Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Lactose, Fructose, Histamin, Gluten
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01. November 2022
Wenn es nach einer Mahlzeit immer wieder zu Völlegefühl, Blähungen, Bauchschmerzen oder Durchfall kommt, kann eine Nahrungsmittelunverträglichkeit dahinterstecken. Der Begriff Nahrungsmittelunverträglichkeit ist ein Oberbegriff für verschiedene durch Nahrungsmittel ausgelöste unerwünschte Reaktionen. Sie können immunologisch oder nicht-immunologisch hervorgerufen werden. Klassisches Beispiel für ersteres ist die eher in seltenen Fällen auftretende Nahrungsmittelallergie. Viel häufiger liegt eine Intoleranz vor, bei der das Immunsystem keine Rolle spielt.
Allergie – Aktivierung des Immunsystems Von einer echten Nahrungsmittelallergie sind nur etwa drei Prozent der Erwachsenen und sieben Prozent der Kinder betroffen. Hierbei kann der Körper alle Bestandteile der Nahrung verdauen und aufnehmen, doch einzelne Komponenten lassen das Immunsystem aus dem Ruder laufen. Meist handelt es sich um eine IgE-vermittelte Reaktion vom Sofort-Typ (Typ-1-Allergie). Dabei veranlassen eigentlich harmlose Nahrungsbestandteile den Organismus, Abwehrstoffe vom Immunglobulin-Typ E (IgE-Antikörper) zu produzieren.
Bei wiederholter Nahrungsmittelzufuhr wird eine Allergen-Antikörper-Reaktion in Gang gesetzt, bei der aus den Mastzellen entzündungsauslösende und allergievermittelnde Substanzen wie Histamin ausgeschüttet werden. Innerhalb weniger Minuten setzt die allergische Reaktion ein, die sich vielfältig manifestieren kann. Meist äußern sich Nahrungsmittelallergien mit Gaumenjucken, Schwellungen und Kribbeln in Mundhöhle und Rachenraum oder einem pelzigen Gefühl an Gaumen und Lippen.
Ebenso sind Hautauschläge sowie gastrointestinale Beschwerden typisch. In schweren Fällen treten Asthmaanfälle und Atemnot auf. Schlimmstenfalls kommt es zum anaphylaktischen Schock, der den gesamten Körper erfasst und lebensbedrohlich ist. Prinzipiell können geringste Mengen aller Lebensmittel allergen wirken. Zu den häufigsten Nahrungsmittelallergenen zählen unter anderem glutenhaltige Getreide, Krebs- und Weichtiere, Schalenfrüchte, Eier, Fisch, Milch, Sellerie, Erdnüsse, Senf, Sesamsamen und Soja.
Pollenallergiker entwickeln häufig eine Kreuzallergie, bei der das Immunsystem auf Eiweißstrukturen aus Nahrungsmitteln reagiert, die denen der allergisierenden Pollen ähneln. Kreuzreaktionen erfolgen häufig mit botanisch verwandten Obstsorten und Gewürzen. So vertragen Birkenpollenallergiker beispielsweise kein Kern- und Steinobst oder Nüsse und Allergiker auf Gräserpollen müssen sich vor Soja, Tomaten, Bananen und Erbsen hüten. Da ein Allergiker bereits auf Spuren der auslösenden Substanz reagiert, stellt für ihn die wichtigste Maßnahme dar, das Allergen konsequent zu meiden.
Gelangt es versehentlich doch in den Körper, sind Antihistaminika Mittel der ersten Wahl. Rechtzeitig eingenommen, helfen sie häufig, lebensbedrohliche Reaktionen des Immunsystems zu vermeiden. Der Allergiker sollte sicherheitshalber aber auch ein Notfallset mit sich führen, in dem noch ein Adrenalin-Pen und Glucocorticoide enthalten sind.
LERNZIELE
Lernen Sie in dieser von der Bundesapothekerkammer akkreditierten Fortbildung,
+ den Unterschied zwischen einer Nahrungsmittelallergie und einer Nahrungsmittelintoleranz kennen,
+ eine Zöliakie von einer Weizenallergie und Weizensensitivität abzugrenzen,
+ welche Substanzen häufige Auslöser einer Intoleranz sind,
+ welche Mechanismen bei den verschiedenen Intoleranzen eine Rolle spielen,
+ welche Lebensmittel bei den jeweiligen Intoleranzen zu meiden sind und
+ welche Therapieoptionen existieren.
Intoleranz – Unvollständige Nahrungsverwertung Einen viel größeren Teil aller Nahrungsmittelunverträglichkeiten machen die Nahrungsmittelintoleranzen aus. Etwa ein Drittel aller Deutschen leidet nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel an gastrointestinalen Beschwerden, die nicht-immunologisch bedingt sind. Im Gegensatz zur Allergie werden bei der Intoleranz alle Bestandteile der Nahrung vom Immunsystem toleriert. Allerdings kommt es durch Störungen im Dünndarm zu einer unvollständigen Nahrungsverwertung mit nachfolgenden Verdauungsbeschwerden.
Seltener sind Symptome außerhalb des Gastrointestinaltraktes, wie Kopfschmerzen, Schweißausbrüche oder Hautauschläge. Die einzelnen Pathomechanismen der jeweiligen Nahrungsmittelintoleranz unterscheiden sich. Entweder werden in der Nahrung enthaltene Kohlenhydrate aufgrund eines Enzymmangels nicht adäquat verdaut (Maldigestion), oder es liegt ein Transporterdefekt vor, sodass die Kohlenhydrate nur begrenzt im Dünndarm resorbiert werden (Malabsorption).
In beiden Fällen erreichen die Kohlenhydrate den Dickdarm, wo sie osmotisch wirksam sind und durch bakterielle Zersetzung Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall auslösen. Anders als Allergiker vertragen Personen, die an einer Intoleranz leiden, meist geringe Mengen der problematischen Substanz. Die häufigsten Übeltäter sind Lactose, Fructose und Histamin. Eine Unverträglichkeit von Gluten wird zwar im Allgemeinen zu den Intoleranzen gezählt, sie nimmt aber eine Sonderstellung ein.
Autoimmunkrankheit – Angriff auf körpereigene Strukturen Die Glutenintoleranz stellt keine typische Nahrungsmittelintoleranz dar. Ebenso wenig handelt es sich um eine typische Nahrungsmittelallergie. Zwar spielen immunologische Reaktionen eine Rolle, diese sind aber nicht wie bei einer klassischen Allergie IgE-, sondern IgA-vermittelt. Dabei induziert das Klebereiweiß aus Getreide infolge einer fehlgerichteten Immunantwort eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Dünndarmschleimhaut, die Zöliakie, Sprue, Glutenenteropathie oder glutensensitive Enteropathie bezeichnet wird.
Es bilden sich Antikörper, die sich gegen körpereigenes Gewebe im Darm richten. Folge sind Entzündungen der Darmzotten, die mit histologischen Veränderungen am Dünndarm einhergehen und ein Malabsorptionssyndrom auslösen. Aufgrund der autoimmunologischen Prozesse rechnet man die Zöliakie heute zu den Autoimmunkrankheiten.