Phytotherapie
ABSCHWELLEN UND LÖSEN
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Eines der ersten Symptome einer Erkältung ist die Rhinitis. Immunologisch betrachtet handelt es sich dabei um eine Entzündung der Nasenschleimhaut, die sich zu Anfang mit einer laufenden und später mit einer verstopften Nase bemerkbar macht. Die Entzündung beschränkt sich in der Mehrzahl der Fälle nicht auf die Nasenhaupthöhle, sondern geht auch auf die Schleimhäute der Nasennebenhöhlen über. Der Schnupfen hat sich dann zu einer Entzündung der Nasennebenhöhlen (Sinusitis) ausgeweitet, bei der die Schleimhäute anschwellen und sich die Verbindungen zwischen Nasenhaupt- und Nasennebenhöhle verschließen. Folglich kann das Sekret nicht mehr durch die Nase abfließen und die Nebenhöhlen werden nicht belüftet. Typische Symptome sind ein Druckgefühl oder pochender Schmerz über den Wangenknochen und in der Stirn, wobei sich die Beschwerden beim Bücken verstärken. Zudem ist die Nasenatmung behindert und der Geruchssinn gestört. Abhilfe verschaffen Sekretolytika, die zähes Sekret verflüssigen und abtransportieren.
Dabei werden Phytotherapeutika und Präparate mit chemischen Wirkstoffen als gleichwertig betrachtet. Sie sind in der Lage, zähen, festsitzenden Schleim effektiv zu lösen sowie entzündete Schleimhäute abschwellen zu lassen, sodass der Schleim wieder abfließen kann. Damit beugen sie Komplikationen wie der Entwicklung einer Sinusitis vor beziehungsweise öffnen bereits nicht mehr belüftete Nasennebenhöhlen wieder. Die moderne Phytotherapie setzt hauptsächlich Fertigarzneimittel auf Basis definierter Pflanzenextrakte ein.
Dabei haben sich sowohl Monopräparate (z. B. Eukalyptusöl, Cineol) sowie Kombinationen aus speziellen Destillationsgemischen (z. B. Destillat aus Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöl) oder aus verschiedenen Pflanzenextrakten (z. B. fixe Kombination aus Enzianwurzel, Eisenkraut, Holunderblüten, Sauerampferkraut und Schlüsselblumenblüten) bewährt.
Schlüsselblumen Nicht nur beim produktiven Husten, auch beim Schnupfen und einer Sinusitis macht man sich die sekretolytischen Eigenschaften der Schlüsselblumen Primula veris L. und Primula elatior L. aus der Familie der Primelgewächse (Primulaceae) zunutze. Die Triterpensaponine der Primelgewächse und die Flavonoide haben einen maßgeblichen Anteil an der sekretoly- tischen Wirkung. Vor allem die Blüten der Schlüsselblumen (Primulae flos cum calycibus) enthalten – im Gegensatz zu den Wurzeln (Primulae radix) – einen besonders hohen Anteil an Flavonoiden.
Diese verflüssigen dosisabhängig den Schleim, indem sie die Durchlässigkeit des wichtigsten Chloridionenkanals der Atemwegsschleimhaut verbessern. Dadurch strömen vermehrt Chlorid-Ionen und damit Wasser durch das Epithel, was eine Verflüssigung des zähen Sekrets nach sich zieht. Auf diese Weise kommt die mukuziliäre Clearance wieder in Gang und das Sekret kann abtransportiert werden. Zudem reduzieren die Flavonoide die Entzündungsreaktion über eine Hemmung der Prostaglandin-E2-Ausschüttung und haben obendrein noch antivirale sowie antibakterielle Effekte.
Tief durchatmen
Eukalyptusöl eignet sich auch als Zusatz für Inhalationen mit heißem Wasserdampf. Ebenso sind ätherische Öle von Kamille (Matricaria recutita L.), Thymian (Thymus vulgaris L.), Pfefferminze (Mentha x piperita L.) oder Latschenkiefer (Pinus mugo) empfehlenswert. Sie haben vor allem desinfizierende, entzündungshemmende sowie sekretolytische Eigenschaften und unterstützen die Befeuchtung im Nasen-Rachen-Raum. Einige Öle – wie Eukalyptus- oder Minzöl – stimulieren zudem die Kälterezeptoren der Nasenschleimhäute. Damit vermitteln sie ohne Abzuschwellen das subjektive Gefühl einer verbesserten Nasenluftpassage. Diesen Effekt machen sich auch Nasensprays mit einem Zusatz an ätherischen Ölen zunutze. Ein Inhalieren ohne heißes Wasser ist mit Ätherisch-Öl-Zubereitungen möglich, die auf die Brust aufgetragen oder auf Wäschestücke geträufelt werden.
Schwarzer Holunder Auch der Schwarze Holunder (Sambucus nigra L.) aus der Familie der Moschuskrautgewächse (Adoxaceae) wirkt sekretolytisch. Die schleimlösende Wirkung ist ebenfalls hauptsächlich auf Flavonoide zurückzuführen, die sich in seinen Blüten (Sambuci flos L.) finden. Der auch als Fliederbeerbusch, Holler oder Holder bekannte Strauch ist schon seit altersher bei Erkältungskrankheiten beliebt. Aber in Kombination mit anderen sekretolytisch und entzündungshemmenden Pflanzen kann er seine Wirkung besonders gut entfalten.
Eisenkraut Das ursprünglich im Mittelmeergebiet beheimatete Eisenkraut (Verbena officinalis L.) aus der Familie der Eisenkrautgewächse (Verbenaceae) ist Bestandteil von Kombinationspräparaten zur Behandlung akuter Entzündun- gen der Nasennebenhöhlen mit Schnupfen. Dabei beruht seine Verwendung auf seiner sekretolytischen, entzündungshemmenden und antimikrobiellen (antiviralen) Wirkung. Dafür sind mehrere Inhaltsstoffe verantwortlich. Flavonoide und Iridoide verfügen über eine sekretlösende und entzündungshemmende Wirkweise, Gerbstoffe wirken ebenfalls entzündungshemmend und Kaffeesäurederivate haben antimikrobielle Eigenschaften.
Sauerampferkraut Ebenso ist ein Trockenextrakt aus den getrockneten Blättern und oberen Stängelabschnitten des Sauerampferkrauts (Rumex species) aus der Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae) bewährter Kombinationspartner von Phytotherapeutika, die zähen, festsitzenden Schleim lösen und entzündete Schleimhäute in Nase und Nasennebenhöhlen zum Abschwellen bringen. Das volkstümlich auch als Salatampfer oder Sauerknöterich bezeichnete Knöterichgewächs vereint ebenfalls sekretolytische, entzündungshemmende und antimikrobielle (antibakterielle) Effekte.
Gelber Enzian Der arzneilich verwendete Teil des Gelben Enzians (Gentiana lutea L.) aus der Familie der Enziangewächse (Gentianaceae) ist seine Wurzel. Sie enthält hauptsächlich Bitterstoffe, auf die der geläufige Einsatz des Enziangewächses als Amarum zurückzuführen ist. Dank seiner antientzündlichen Eigenschaften hat sich Enzian in der Phytotherapie in Kombination mit vier weiteren Heilpflanzen auch zur Behandlung von Erkältungskrankheiten – insbesondere bei akuten und chronischen Entzündungen der Nasennebenhöhlen – bewährt.
Eukalyptus Die Blätter (Eucalypti folium) des australischen Eukalyptusbaums (Eukalyptus globulus) aus der Familie der Myrtengewächse (Myrtaceae) dienen der Gewinnung des ätherischen Öls (Eukalyptusöl). Eukalyptusöl ist ebenso wie die daraus isolierte Hauptkomponente 1,8-Cineol aufgrund schleimlösender, entzündungshemmender und antimikrobieller Effekte in Form definierter Extrakte Bestandteil zahlreicher Fertigarzneimittel zur Behandlung von Atemwegserkrankungen. Dabei haben sich neben Monopräparaten mit reinem Eukalyptusöl oder Cineol auch Kombinationen wie beispielsweise die aus einem Destillat aus Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöl bewährt.
Für das Kombinationspräparat konnte nachgewiesen werden, dass es die mukoziliäre Clearance in den Atemwegen steigert, indem es das zähe Sekret verflüssigt, den Zilienschlag anregt und die Drüsen stimuliert, erneut fließfähiges Sekret zu produzieren. Zusätzlich hemmt es die Entzündung und bekämpft die Krankheitserreger, sodass die Schleimhaut abschwellen und sich wieder regenerieren kann. Da sich die Schleimhaut der Bronchien nicht von der der oberen Atemwege unterscheidet, wirkt die Kombination nicht nur bei Husten und Bronchitis, sondern auch bei Rhinitis und Sinusitis.
Den Artikel finden Sie auch in unserem Sonderheft „Phytotherapie und alternative Heilmethoden“ ab Seite 24.
Gode Chlond, Apothekerin