Kopfschmerz & Migräne
PTA-Fortbildung

Gut beraten zu Kopfschmerz und Migräne

Stechen, Pulsieren oder Hämmern im Kopf – Kunden beschreiben ihre Schmerzen im Kopf ganz unterschiedlich. Kein Wunder, schließlich gibt mehr als 200 verschiedene Varianten. Informieren Sie sich hier über die Unterschiede, Hintergründe und Behandlungsoptionen.

22 Minuten

Medikamentöse Migräneprophylaxe

Wer an mehr als drei Migräneattacken im Monat leidet oder wenn diese regelmäßig länger als 72 Stunden andauern, für den kann eine medikamentöse Prophylaxe erwogen werden. Ebenso sehen die Leitlinien eine Migräneprophylaxe vor, wenn die Betroffenen nicht auf die empfohlenen Akuttherapeutika ansprechen, deren Nebenwirkungen nicht zu tolerieren sind oder das Risiko eines Medikamentenübergebrauchs besteht.

Ziel ist, die Häufigkeit, Schwere und Dauer der Migräneattacken zu reduzieren. Eine medikamentöse Prophylaxe gilt als wirksam, wenn eine Reduktion der Anfallshäufigkeit von mindestens 50 Prozent erreicht wird. Die Dauer der Therapie hängt von der Schwere der Migräne ab. In der Regel wird sie substanzabhängig sechs bis zwölf Monate lang durchgeführt. Die Indikation der Prophylaxe ist spätestens nach 24 Monaten zu überprüfen.

Als Substanzen mit hoher wissenschaftlicher Evidenz gelten die verschreibungspflichtigen Substanzen

  • Propranolol,
  • Bisoprolol,
  • Metoprolol,
  • Flunarizin,
  • Valproinsäure,
  • Topiramat sowie
  • Amitriptylin.

Bei chronischer Migräne wird auch der Einsatz von Botulinumtoxin (Onabotulinumtoxin A, (Rx)) empfohlen. Dafür muss es in Abständen von circa drei Monaten wiederholt injiziert werden, um einen anhaltenden und zunehmenden Effekt zu erzielen. Eine geringere wissenschaftliche Evidenz werden Opipramol (RX), Acetylsalicylsäure (100 bis 300 mg), Magnesium sowie der Kombination Magnesium plus Vitamin B2 plus Coenzym Q, Pestwurz sowie den verschreibungspflichtigen ACE-Hemmern (Lisinopril) und Sartanen (Candesartan) zugesprochen.

Monoklonale Antikörper

Vertragen die Anwender herkömmliche Optionen zur Migräneprophylaxe nicht oder sind diese unwirksam, kann der Arzt monoklonale Anti-CGRP(Calcitonin Gene-Related Peptide)-Antikörper verschreiben. Sie sind zugelassen zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat.

Erenumab war der erste Vertreter dieser seit 2018 verfügbaren neuen Wirkstoffklasse. Danach folgten Fremanezumab, Galcanezumab und als neuester Vertreter Eptinezumab. Erenumab bindet an den CGRP-Rezeptor und setzt somit die Konzentration des migräneauslösenden Botenstoffs CGRP herab. Die anderen drei neutralisieren den Botenstoff direkt.

Während die ersten drei Antikörper subkutan gegeben werden, wird der letzte und neueste Vertreter intravenös verabreicht. Damit lässt sich Eptinezumab zwar nicht per Fertigpen oder Fertigspritze vom Patienten selbst applizieren, er wirkt dafür aber besonders schnell. Bereits am Tag der Verabreichung setzt die Wirkung ein, während die anderen erst nach ein bis zwei Wochen eine Wirkung erzielen.

Eptinezumab wird alle drei Monate verabreicht, Erenumab alle vier Wochen, Fremanezumab monatlich oder vierteljährlich und Galcanezumab monatlich.

Neu: Gepante und Ditane

Die neueste Wirkstoffklasse sind die Gepante (Rx). Sie wirken ebenfalls am CGRP-Rezeptor, sind aber anders als die schon seit 2018 verfügbaren CGRP-Antikörper, die subkutan oder intravenös gegeben werden müssen, oral applizierbar. Rimegepant hat als Schmelztablette bereits seit 2022 eine europäische Zulassung sowohl zur Prophylaxe der Migräne als auch zur Akutbehandlung der Migräneattacke erhalten. Das Gepant wurde aber bislang noch nicht auf dem deutschen Markt eingeführt, ebenso wenig wie das 2023 in der EU zur Migräneprophylaxe zugelassene und als Tablette vorliegende Atogepant.

Ditane sind eine neue Wirkstoffklasse für die Akutbehandlung der Migräne mit und ohne Aura. Sie wirken als Agonisten am 5-HT1F-Rezeptor und führen somit zu einer Hemmung der neurogenen Entzündung. Da die Rezeptoraktivierung keine Blutgefäßverengung bedingt, können Ditane – anders als die Triptane – auch bei kardiovaskulären Risikopatienten eingesetzt werden.

Erster Vertreter ist Lasmiditan, das seit März 2023 auf dem deutschen Arzneimittelmarkt verfügbar ist und somit bereits vom Arzt verschrieben werden kann. Da das Ditan ZNS-Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindel hervorrufen kann, sollten Sie Ihre Kunden darauf hinweisen, nach der Einnahme jeder Lasmiditan-Dosis für mindestens acht Stunden kein Fahrzeug zu führen oder anderen Aktivitäten nachzugehen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern. Selbst, wenn sie sich dazu in der Lage fühlen.

Sowohl Rimegepant als auch Lasmiditan werden von den Leitlinien bereits für die medikamentöse Akuttherapie aufgeführt und als Option für Patienten empfohlen, bei denen Kontraindikationen gegen den Einsatz von Triptanen bestehen (Lasmiditan) beziehungsweise bei denen Analgetika oder Triptane nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden (Rimegepant).

Für Rimegepant wurde zudem eine Empfehlung für die Prophylaxe der episodischen Migräne ausgesprochen, wenn die klassischen Migräneprophylaktika nicht wirksam sind, nicht vertragen wurden oder wenn Kontraindikationen bestehen.

Nicht-medikamentöse Migräneprophylaxe

Eine medikamentöse Migräneprophylaxe sollte immer mit nicht-medikamentösen Methoden ergänzt werden. Darunter fallen vor allem

  • regelmäßiger aerober Ausdauersport sowie
  • psychologische Verfahren wie Edukation (Beratung und Aufklärung zur Diagnose, Pathomechanismen und Therapieoptionen),
  • Selbstbeobachtung,
  • Selbstmanagement,
  • Achtsamkeitsübungen,
  • Entspannungsverfahren (z. B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation, Atemtechniken, Hypnose),
  • Training sozialer Kompetenzen,
  • Biofeedback-Verfahren und die
  • kognitive Verhaltenstherapie.

Ebenfalls positiv bewerten Leitlinien die nicht-invasive Neurostimulation, bei der über Klebeelektroden im Stirnbereich eine externe transkutane Stimulation der Trigeminusnerven erfolgt. Zudem wird die Akupunktur als wirksam erachtet. Der Sinn spezieller Diäten (z. B. fettarm, zuckerarm) wird unterschiedlich bewertet. Als sinnvoll ist aber eine Umstellung der Ernährung zu erachten, bei der der identifizierte Trigger von Migräneattacken vermieden wird. In manchen Fällen lassen sich allein mit nicht-medikamentösen Verfahren gute Erfolge erzielen. Vor allem in der Schwangerschaft sind sie eine gute Alternative und sollten möglichst vorab schon praktiziert werden.

Spannungskopfschmerzen vorbeugen

Nicht-medikamentöse Prophylaxe-Verfahren haben auch bei der Vorbeugung von chronischen Spannungskopfschmerzen einen großen Stellenwert beziehungsweise sollten im Vordergrund der Therapie stehen. Empfohlen werden auch hier Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen und alternative Methoden.

Zudem zählen Stressbewältigungstraining und Verfahren zur Verhaltenstherapie ebenso wie regelmäßiges Ausdauertraining (zwei- bis dreimal die Woche, z. B. Joggen, Schwimmen, Radfahren) dazu. Darüber hinaus haben sich zur Vorbeugung von Spannungskopfschmerzen physikalische Maßnahmen (z. B. Training der Halswirbelsäulen- und Schultermuskulatur, Dehn- und Entspannungsübungen, Massage, manuelle Therapie, Biofeedback) und Akupunktur als effektiv erwiesen.

Bei Spannungskopfschmerzen mit chronischem Verlauf wird ebenso eine medikamentöse Prophylaxe durchgeführt, auch wenn es keine zugelassenen Medikamente dafür gibt. Als Mittel der Wahl gilt das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin, daneben kommen auch Doxepin, Imipramin oder Clomipramin zum Einsatz. Als Mittel der zweiten Wahl gelten Mirtazapin und Venlafaxin (alle Substanzen sind verschreibungspflichtig).


Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Hier finden Sie die PTA-Fortbildung der Ausgabe 01/2024 als PDF-Download.

×