die Mindestversorgung. Außerdem sollten beim Aktivurlaub ein ausreichender Sonnenschutz, Repellenzien gegen Insekten und eine hydrokortisonhaltige Creme gegen Insektenstiche und Sonnenbrand nicht fehlen.

Dauermedikation Bei Beratung von Patienten mit einer Dauermedikation sollten mögliche Wechselwirkungen mit Akutmedikamenten der Reiseapotheke berücksichtigt werden. Am besten lässt man sich den Medikationsplan des Kunden vorlegen und macht einen Interaktionscheck mit den empfohlenen Reisemedikamenten. Wichtig ist, dass die Menge der Dauermedikamente nicht zu knapp bemessen wird, sodass auch bei Verlust oder einer Urlaubsverlängerung die Therapie gesichert ist. Sind die Temperaturen im Reiseland sehr hoch, ist ein Hinweis auf die Lagerung der Arzneimittel sehr wichtig. Insbesondere kühlpflichtige Medikamente, zum Beispiel Insuline oder Insulinanaloga sollten in Isoliertaschen aufbewahrt werden.

Achtung Flugreise Wichtige Medikamente gehören bei Flugreisen ins Handgepäck, damit der Reisende bei Gepäckverlust oder längeren Aufenthalten auf dem Flughafen immer ausreichend versorgt ist.

Menschen mit Thromboserisiko, zum Beispiel Schwangere, Senioren über 60 Jahre, Übergewichtige, Raucher und Patienten mit einer chronisch venösen Insuffizienz sollten auf Langstreckenflügen Thrombosestrümpfe tragen. Ein weiterer Tipp für den Flug: viel trinken, auf Alkohol verzichten – und immer wieder Fußgymnastik! 

Achtung bei allen Lebensmitteln, die roh verzehrt werden – ihr Verzehr kann unter anderem zu Durchfall führen. Foto: © Gina Smith / www.fotolia.com

Zeitverschiebung Überschreitet der Urlauber mehrere Zeitzonen, ist eine Beratung zu der Verschiebung der Einnahmezeitpunkte seiner Medikamente nötig. Hormonelle Kombinationspräparate zur Verhütung bieten einen sicheren Schutz, wenn die Einnahme zwischen zwei Tabletten nicht mehr als 36 Stunden auseinander liegt. Wenn die Zeitverschiebung nicht mehr als 12 Stunden beträgt, kann die Mikropille im Urlaub zur selben Zeit eingenommen werden wie zu Hause. Ist die Zeitverschiebung größer, sollte nach 12 Stunden eine „Zwischenpille“ eingenommen werden. Bei der Minipille, die nur ein Gestagen enthält, dürfen nicht mehr als 27 Stunden vergehen. Da gilt die Einnahme einer Zwischenpille bereits, wenn die Zeitverschiebung mehr als drei Stunden beträgt. Bei Unklarheiten sollten Ihre Kundinnen sich noch einmal an ihren Arzt wenden. Bei insulinpflichtigen Diabetikern ist die Anpassung der Insulindosis unter einer Zeitverschiebung häufig mit größeren Schwankungen der Blutzuckerwerte verbunden.

HINWEISE FÜR IHRE KUNDEN
+ Vor einer Reise sollten die Medikamente noch einmal auf ihr Haltbarkeitsdatum kontrolliert
   werden.
+ Dauermedikamente gehören immer ins Handgepäck. Bei Verlusten des Gepäcks ist der Patient
   dann nicht ohne Arzneimittel.
+ Ausreichende Mengen der Dauermedikamente sollten mitgenommen werden, damit der Reisende
   im Notfall auch länger versorgt ist.
+ Temperaturempfindliche Arzneimittel sollten in geeigneten Isoliertaschen geschützt werden.
+ Der Beipackzettel geht mit auf Reisen. So können im Bedarfsfall auch Ärzte im Ausland über die
   Dauermedikation informiert werden.

Impfungen ansprechen Eine Reiseberatung sollte immer die Frage nach dem Impfstatus umfassen. Reist der Kunde in exotische Länder, werden Informationen zu typischen Reiseimpfungen eingeholt. Häufig wird aber vergessen, die gängigen Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Poliomyelitis aufzufrischen. In Deutschland besteht gegen viele Erkrankungen durch die relativ hohe Durchimpfrate ein guter Kollektivschutz, sodass auch Menschen mit ungenügendem Antikörperstatus nur geringe Risiken der Infektion tragen. In unzivilisierten Ländern sieht die Situation aber ganz anders aus. Dort sind die Erreger von Kinderkrankheiten, aber auch Diphtherie oder Pertussis sehr viel stärker verbreitet. Informationen zu den aktuellen Impfempfehlungen in Abhängigkeit vom Risikostatus der Person können beim Robert Koch-Institut abgefragt werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/11 ab Seite 14.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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