Interview
ALWAYS HAPPY?
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VITA
Sonia Laszlo
Die Kommunikationswissenschaftlerin und Schauspielerin befasst sich mit Glücklichsein und Film in Europa sowie den USA.
Die Journalistin ist in Medien und im Institut für Europäische Glücksforschung tätig, Gastvortragende an Universitäten und schreibt an ihrer Dissertation. Ihr Buch „Fuck Happiness” (siehe Seite 130) widmet sie ihrem Vater, dem Glücksforscher Dr. Herbert Laszlo.
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Gibt es „die eine” Definition für Glück?
Viele Menschen verwechseln Glück mit Glücksauslösern. Letztere gibt es so viele wie es Menschen und wie es Momente gibt. Für Glücksauslöser gibt es daher nicht „die eine” Definition. Glück selbst lässt sich definieren, zum Beispiel ist es ein individueller, dynamischer Prozess in uns. Wie die Natur selbst verändert er sich stetig und wir mit ihm.
Ist Glück „erlernbar”, also kann jeder etwas dafür tun?
Ja und nein. Gewisse Aspekte kann man üben, andere sind genetisch festgelegt. Anstatt sich gottergeben nur zu fügen und zu jammern, kann jeder jederzeit etwas tun, aber dazu müssen wir zuerst mehr über das Glück wissen und verstehen, wie es wirklich funktioniert und vor allem uns nicht vom Zwang zum Glück narrisch machen lassen. Viele Muster, auf die unser Glück reagiert, stammen aus den eigenen Stärken und Schwächen, auch genetischen Gegebenheiten und aus in der Kindheit gelegten Mustern, die oft verhaltensresistenter, als es uns lieb ist, sind.
Eine „Glückschraube”, an der wir aber drehen können, ist Resilienz. Sie beschreibt, wie schnell das innere Stehaufmännchen wieder aufsteht. Und das kann man trainieren. Denn Glück hängt eng damit zusammen, wie erfolgreich wir zu scheitern gelernt haben.
Seit wann beschäftigen sich Denker & Forscher mit dem Glück?
Seit Anbeginn streben wir nach dem Glück und beschäftigen uns damit. Glück ist die Antriebsfeder der Evolution und liegt im Herzen des Menschseins. Aber das Glück ist das Werkzeug der Schöpfung und nicht gedacht, dass es sich der Mensch zum Untertan macht und jederzeit beliebig erzwingen kann.
Welche Berufsgruppen sind es heute überwiegend, die das Glück zum Gegenstand ihrer Arbeit machen?
Menschen glücklich machen ist Teil fast jedes Berufes und jeder Interaktion. Daher sind Forschungsergebnisse für fast alle Menschen maßgeblich. Glücksforscher beschäftigen sich auf akademischem Niveau mit Lebensumständen, Belastungen und Optimalbelastungen auch im sozialen und im Ländervergleich. Ob es jetzt ein Staat ist, der seine Bürger optimal zu fordern versucht, oder auch ein Dienstleitungsbereich, wie zum Beispiel Eventorganisation, gibt es eine Glückskomponente.
Spezifische Berufsgruppen, die sich nur mit dem Glück beschäftigen, gibt es mehr denn je. Mit der überzogenen Jagd nach dem Glück wurden auch neue Berufe erfunden, die oft mit Anglizismen verbrämt wichtiger wirken wollen. Ein Beispiel dafür ist der Life-Coach, wo der „Lebensberater” nicht cool genug ist. Gefährlich ist dabei allerdings, dass, während es für ein Psychologiestudium und gar den psychiatrischen Bereich der Medizin eine Universitätsausbildung und viel Berufserfahrung benötigt, diese neuen Gruppen auch selbsternannt sein können.
Glücklich sein zu wollen ist wichtig und einfach menschlich, zum Zwang, auch in Form der Zwangsselbstverwirklichung, die durch soziale Vorgaben, dass ein „einfaches” Leben nicht mehr genügt um glücklich zu sein, dass jeder einen „Coach” braucht und sich „Weiterentwickeln” und „Verwirklichen” muss, sollte es jedoch nicht werden. Die Forderung an das Glück, das uns angeblich zusteht, ist mit Vorsicht zu genießen.
Inwiefern hat auch die Wirtschaft Interesse an „glücklichen Menschen/Arbeitnehmern“?
Hier muss man zwischen glücklichen Arbeitnehmern und Konsumenten unterscheiden. Denn die Arbeitnehmer sollen glücklich sein, damit sie gesund bleiben und möglichst effizient arbeiten, während die Konsumenten auf ihr „Unglück” hingewiesen werden, damit man sie wieder „glücklich” machen kann. So wie Glück ist auch dies ein Kreislauf, daher muss er nachhaltig gestaltet werden und wir müssen uns bewusst sein, dass er nicht das Gleiche ist wie Gesamtlebensglück oder philosophische Auffassungen von Glück.
Welche Ziele verfolgt Ihr Institut?
Als unabhängiges interdisziplinäres Forschungsinstitut ist das IFEG in vielen Bereichen tätig. Ziel ist es, sich flächendeckend mit der weltweiten Glücksforschung, mit besonderem Augenmerk auf die Europäische, zu befassen. Wir sind eine Anlaufstelle für Studenten, die sich mit der Glücksforschung befassen, fördern den wissenschaftlichen Austausch unserer Mitglieder und Fachleute und veranstalten unter anderem einmal im Jahr in Symposium.
Wird die Glücksforschung heute interdisziplinärer angegangen als früher?
Auf jeden Fall. Seit Anbeginn der Menschheit strebt der Mensch nach dem Glück und überlegt, wie er es mehren kann. Lange Zeit mehr fast nur in der Philosophie angesiedelt, entdecken nun viele Fächer die ubiquitäre Bedeutung des Glücks. Heute ist die Glücksforschung ein spannendes interdisziplinäres Fach.
Kann die Neurowissenschaft Glück tatsächlich messbar machen?
Das kommt darauf an, wie man Glück definiert. Oft wird es als abstrakte Sache beschrieben, die wohl mehr mit interpretierbaren Dingen wie Glückseligkeit oder Gesamtlebensglück besser bezeichnet wäre. Denn dafür ist immer das Konstrukt von Zukunft und Vergangenheit beeinflusst von moralischen Aspekten notwenig. Wissen tun wir allerdings nur, dass es den Moment gibt und in diesem spielt sich Glück auch ab. Und genau diesen Moment zeichnet die Neurowissenschaft präziser als andere Methoden auf.
Wie sonst wird Glück gemessen?
Es gibt in der Sozialwissenschaft weitere Methoden, die allerdings meist auf „Selbstbeobachtung” aufbauen. Das bedeutet, dass das Individuum selbst per Fragebogen, auch mehrmals täglich, gewisse Dinge aufzeichnet. Mit der Neurowissenschaft verglichen sind die Ergebnisse erstaunlich ähnlich. Dennoch müssen wir bedenken, dass es jedes Mal Störvariablen geben kann, wenn wir nicht direkt im Moment aufzeichnen, aber uns auf die Erinnerung verlassen müssen. Auch wenn es nur lautet: „Wie haben Sie sich auf einer Skala von eins bis zehn gerade gefühlt”, handelt es sich immer um die Vergangenheit, nicht um den Moment, den die Neurowissenschaft eindrucksvoll aufzeichnet.
Die Frage ist auch, warum wir immer messen müssen?
Messen, vielleicht um zu maximieren? Hierbei gilt es zu bedenken, dass die Glücksmaximierung eines der größten Feinde des Glücks ist, denn das Glück ist ein unendlicher Kreislauf, in dem wir offensichtlich nur im Kreis laufen können, wenn wir uns der Sucht nach immer mehr hingeben.
Sind Dänen glücklicher als Österreicher – gibt es tatsächlich „glücklichere Völker”?
Das kommt wieder darauf an, wie ich Glück messe. Es gibt aber definitiv Dinge, wie Demokratie, Selbstbestimmung, gemäßigte Sozialleistungen, Sicherheit und so weiter, die eine Bevölkerung besser belasten als andere Dinge, wie Korruption, Unsicherheit, Bürgerkrieg, fehlende Infrastruktur, Vereinsamung und so weiter. So gesehen gibt es definitiv glücklichere Völker. Im Fall von Österreich und Dänemark liegen die Werte nahe beieinander. Beide Länder haben eine sehr hohe Lebensqualität. Da das Glück aber auch von den individuellen Strukturen in unserem Gehirn abhängt, kann ein Österreicher in Österreich durchaus glücklicher sein, als wenn er jetzt zum Beispiel nach Dänemark zieht.
Die Frage ist jedoch, wie wichtig Glück zu nehmen ist. Gerade bei Ländervergleichen gehen die Forscher vom Wort Glück schon weg und verwenden andere Bezeichnungen für nachhaltigere, weniger extreme Zustände, wie Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden und dergleichen.
Leben glücklichere Menschen länger – welchen Einfluss hat Glück auf die Lebensqualität?
Das pauschal zu sagen und alle Menschen zum Glück zu zwingen, wäre falsch, außerdem lässt sich das Glück nicht zwingen. Was allerdings sicher ist, ist dass Stress nicht gesundheitsfördernd ist. Und da Glück, wenn wir verstehen, was es wirklich ist, eng mit Stress zusammenhängt, ist es eindeutig, dass die richtige Portion Stress, eben nicht zuviel und auch nicht zuwenig, über ein gesamtes Leben hinweg sicher gesundheitsfördernd ist.
Ein spannendes Gebiet in diesem Bereich ist das Zusammenspiel von Glücksforschung und Epigenetik, welche Gene, die wir in uns haben sich also durch äußere Einflusse, wie zum Beispiel Stress, einschalten und welche in ihrem „Dornröschenschlaf ” verbleiben.
Muss es nicht immer auch Unglücke geben, damit das Glück geschätzt wird – und kann man überhaupt dauerhaft glücklich sein?
Eigentlich ja, denn zum Glück gehört eben auch das Unglück dazu. Was wir wie richtig schätzen oder nicht schätzen, ist allerdings Einstellungssache, denn es bedingt einen reflexiven Vorgang im Gehirn, wir können also über uns nachdenken. Glück selbst ist aber im Moment und nicht etwas, worüber wir erst groß nachdenken müssen, ob wir glücklich sind oder nicht, eine Sache, die Glück auf jeden Fall definiert, ist, dass jeder weiß, wie es sich anfühlt.
»Das Glück von gestern ist der Normalzustand von morgen.«
Das Gehirn vergleicht und ohne Interpretation kommt uns, wenn wir Unglück erfahren haben, etwas, dass einem Menschen, der nie Unglück erfahren hat, wesentlich glücklicher machend vor. Auch wenn es sich um Dinge handelt, wie dass Sie nicht frieren müssen. Ist es Ihnen gerade bitterkalt? So kalt, dass die Buchstaben vor Ihren Augen verschwimmen?
Wenn Sie gerade in der warmen Stube sitzen, dann wird Ihnen dieser Luxus und das Glück der Wärme weniger bewusst sein, als wenn Sie ständig frieren müssen, da Sie obdachlos sind. Und sobald wir nicht mehr unsere innere Fünfjährige sind, sollten wir als Erwachsene die Sache soweit rationalisiert haben, dass wir Glück auch schätzen gelernt haben, ohne dass uns selbst entsetzliches Unglück widerfahren ist.
Insofern ist also Unglück nicht notwendig für das Glück. Kennen wir uns mit dem Glück allerdings nicht so aus und hat uns nie jemand etwas darüber erzählt, dann ist es leicht, nur dauernd Glück zu verlangen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Daher wehre ich mich ja auch so gegen die komplette Verblödung durch die dekadente Glückkultur, in der wir leben und in der ständig Glück gefordert wird. Wir müssen uns nicht absichtlich unglücklich machen, das tut das Leben leider schon von alleine, denn oft ist es eben kein Wunschkonzert.
Worum es im Leben geht, ist eben nicht nur das Glück, sondern um funktionierende Bewältigungsstrategien. Glücklich sein ist einfach, wenn alles rennt, aber wenn es einmal nicht so ist, wie es sein soll, dann zeigt sich das wahre Können, Unglück in Glück zu verwandeln. Ganz abgesehen davon ist es auch so, dass es ein Phänomen gibt, dass sich das Hamsterrad des Glücks nennt, dem wir nicht entkommen können. Denn der Mensch passt sich an und so ist das Glück von gestern der Normalzustand von morgen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 02/13 ab Seite 106.
Das Interview führte Dr. Petra Kreuter, Redaktion