Forschung Medizin
ANTIBIOTIKA-RESISTENZEN
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Tickende Zeitbombe – Immer mehr Erreger werden immer schneller resistent gegen Antibiotika. Bis zum Jahr 2050 könnten sie damit jährlich 10 Millionen Menschenleben fordern – mehr als durch Krebserkrankungen. So droht uns durch Antibiotika-Resistenzen eine „präantibiotische“ Ära, in denen heute relativ harmlose Erkrankungen wieder tödlich verlaufen können. Wie sich ein Ausweg aus dieser Misere finden lässt, diskutierten Experten beim 23. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik Ende März in Hamburg. Resistenzen entstehen besonders da, wo Antibiotika falsch und unnötig angewendet werden. Letzteres ist laut Ute Leonhardt, stellvertretende Abteilungsleiterin der Ambulanten Versorgung beim vdek, bei etwa 30 Prozent der Antibiotika-Verordnungen hierzulande der Fall.
„Betroffen sind vor allem Atemwegsinfekte, die zu 90 Prozent viral bedingt sind“. Auch die falsche Therapiedauer trägt zu Antibiotika-Resistenzen bei. Die richtige Devise ist „so kurz wie möglich, so lange wie nötig“, so Dr. med. Rainer Höhl, Oberarzt am Institut für Klinikhygiene, medizinische Mikrobiologie und Klinische Infektiologie des Klinikums Nürnberg. Im Hinblick auf die richtige Anwendung von Antibiotika besteht noch viel Aufklärungsbedarf. Nicht nur bei Patienten, sondern auch bei Ärzten und Apothekenpersonal. Dr. Höhl spricht sich deshalb für eine „kontinuierliche Schulung und Weiterbildung“ aus.
Was Leonhardt im Hinblick auf die zahlreichen nicht-indizierten Antibiotika-Verordnungen genauso sieht: „Viele Ärzte überschätzen die Erwartungshaltung ihrer Patienten nach schneller Abhilfe und verschreiben die Präparate wider besseres Wissen. “ Zu diesem Schluss kam man im Zuge des von den Ersatzkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung initiierten Versorgungskonzeptes RESIST. Dessen Ziel ist es, den ambulanten Einsatz von Antibiotika bei Atemwegsinfekten zu optimieren. Das ist dringend nötig, zumal in Deutschland auch viel zu viele Breitbandantibiotika verordnet werden. Der Ansatz von RESIST ist deshalb laut Leonhardt „so schmal wie möglich“.
Um Resistenzbildungen zu verhindern, sind nach den Worten von Dr. Höhl auch bessere Hygienemaßnahmen erforderlich. Hier sei noch viel Luft nach oben, weshalb „intensive Hygieneschulungen in Praxen und Intensivstationen angesagt sind“. Angesichts der brisanten Resistenzproblematik rückt auch das Potenzial antiinfektiver Arzneipflanzen zunehmend in den Fokus. Denn sie „führen nicht zu Resistenzbildungen“, so Prof. Dr. med. Karin Kraft, Stiftungsprofessorin für Naturheilkunde Universitätsmedizin Rostock. „Diese zukunftsträchtige Option wird allerdings leider noch zu wenig beachtet“.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 auf Seite 10.
Quelle
23. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik „Raus aus der Antibiotikamisere: Welche Lösungsansätze funktionieren?“, 26. März 2019, Hamburg. Veranstalter: G. Pohl-Boskamp GmbH & Co. KG.