Steckbrief
ANTIHISTAMINIKA DER ERSTEN GENERATION
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Diphenhydramin und Doxylamin sind klassische Wirkstoffe aus der Gruppe der H1-Antihistaminika der ersten Generation. Sie wirken am H1-Rezeptor und heben dort die Wirkung von Histamin auf. H1-Rezeptoren finden sich in Geweben der Peripherie aber auch im zentralen Nervensystem. Histaminerge Effekte in der Peripherie äußern sich als allergische Reaktion des Körpers, zum Beispiel in Form der Obstruktion der Atemwegsmuskulatur, vermehrte Durchlässigkeit der kleinen Blutgefäße und Juckreiz. Im Gehirn führt der Botenstoff Histamin zur Steigerung des Wachzustands und zur Erhöhung des Brechreizes.
Antihistaminika der ersten Generation haben lipophile Eigenschaften und dadurch im Gegensatz zu den neueren Wirkstoffen zentrale Effekte. Sie wirken daher auch antiemetisch und sedierend. Ihre Haupteinsatzgebiete sind die Indikationen Übelkeit, Erbrechen und Schlafstörungen. Sie verbessern das Einschlafen durch die schlafanstoßende Wirkung. Allerdings verschieben sie die Schlafphasen und greifen in das physiologische Schlafprofil ein. Die Einnahme sollte etwa 30 Minuten vor dem Schlafengehen stattfinden. Die übliche Dosis beträgt 50 Milligramm Diphenhydramin und 25 bis 50 Milligramm Doxylamin. Da die Reaktionsfähigkeit durch die Antihistaminika deutlich verringert sein kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Schlafdauer bis zum Aufstehen mindestens acht Stunden betragen sollte.
Problematisch ist jedoch der Gewöhnungseffekt nach wenigen Tagen regelmäßiger Anwendung. So gibt es eine Anwendungsbeschränkung, die Substanzen nicht länger als 14 Tage dauerhaft einzunehmen. Geeignet sind sie für die kurzfristige Einnahme, zum Beispiel wenn eine Einschlafhilfe nach dem Schichtdienst oder auf Reisen gewünscht ist. Doxylamin und Diphenhydramin haben weiterhin auch ein hohes Bindungsvermögen an Muscarinrezeptoren. Damit verbunden sind anticholinerge Nebenwirkungen, wie Mundtrockenheit, Obstipation, Unruhe, Tachykardie, Harnentleerungsstörungen und Kognitionseinschränkungen. Dies bereitet besonders alten Menschen mit Polymedikation und Multimorbidität Probleme. Aus diesem Grund werden sie auf der Priscus-Liste für potenziell inadäquate Arzneistoffe im Alter geführt.
Apotheker und PTA sollten die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten der Dauermedikation abchecken. So kann sich bei Kombination von anticholinergen Urologika, Neuroleptika oder trizyklischen Antidepressiva mit dem Antihistaminikum zum Schlafen die anticholinerge Last massiv erhöhen und zu gesundheitlichen Komplikationen führen. In so einem Fall sollte eher ein pflanzliches Sedativum als Schlafmittel empfohlen werden. Die H1-Antihistaminika erhöhen außerdem das Sturzrisiko, die QT-Zeit und bergen die Gefahr für ein Delir. Bei einer Erhöhung der QT-Zeit sind De- und Repolarisation des Aktionspotenzials am Herzen verlängert, was zu einer Bradykardie führt. Die zentralen Effekte verstärken sich, wenn zusätzlich Alkohol, Hypnotika oder zentraldämpfende Psychopharmaka kombiniert werden.
In der Schwangerschaft sind die alten H1-Antihistaminika eine Therapieoption, wenn kurzfristig eine schlafanstoßende Wirkung benötigt wird. Der Erfahrungsumfang für den Einsatz in der Schwangerschaft ist relativ groß, auch weil sie gegen Schwangerschaftsübelkeit eingesetzt werden können. Für Kinder ist Doxylamin zur Therapie von Schlafproblemen verschreibungspflichtig. Diphenhydramin zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei Kindern ist allerdings weiterhin ohne Rezept erhältlich. Für Kinder unter drei Jahren gilt allerdings eine strenge Indikationsstellung, denn Überdosierungen können lebensbedrohlich sein. Weitere Kontraindikationen für die Anwendung von H1-Antihistminika sind manifeste Herzerkrankungen, Engwinkelglaukom, und Leberfunktionsstörungen.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2020 ab Seite 102.
Dr. Katja Renner, Apothekerin