Eine Frau sitzt im Bett und hält sich den Kopf, im vordergrund stehen noch halb gefüllte Wein- und Whiskygläser.
Wie viel ist zu viel? Sober Movement ist ein Angebot, das sich auch an Menschen richtet, die noch nicht als süchtig gelten. © Space_Cat / iStock / Getty Images Plus

Alkohol | Sobriety

„ICH BIN WIRKLICH FREI UND VON NICHTS UND NIEMANDEM ABHÄNGIG“

„Sober Movement“ heißt ein neuer Trend aus den USA, der „Nüchternheit“ bedeutet. Dieser propagiert ein Leben ganz ohne Alkohol, und zwar in einer Dimension, die über das Medizinische hinausgeht.

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Vlada Mättig, eine attraktive Mittdreißigerin, merkte lange nicht, wie problematisch ihr Alkoholkonsum war. Sie modelte, arbeitete als Au-Pair und in einer Wirtschaftskanzlei – und litt unter Angststörungen und Depressionen. Sie begann zu trinken. Irgendwann fasste sie den Beschluss, einen Entzug zu machen.

Nach einer Langzeittherapie konnte sie die Sucht hinter sich lassen – vermisste aber einen ganzheitlichen Ansatz, ein positives Modell dafür, was das Leben ohne Alkohol bedeutet. Sie sah sich um und fand in der britischen und amerikanischen Sobriety-Bewegung das, was sie an Impulsen brauchte. Zusammen mit ihrer Grundschulfreundin Katharina Vogt gründete sie ein Start-up, die Internet-Platform mesober.com; eine Online-Community, die sich dem Leben ohne Alkohol und Rauschmittel verschrieben hat. Die beiden Frauen bieten außerdem Sobriety-Mentoring an; ein Coaching, das den Aufhörwilligen die ersten zehn Wochen begleitet.

In der Suchthilfe gibt es noch zu wenige Angebote für Menschen, die zwar noch nicht abhängig sind, aber doch spüren, wie sie allmählich die Kontrolle über ihren Konsum verlieren.

„In der Suchthilfe gibt es noch zu wenige Angebote für Menschen, die zwar noch nicht abhängig sind, aber doch spüren, wie sie allmählich die Kontrolle über ihren Konsum verlieren. Wir hören oft von unseren Mentees, dass sie in Suchtberatungsstellen nicht ernst genommen werden. als wäre man erst ein Fall, wenn man wirklich schwer alkoholabhängig ist“, sagt Vogt.

Der Ansatz von me sober richtet sich explizit an Frauen. Mättig hatte nämlich bemerkt, dass sie in ihrer Entzugsklinik nahezu allein unter Männern war. „Bei Frauen ist die Scham über die eigene Abhängigkeit besonders groß“, sagt Mättig. Frauen trinken gern heimlich, denn die Gesellschaft toleriert sie weniger als trinkende Männer. Inspiriert wurde me sober auch von der amerikanischen Autorin Holly Whittacker, die mit ihrem Buch „Quit like a woman“ eine Diskussion über weibliche Alkoholabhängigkeit auslöste und die in den USA eine digitale Sobriety-School leitet, die sich ebenfalls hauptsächlich an ein weibliches Publikum richtet.

Ganz klar sagen die beiden deutschen Gründerinnen aber auch, dass sich Sobriety Mentoring nicht für Menschen eignet, die körperlich abhängig sind. „Es ist ein guter Weg für solche, die das Gefühl haben, Alkohol kommt ihnen in die Quere dabei, das Leben zu leben, das sie sich wünschen“, sagt Mättig. „Alkohol ist gesellschaftlich total integriert und jeder, der nicht trinkt, wird komisch beäugt.“ Und sie berichtet gern, wie sich ein Leben ohne Alkohol für sie anfühlt: „Diese permanente Klarheit macht es mir einfacher, mein Leben so zu gestalten, wie ich es will, und für meine Wünsche loszugehen. Ich bin wirklich frei und von nichts und niemandem abhängig. Und ich stehe zu mir. Das tat ich früher, als ich mich manchmal hinter dem Angetrunkensein versteckte, nicht.“

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quellen:

mesober.com


www.n-tv.de/leben/Eine-Bewegung-fuer-das-nuechterne-Leben-article21882736.html

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