Kombinierte Stoffwechselerkrankungen
PTA-Fortbildung

Das metabolische Syndrom

Auch als Wohlstandskrankheit bekannt, trifft das metabolische Syndrom mehr und mehr Menschen in den Industriestaaten. Gemeint ist eine Kombination aus Hypertonie, Hypertriglyceridämie, Insulinresistenz und Adipositas. Wie können Sie in der Apotheke zur Prävention beitragen und Betroffene begleiten?

17 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. September 2022

Was kann die Apotheke beitragen? Wer selbst einmal einige Pfunde mehr auf die Waage gebracht hat, weiß, wie schwierig es ist, diese wieder loszuwerden. Kluge Ratschläge verfehlen oftmals ihr Ziel und erzeugen Widerstand. Dennoch können Sie motivierend auf Kunden einwirken. In der Apotheke erleben die Menschen ein niederschwelliges Informationsangebot, unverbindlich und kompetent. Einige Apotheken bieten auch strukturierte Ernährungsprogramme an, die aus Informationsabenden und Einzelgesprächen bestehen.

Diese Angebote sind kostenpflichtig und können auf der Homepage beworben werden oder Interessierten in der persönlichen Ansprache vorgestellt werden: „Kennen Sie unsere Ernährungskurse? Haben Sie Interesse, dass ich Ihnen das Konzept einmal vorstelle?“. Sinnvoll ist es auch, als Apotheke mit Ernährungsberatern oder Diätassistenten zu kooperieren. Ratgeber zur gesunden Ernährung und Broschüren zur Gewichtsabnahme sollten in der Apotheke vorrätig sein und angeboten werden.

Arzneimittel gegen Adipositas Orlistat, Liraglutid und die Kombination Bupropion/Naltrexon sind zugelassene Wirkstoffe zur medikamentösen Behandlung von Übergewicht. Die Angriffspunkte sind sehr unterschiedlich. So hemmt Orlistat die Fettresorption aus dem Darm und Liraglutid – ein Antidiabetikum – reduziert das Hungergefühl und die Magenentleerung.

Bupropion, ein Antidepressivum, gilt als Appetitzügler. Werden solche Medikamente verordnet, können Sie zur Anwendung und Einnahme beraten. Insbesondere adipöse Diabetiker sollten auf die Einstellung des Diabetes durch einen Diabetologen hingewiesen werden. Diese werden Antidiabetika mit gewichtsreduzierender Wirkung, wie die GLP-1-Agonisten, leitliniengemäß bevorzugt verordnen.

Durchhaltevermögen Sich für eine umfassende Gewichtsabnahme mit Veränderung des gesamten Lebensstils zu entscheiden ist schwer, denn die Anstrengung und Disziplin zahlt sich nur langsam aus. Über Jahrzehnte praktizierte Lebensweisen zu verändern, bedeutet für die meisten Menschen vordergründig eine Verschlechterung der Lebensquaität. Die Motivation muss von dem Betroffenen selbst komen. Wie bei der Raucherentwöhnung geht es um eine bewusste Entscheidung. Die Motive sind bei jedem unterschiedlich, vielleicht ist es das äußere Erscheinungsbild, die Gesundheit oder ein Neuanfang bei sich selbst nach einer Trennung.

Es gilt, seinen Körper und seine Gesundheit selbst in den Griff zu bekommen und dazu den inneren Schweinehund zu besiegen. Um die Motivation aufrechtzuhalten, müssen erreichbare Ziele definiert und sich Belohnungen gegönnt werden, die nichts mit dem Essen zu tun haben. Die Programmierung des Belohnungssystems mit positiven Erlebnissen, die Spaß machen und zum Weitermachen anregen, ist sehr wichtig, um durchzuhalten. Wer 30 Kilogramm oder mehr verlieren möchte, braucht für die Gewichtsreduktion eine professionelle Begleitung.

Das können PTA und Apotheker nicht leisten. Aber sie können Ihre Kunden unterstützen und bestärken, weiterzumachen. Menschen mit metabolischem Syndrom kommen wegen ihrer Medikamente regelmäßig in die Apotheke und können so kontinuierlich angesprochen werden. Die Langzeiterfolge von Adipositas-Therapien sind leider begrenzt, zu oft beginnen Patienten restriktive Diäten (s. Seite 32), zu oft brechen die Patienten das Programm ab oder verfallen später wieder in alte Verhaltensmuster und nehmen wieder zu.

Abnehmwillige brauchen ein individuelles Konzept und langfristige Begleitung. Der Start gelingt gut, wenn die Betroffenen mehrere Wochen in einer Rehabilitationseinrichtung rund um Bewegung, Ernährung und Lebensstiländerung angeleitet werden. Wichtig ist es auch, die Familie oder den Lebenspartner in die Umsetzung der Lebensstiländerungen einzubeziehen. Zum Start sollten mit den Abnehmwilligen Ziele vereinbart werden. Diese sollten so gewählt sein, dass sie auch für den Patienten erreichbar sind.

Bei einem BMI zwischen 25 und 35 gilt es, eine Gewichtsabnahme um mindestens fünf Prozent, bei einem BMI über 35 von zehn Prozent innerhalb von sechs bis zwölf Monaten anzustreben. Die Motivation zu mehr Bewegung ist das A und O, denn Muskelaufbau bedeutet mehr Verbrauch an Glucose und Senkung der Blutzuckerspiegel. Bei der Auswahl der Sportarten ist auf die Vorlieben und sportlichen Möglichkeiten des Patienten Rücksicht zu nehmen.

Abnehmwillige brauchen ein individuelles Konzept und lang- fristige Begleitung.

Gegen den Jo-Jo-Effekt Abzunehmen ist schon eine riesige Herausforderung, das Gewicht dauerhaft zu halten noch eine größere. Sind die gesetzten Gewichtsziele erreicht, sollte der Betroffene weiterhin beim dauerhaften Gewichtsmanagement begleitet werden. Wird nach der Diät wieder mehr gegessen und sich weniger bewegt, dann droht der Jo-Jo-Effekt. Die alten Stoffwechselvorgänge bleiben bestehen und zielen auch nach der Gewichtsabnahme wieder auf erneute Zunahme.

Der Grundumsatz und der Energiebedarf sind nach der Abnahme deutlich niedriger und müssen in Form von Kalorienabbau mit Bewegung und niedriger Kalorienzufuhr berücksichtigt werden. Der Betroffene sollte sein Gewicht weiterhin überwachen und frühzeitig gegensteuern. Spätestens, wenn wieder zwei bis drei Kilogramm mehr auf der Waage erscheinen, sollten ein paar Fastentage eingelegt werden. Dazu eignen sich Eiweißgetränke, Salat und Gemüse.

Ein Tagebuch kann helfen, die Ernährung und Bewegung zu kontrollieren. Das ist auch hilfreich, um auslösende Situationen zu entdecken und über Verhaltensänderungen nachzudenken, zum Beispiel, wenn in Stresssituationen kalorienreich gegessen wird. Wenn nichts hilft Schlagen alle konservativen therapeutischen Maßnahmen zur Gewichtsabnahme fehl, dann kann eine operative Magenverkleinerung der letzte Ausweg sein.

Dabei wird der Magen beispielsweise mittels eines Magenbands operativ verkleinert. Solche Operationen sind aber nicht risikolos und sollten wirklich als letzte Maßnahme in Betracht gezogen werden. Sie müssen außerdem in einem Gesamtkonzept mit Bewegung und verhaltenstherapeutischen, diätetischen Maßnahmen eingebettet sein, sonst droht auch hier ein Jo-Jo-Effekt. Für sehr schwer adipöse Menschen sind die Erfolge auf diese Weise höher im Vergleich zu rein konservative Maßnahmen.

Hier finden Sie die komplette Fortbildung als PDF-Download.

Dr. Katja Renner, Apothekerin


Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.

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