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Repetitorium

ANTIDEPRESSIVA – TEIL 3

Die Gruppe der tri- und tetrazyklischen Antidepressiva sowie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wurden im zweiten Repetitoriumsteil besprochen. Welche Mittel gegen Depressionen gibt es gemäß Nationaler Versorgungsleitlinie noch?

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Wenn alle anderen Antidepressiva nicht gewirkt haben, bei Therapieresistenzen oder sehr schweren Depressionen bieten häufig Mono-Amino-Oxidase-Hemmer noch eine Wirksamkeits- und Besserungschance.

Mono-Amino-Oxidase -Hemmer Das Enzym Mono-Amino-Oxidase spaltet Amine wie Serotonin und Noradrenalin, aber auch Dopamin – also relevante Neuro­transmitter (Botenstoffe) des Gehirns – und verringert dadurch deren Verfügbarkeit zur Signalübertragung im Gehirn. MAO-Hemmer blockieren das Enzym, sodass die Konzentration der Botenstoffe im Hirnstoffwechsel ansteigt. Dabei gibt es zwei verschiedene MAO-Typen: MAO-A und MAO-B.

Der Wirkstoff Moclobemid hemmt nur den Untertyp MAO-A. Es erzielt gute Erfolge bei schweren Depressionen oder auch bei Ängsten im Umgang mit Menschen, also sozialen Phobien. Das Antidepressivum Tranylcypromin hemmt hingegen beide MAO-Typen, zerstört außerdem die MAO, sodass eine Hemmung nicht mehr rückgängig zu machen ist (irreversible Hemmung). Folge ist, dass nach Therapieende der Körper das Enzym erst wieder neu bilden muss, was drei Wochen dauern kann, weshalb Wirkung und Nebenwirkungen entsprechend lange anhalten.

Nebenwirkung bei beiden Substanzen sind Schlafstörungen, Übelkeit und Erbrechen sowie Kopfschmerzen. Bei Tranylcypromin kommt es vereinzelt auch zu Halluzinationen, Krampfanfällen und Blutbildveränderungen. Ganz wichtig zudem: Patienten, die den nichtselektiven irreversiblen MAO-Hemmer Tranylcypromin verordnet bekommen, müssen eine strenge tyraminarme Diät (kein reifer Käse, keine eingelegten Heringe, kein Rotwein oder Weintrauben) einhalten. Grund: Auch die Aminosäure Tyramin, die stark blutdrucksteigernd wirkt, wird durch die Hemmung von MAO-A
und B nicht mehr abgebaut.

Bei Diätfehlern können schwere Komplikationen, etwa Blutdruckkrisen, auftreten. Auch die parallele Einnahme von Tranylcypromin und Amphetaminen oder anderen indirekten Sympathomimetika kann schwere Zwischenfälle wie Herzrhythmusstörungen, Hyperthermie oder Blutdruckkrisen verursachen. Dass eine Kombination mit anderen Antidepressiva gefährlich ist, zum Beispiel keinesfalls MAO-Hemmer mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern kombiniert werden dürfen, wurde schon im zweiten Repetitoriumsteil näher erläutert.

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI) Diese vergleichsweise junge Antidepressivagruppe bindet im Zentralnervensystem an Serotonin- und Noradrenalintransporter und hemmt dadurch die Wiederaufnahme dieser Botenstoffe in die Nervenzelle – ganz ähnlich den trizyklischen Antidepressiva (TZA). Da sie im Vergleich zu TZA aber selektiver sind, also keine Bindung zu adrenergen, cholinergen oder histaminergen Rezeptoren besitzen, sind sie auch deutlich nebenwirkungsärmer. SSNRI werden insbesondere zur Stimmungsaufhellung und Antriebssteigerung gerne eingesetzt.

Der Wirkstoff Venlafaxin ist in dieser Gruppe seit 1993 auf dem Markt, es besteht also die größere Erfahrung. Das neuere Duloxetin gilt als wirkungsvoller, aber auch nebenwirkungsreicher. Insbesondere Übelkeit, Schwindel, Schlaflosigkeit, Tremor, Nervosität, Obstipation (Verstopfung), Schwitzen und Ejakulationsstörungen treten als Nebenwirkungen auf. Auch hier gilt wieder: Keine gemeinsame Anwendung mit MAO-Hemmern.

Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) Auch mit Substanzen, die ausschließlich die Nor­adrenalin-Wiederaufnahme hemmen (NRI, Noradrena­lin-Reuptake-Inhibitors) lässt sich eine antidepressive Wirkung erreichen, die der einer Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Blockade weitgehend entspricht, ist in bekannter Fachliteratur zu lesen. Anwendungsgebiete sind meist leicht bis mittelschwere Depressionen, vor allem wenn Betroffene unter Antriebslosigkeit, Alltags-Bewältigungs-Schwierigkeiten und fehlenden gesellschaftlichen Kontakten leiden.

»Es ist unmöglich vorherzusagen, ob ein behandlungsbedürftiger depressiver Patient eher auf das eine oder aber andere Antidepressivum ansprechen wird.«

Der aktuell einzige Wirkstoff aus dieser Gruppe auf dem deutschen Markt ist allerdings Reboxetin und wurde vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) im Jahr 2009 negativ beurteilt. Das Medikament wird deshalb seit dem 1. April 2011 nicht mehr von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet. Auch hinsichtlich der Verträglichkeit fand sich Reboxetin im Antidepressivavergleich (veröffentlicht 2009 in der renommierten Medizinzeitschrift „Lancet“) abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Die Nebenwirkungen Schlafstörungen, Schwindel, Mundtrockenheit, vermehrtes Schwitzen, Tachykardie (Herzrasen), Blasenentleerungsbeschwerden und Potenzstörungen traten vergleichsweise häufig auf. Da Reboxetin auch bei Nicht-Depressiven mild stimulierend wirkt, liegt sogar die Vermutung nahe, dass es sich eher um ein schwaches Psychostimulans ohne besondere antidepressive Wirkung handelt. Dafür spricht auch die nahe strukturchemische und pharmakologische Verwandtschaft mit den Amphetaminen.

Selektiver Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (NDRI) Der Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (NDRI) Bupropion wurde ursprünglich in den USA als Antidepressivum entwickelt, kam in Deutschland aber 1999 zunächst nur als Raucherentwöhnungsmittel auf den Markt. Seit April 2007 ist der Wirkstoff auch als Antidepressivum hier zu Lande zugelassen. In Studien zeigte er vergleichbar antidepressive Wirksamkeit wie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Fluoxetin, Sertralin und Paroxetin beziehungsweise der Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin.

Da typisch serotonere Nebenwirkungen nicht auftreten, unterscheidet sich Bupropion von den SSRI und dem SSNRI Venlafaxin aber in der Verträglichkeit. Nebenwirkungen wie sexuelle Dysfunktionen oder Gewichtszunahme sind wesentlich geringer. Häufigste Beschwerden sind Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Übelkeit und Schlafstörungen, Verstopfung und Schwindel, vereinzelt auch allergische Reaktionen. So konstatiert das Institut IQWIG Bupropion auch einen positiven Nutzen, insbesondere bei der Winterdepression. Ebenso sollen besonders zurückgezogene und gehemmte Betroffene, die unter Freudlosigkeit, Antriebsarmut und Energiemangel leiden, von der Therapie mit Bupropion profitieren.

Bei Depressiven, die auch Krampfanfälle, Bulimie, Anorexia nervosa, manisch-depressive Erkrankungen oder schwere Leberfunktions­störungen aufweisen, ist Bupropion allerdings kontraindiziert. Und auch hier verbietet sich die gleichzeitige Gabe mit MAO-Hemmern.

Melatonin-Rezeptor-Agonist Agomelatin, seit Anfang 2009 auf dem europäischen Markt, ist ein Melatoninderivat, das sich von den übrigen Antidepressiva durch einen zumindest teilweise anderen Wirkmechanismus unterscheidet. Strukturell dem „Schlafhormon“ Melatonin ähnlich, hat es eine Affinität zu den Melatoninrezeptoren MT1 und MT2 und wirkt an diesen Rezeptoren als Agonist. Dies erklärt seine schlaffördernde und die Schlafqualität verbessernde Wirkung sowie den positiven Einfluss auf den bei Depressiven häufig gestörten zirkadianen Rhythmus.

Daneben ist an der antidepressiven Wirkung auch eine antagonistische Wirkung an 5-HT2C-Rezeptoren – ähnlich dem Antidepressivum Mirtazapin – beteiligt. Zugelassen ist Agomelatin zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen. Als Durchbruch in der Behandlung depressiver Episoden kann Agomelatin allerdings nach bisheriger Studienlage nicht gewertet werden. Grundsätzlich wird die Verträglichkeit der Substanz als relativ gut eingeschätzt.

Viele der beschriebenen Nebenwirkungen, etwa Kopfschmerzen, Schwindel, Schläfrigkeit, Migräne, Magen-Darm-Beschwerden, Leberenzymerhöhungen, Rückenschmerzen oder vermehrtes Schwitzen wurden von den Anwendern als mild oder tolerierbar gewertet. Bei eingeschränkter Leberfunktion und aktiven Lebererkrankungen sowie bei einem Anstieg der Transaminasewerte über das Dreifache des oberen Normbereichs ist das Antidepressivum allerdings kontraindiziert.

Da schwerwiegende Leberschäden zum Teil mit tödlichem Ausgang unter der Behandlung mittlerweile aufgetreten sind, müssen bei allen mit Agomelatin behandelten Patienten regelmäßig engmaschig Leberfunktionstests durchgeführt werden.

Nichtklassifiziert Antidepressive Wirkstoffe, die nicht nur einen bestimmten Rezeptortyp bevorzugt hemmen, sondern vielschichtiger in ihrer Wirkweise sind, werden in der Literatur gerne als „Nichtklassifizierte Antidepressiva“ geführt. Hierzu gehören die Substanz Trazodon sowie Lithiumsalze.

Trazodon Das in der „Nationalen Versorgungsleitlinie unipolare Depression“ als nichtklassifiziertes Antidepressivum eingeordnete Trazodon hemmt einerseits die Wiederaufnahme des Botenstoffs Serotonin in die Nervenzelle, sodass die Serotoninkonzentration zwischen den Nervenzellen steigt. Andererseits hemmt es die Wirkung von Serotonin an einem speziellen Rezeptor (5HT2-Rezeptor) und etwas weniger an Rezeptoren für den Neurotransmitter Nor­adrenalin.

Die Substanz ist primär quasi eine Mischung aus einerseits Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), andererseits 5-HT2-Rezeptor-Antagonist. In der Literatur ist hierfür auch manchmal der Begriff dualserotonerges Antidepressivum (DSA) zu finden. Innerhalb der unterschiedlichen antidepressiv wirksamen Substanzen besitzt Trazodon damit eine Ausnahmestellung. Das Zusammenspiel gleich mehrerer Wirkmechanismen sorgt für einen starken serotonergen Effekt.

Da Trazodon sedierend und antidepressiv wirkt, wird es zur Behandlung von Depressionen mit oder ohne begleitende Angststörung, Schlafstörung und bei Posttraumatischen Belastungsstörungen eingesetzt. Im Vergleich zu den SSRI oder Alpha-2-Rezeptor-Antagonisten kommt es anscheinend zu weniger Nebenwirkungen und Arzneimittel-Wechselwirkungen. Da der Wirkstoff auch keine anticholinerge Aktivität aufweist, ist zudem keine negative Wirkung auf die Herzfunktion – wie bei den trizyklischen Antidepressiva – zu erwarten. Müdigkeit, Übelkeit, Blutungen, Tremor, Mundtrockenheit, Schwitzen und die Möglichkeit eines serotonergen Syndroms sind dennoch als Nebenwirkungserscheinungen gelistet.

Beim erst im September 1997 in Deutschland auf den Markt gebrachten Wirkstoff Nefazodon wurde schon 2003 wegen der Diskussion um die Gefahr starker Leberschäden seitens der Herstellerfirma der Vertrieb wieder eingestellt. Der Wirkstoff ähnelt strukturell und in seiner Wirkweise dem Trazodon und wurde ebenfalls gerne als dualserotonerges Antidepressivum (DSA) bezeichnet.

Lithium Sowohl bei wiederkehrenden Phasen von Depression (unipolar rezidivierende Depression) als auch bei Depression und Manie (bipolaren manisch depressiven Erkrankungen) wird Lithium als prophylaktisch wirkende Substanz für eine Stimmungsstabilisierung und Rezidivvorbeugung verordnet, ebenso direkt zur Therapie manischer Phasen. Die suizid- also selbstmordverhütende Wirkung ist eindeutig nachgewiesen.

Wenn ein anderes Antidepressivum allein keine ausreichende Wirkung gegen die Depression entfaltet, können Lithiumsalze von einem Arzt zusätzlich als Verstärker verordnet werden (Lithiumaugmentation; lateinisch: augmentare = verstärken). Dagegen ist bis heute der genaue Wirkmechanismus von Lithiumionen nur teilweise bekannt. Fakt ist: Lithium wird oral gut und nahezu vollständig in den Körper aufgenommen, kann gut in die Zellen eindringen, kommt aufgrund wesentlich geringerer Affinität zu den Ionenpumpen jedoch wesentlich schlechter wieder heraus.

Lithium reichert sich daher intrazellulär an und wird weitgehend nur über die Niere ausgeschieden. Infolge der geringen therapeutischen Breite ist eine individuelle Dosierung und eine exakte regelmäßige Kontrolle des Lithiumserumspiegels erforderlich. Selbst bei guter Einstellung des Lithiumspiegels kann es bei Behandlungsbeginn zu Übelkeit, Magen-Darm-Problemen, Muskelschwäche und Zittern (feinschlägigem Tremor) kommen.

Bei längerer Behandlung ist vielfach Gewichtszunahme und die Entwicklung eines Struma ein Problem. Ferner können Haut-, Elektroenzephalogramm (EEG)- und Elektrokardiogramm (EKG)-Veränderungen auftreten. Deutliche Kontraindikationen für eine Lithiumbehandlung sind schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Niereninsuffizienz, primär Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison), Störungen des Natriumhaushaltes und weitgehend auch Schwangerschaft, wegen der Gefahr von Missbildungen.

ZUSATZINFORMATIONEN

Phytopharmaka
Johanniskrautextrakt gehört bei leichten bis mittelschweren Depressionen mittlerweile zu den häufiger angewandten Antidepressiva und wurde auch vom Institut IQWIG entsprechend positiv eingeordnet. Zahlreiche kontrollierte klinische Studien und Metaanalysen konnten mittlerweile nachweisen, dass hoch dosierter Johanniskrautextrakt die Chemie der Botenstoffe im Gehirn positiv beeinflusst, bei leichten und mittelschweren Depressionen auch den Vergleich mit synthetischen Antidepressiva nicht scheuen muss und zudem vergleichsweise gut verträglich ist.

Welche Substanzen im Extrakt genau für die antidepressive Wirkung verantwortlich sind und wie der Wirkmechanismus genau aussieht – darüber besteht noch Unklarheit. Hypericin, auf das der Extrakt in der Johanniskraut-Monographie ursprünglich standardisiert wurde, ist zumindest nicht maßgeblich an der Wirkung beteiligt.

Als Stimmungsaufheller bei depressiven Verstimmungen und innerer Unruhe wird Johanniskrautextrakt insbesondere in der Selbstmedikation gepriesen. Problematisch ist, dass neben gut untersuchten und entsprechend hoch dosierten Apotheken-Produkten (600 bis 900 Milligramm Extrakt/Tag), solche im allgemeinen Handel sind, die unterschiedliche Extraktmengen enthalten, keinen Wirksamkeitsnachweis erbracht haben und häufig nicht der Arzneibuchqualität entsprechen. Bei einer schweren Depression ist Johanniskrautextrakt kontraindiziert.

Seltener als bei den synthetischen Antidepressiva kommt es zu Nebenwirkungen. Dennoch kann es auch bei Johanniskraut-Präparaten zu unerwünschten Wirkungen kommen, etwa Photosensibilisierung, allergischen Hautreaktionen oder Magen-Darm-Beschwerden bis hin zur Übelkeit. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind bedeutsamer. Dies gilt insbesondere für Mittel, die bewirken, dass das Blut langsamer gerinnt (Antikoagulanzien vom Dicoumaroltyp). Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass sich Johanniskraut nachteilig auf die Zuverlässigkeit der Kontrazeptiva (Anti-Baby-Pille) auswirkt. Aber auch einige andere Antidepressiva oder Mittel, die in das Immunsystem des Körpers eingreifen, werden in ihrer Wirksamkeit deutlich negativ beeinflusst.

Den ersten Teil der Artikelreihe "Antidepressiva" finden SIe hier, zum zweiten Teil kommen Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 12/13 ab Seite 80.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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