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Politik

ARZNEIMITTELRECHT AKTUELL

Europäisches Recht macht eine weitere Fortschreibung nationaler Regelungen erforderlich. Dies geschieht mit dem Dritten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften.

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Nur neun Monate nach der umgangssprachlich als 16. AMG-Novelle bezeichneten Fortschreibung arzneimittelrechtlicher Vorschriften werden erneut Regelungen im Arzneimittelgesetz geändert. Einmal mehr machte europäisches Recht, nämlich im Bereich der Marktüberwachung von Arzneimitteln , nationale Gesetzesänderungen erforderlich.

Der Gesetzgeber nutzte zugleich die letzte Chance in dieser Legislaturperiode und nahm Klarstellungen im Sozialgesetzbuch Fünf (SGB V) und Heilmittelwerbegesetz vor. Das neue Gesetz trägt den sperrigen Titel „Drittes Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“.

Pharmakovigilanz Neu geregelt werden beispielsweise Anzeigepflichten des Zulassungsinhabers (pharmazeutischer Unternehmer). Danach muss der Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels der zuständigen Bundesoberbehörde (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder Paul-Ehrlich-Institut) zukünftig unverzüglich die Gründe mitteilen, wenn dieser das Inverkehrbringen des Arzneimittels vorübergehend oder endgültig einstellt, es zurückruft, auf eine Zulassung verzichtet oder eine Zulassungsverlängerung nicht beantragt.

Für Rückfragen im Apothekenalltag könnte eine weitere gesetzliche Maßnahme im Bereich der Marktüberwachung führen: ein auf dem Kopf stehendes schwarzes Dreieck im Beipackzettel und in der Fachinformation, das ab Herbst diesen Jahres manche Arzneimittel kennzeichnet. Ergänzend wird das Symbol den Hinweis tragen: „Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung.“

In einem Begleittext werden Patienten und Gesundheitspersonal zudem aufgefordert, unerwartete Nebenwirkungen über die nationalen Meldesysteme mitzuteilen. Die Neuregelung gilt für solche Arzneimittel, die einen neuen Wirkstoff enthalten oder biologische Arzneimittel sind. Sie gilt auch für Arzneimittel, für die nach der Zulassung weitere Daten erforderlich sind oder deren Zulassung bestimmten Bedingungen oder Anwendungsbeschränkungen unterliegen.

Großbritannien hat diese spezielle Kennzeichnung schon lange, nun folgt der Rest der Europäischen Union. Man erhofft sich eine verstärkte Aufmerksamkeit für diese Arzneimittel. Risiken sollen so rascher erkannt und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zur Risikoabwehr früher ergriffen werden können. Aus Sicht des Patientenschutzes ist diese Regelung sicherlich zu begrüßen.

Gekoppelt werden die Bemühungen, schnellere und bessere Informationen über mögliche Nebenwirkungen eines Arzneimittels zu bekommen, mit einem vereinfachten Meldeweg. Dazu startete Ende letzten Jahres die Testphase für ein neues Internetangebot der zuständigen Bundesoberbehörden. Patienten können sich aber auch weiterhin direkt an ihren Arzt oder eine Apotheke wenden.

Es wird sicherlich einige Zeit dauern, bis alle betroffen Arzneimittel entsprechend gekennzeichnet sind. Ein Aussortieren von Ware in den Apotheken ist nicht erforderlich. Ware, die vor dem 1. Januar 2014 hergestellt, verpackt und gekennzeichnet wird und nicht entsprechend gekennzeichnet ist, darf trotzdem in Verkehr gebracht werden.

Rx-Boni Für Apotheken relevant ist ferner ein Änderungsantrag der Union und der FDP, der Eingang in das Gesetz fand und die unbefriedigende unterschiedliche Rechtsprechung zu Boni und Gutscheinen beim Einlösen von Rezepten beendet. Der Gesetzgeber möchte so sicherstellen, dass Verbraucher durch die Aussicht auf Zugaben in Apotheken nicht „unsachlich beeinflusst werden“.

Gleiche Regeln Mit dem Artikelgesetz greift das Bundesministerium für Gesundheit zudem bisherige Erfahrungen zur frühen Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln und der Nutzenbewertung von Arzneimitteln des Bestandsmarktes auf. Auslöser war der Versuch eines pharmazeutischen Unternehmers, sich juristisch gegen die Nutzenbewertung der Gliptine (Sitagliptin, Saxagliptin, Vildagliptin) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Wehr zu setzen.

»Ein auf dem Kopf stehendes schwarzes Dreieck kennzeichnet ab Herbst manche Arzneimittel.«

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte in seinem Beschluss Ende Februar darauf hingewiesen, dass eine gesetzgeberische Klarstellung notwendig ist. Nun ist im SGB V zweifelsfrei geregelt, dass für die Nutzenbewertung im Bestandsmarkt die gleichen Regeln gelten wie für die frühe Nutzenbewertung neuer Präparate. Nachjustiert wurde auch bei der Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie.

Für den Fall, dass es mehrere Alternativen gibt, muss künftig nicht mehr zwingend die wirtschaftlichere Therapie gewählt werden müssen. Der Zusatznutzen soll vielmehr vom Hersteller gegenüber jeder zweckmäßigen Therapien nachgewiesen werden können. In der Vergangenheit führte die Festlegung auf eine einzige Vergleichstherapie in der Praxis mitunter dazu, dass ein Zusatznutzen aus rein formalen Gründen nicht belegt werden konnte. Dies ist ein Grund, weshalb der G-BA oft „den Daumen über Innovationen senkte“.

Ein Kuriosum noch am Rande: Der erste Anlauf des Bundestags, das Gesetz zu verabschieden, ging schief. Die Sitzung musste wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen werden. Es waren – aus welchen Gründen auch immer – nicht genügende Abgeordnete zur Verabschiedung anwesend. Ein Tag später klappte es dann …

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/13 ab Seite 50.

Dr. Michael Binger, Hessisches Sozialministerium

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