Kombinierte Stoffwechselerkrankungen
PTA-Fortbildung

Das metabolische Syndrom

Auch als Wohlstandskrankheit bekannt, trifft das metabolische Syndrom mehr und mehr Menschen in den Industriestaaten. Gemeint ist eine Kombination aus Hypertonie, Hypertriglyceridämie, Insulinresistenz und Adipositas. Wie können Sie in der Apotheke zur Prävention beitragen und Betroffene begleiten?

17 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. September 2022

Ganzheitliches Therapiekonzept Die Behandlung des metabolischen Syndroms sollte so komplex aufgestellt werden wie die Krankheit selbst ist. Zum einen müssen die Erkrankungen Diabetes, Fettstoffwechselstörung und Hypertonie jeweils einzeln leitliniengerecht therapiert werden. Zum anderen besteht die große Herausforderung darin, mit Maßnahmen, die den gesamten Lebensstil betreffen, die Stoffwechsellage durch Gewichtsreduktion zu verbessern und Folgekomplikationen zu vermeiden oder zu verringern. Damit wird die Adipositas automatisch therapiert.

Angriff Glucosestoffwechsel Eine gute Einstellung des Glucosespiegels ist die Voraussetzung dafür, dass die mikro- und makrovaskulären Schädigungen begrenzt werden. Die neue nationale Versorgungsleitlinie berücksichtigt bei der Auswahl der Wirkstoffe sehr klar die individuellen Risikofaktoren der Patienten. Adipositas ist einer von diesen. So gilt Metformin generell als Wirkstoff der ersten Wahl für alle Patienten, die diese Substanz vertragen. Insbesondere für Patienten mit Übergewicht ist Metformin günstig, da es appetithemmend, lipidsenkend und damit auch gewichtsreduzierend wirkt.

Bewegung und Muskelaufbau des Patienten werden durch Metformin belohnt, weil sich die Effekte der Lebensstilveränderung und der Pharmakotherapie gegenseitig addieren. Mit den Glucagon-like-peptid-1-Rezeptoragonisten Liraglutid und Semaglutid lassen sich sehr gute Erfolge bezüglich der HbA1c-Kontrolle und der Gewichtsreduktion erzielen. Wie ist ihre gute Wirkung zu verstehen? Die Inkretine GLP-1 (Glucagon-like-peptide-1) und GIP (Glucagon-dependent insulinotropic polypeptide) werden bei Nahrungsaufnahme in der Darmschleimhaut ausgeschüttet.

Sie sorgen dafür, dass die Insulinproduktion und die Insulinfreisetzung aus den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse erfolgt. Dieser Effekt ist von der Glucosekonzentration im Blut abhängig. Neben der Wirkung auf die Insulinfreisetzung hemmt GLP-1 die Magenentleerung und die Glucagonausschüttung. Auf diese Art und Weise wird das Hungergefühl gedämpft. Neben GLP-1-Agonisten sind auch DPP-4-Inhibitoren, wie Sitagliptin für übergewichtige Diabetiker Typ 2 eine wichtige Therapiesäule.

Weitere Antidiabetika mit einem Zusatznutzen sind die SGLT-2- Hemmer Empagliflozin und Dapagliflozin. Ihre Wirkung beruht auf einer vermehrten renalen Glucoseausscheidung ohne direkten Einfluss auf den Insulinspiegel. Bei gesunden Menschen werden nahezu zehn Prozent der Glucose im Blut über einen natriumabhängigen SGLT-1- und etwa 90 Prozent über einen natriumabhängigen SGLT-2-Transporter im proximalen Tubulus rückresorbiert. Durch Hemmung dieses Mechanismus an SGLT-2 wird vermehrt Glucose über den Harn ausgeschieden.

Dies bewirkt eine stärkere Flüssigkeitsausscheidung und einen Verlust von Energieträgern, der die Gewichtsabnahme fördern kann. Menschen mit metabolischem Syndrom profitieren bezüglich ihrer Glucose-, Blutdruck- und Gewichtswerte. Mittlerweile gelten diese neuen Wirkstoffe auch als feste Partner in der Therapie der Herzinsuffizienz, weil sie kardiovaskuläre Risiken senken.

Fettwerte im Griff Medikamentös werden Fettstoffwechselstörungen standardmäßig zunächst mit Statinen therapiert. Diese hemmen die HMG-CoA-Reduktase und damit die Bildung des körpereigenen Cholesterols. Insbesondere die Vertreter Rosuvastatin und Atorvastatin senken erfolgreich die LDL-Werte. Entsprechend des persönlichen Risikoprofils definiert der Arzt die zu erreichenden Zielwerte, sodass die Dosierung des jeweiligen Wirkstoffs in Abhängigkeit von der Verträglichkeit bestimmt wird.

Wenn die Zielwerte mit der maximalen Statindosis nicht erreicht werden, ist eine Kombinationstherapie mit Ezetimib, einem Cholesterol-Resorptionshemmer, die nächste Therapieoption. Wird der LDL-Zielwert auch mit einer Zweierkombination noch nicht erreicht, sieht die Leitlinie die Hinzunahme eines dritten Wirkstoffs vor, zum Beispiel eines Antikörpers gegen das Enzym Proproteinkonvertase Subtilisin/Keksin, um die LDL-Rezeptoraktivität zu steigern. Beispiele für die PC-SK9-Hemmer sind Alirocumab und Evolocumab. Parallel zur medikamentösen Therapie ist die Ernährungsumstellung das A und O.

Blutdruckkontrolle Patienten mit metabolischem Syndrom erhalten zur Blutdrucksenkung in der Regel eine Kombination mehrerer Antihypertonika. Welche Arzneistoffe miteinander kombiniert werden, hängt von der individuellen Situation des Patienten und möglichen Komorbiditäten ab. Bei Patienten mit Diabetes mellitus sind ACE-Hemmer oder Sartane leitliniengemäß auf jeden Fall angezeigt.

Weitere Wirkstoffgruppen sind Betablocker, Calciumkanalblocker und Diuretika. Diabetiker profitieren bezüglich der Glucosestoffwechsellage von ACE-Hemmern, Sartanen und Calciumkanalblockern. Ziel sollte sein, mit einer guten Einstellung die gewünschten Blutdruckzielwerte zu erreichen, nämlich systolisch unter 130 mmHg und diastolisch unter 85 mmHg.

Täglich moderates oder dreimal wöchentlich intensives Training unterstützt die Gewichtsabnahme.

Wie viel Bewegung? Der Nutzen von Bewegung auf Wohlbefinden und Gesundheit ist unstrittig. Körperliche Aktivität ist die beste Medizin – und zusätzlich noch kostenlos! Ernährungsmediziner betonen, dass Bewegung und Sport einen rundum positiven Einfluss auf den Körper haben. Die Insulinempfindlichkeit der Körperzellen erhöht sich, Glucose im Blut kann viel besser verwertet werden und eine Gewichtsabnahme von bereits fünf Prozent senkt den Blutdruck und das kardiovaskuläre Risiko.

Bewegung zeigt also eine optimale Wirkung, die zur Bekämpfung des metabolischen Syndroms gewünscht wird. Klar ist, dass mehr Bewegung wichtig ist für die Gewichtsabnahme. Doch was ist damit gemeint und was soll dem Kunden geraten werden? Die WHO empfiehlt Erwachsenen pro Woche eine Mindestaktivitätszeit von zweieinhalb Stunden in mäßig anstrengender Intensität, bei sehr anstrengender Aktivität werden 75 Minuten empfohlen.

Die jeweilige Aktivitätszeit sollte dabei mindestens 10 Minuten am Stück andauern. Obwohl etwa ein Drittel der Menschen in Deutschland in Befragungen angibt, auf ausreichende körperliche Aktivität zu achten, und ein Viertel sagt, mindestens zwei Stunden in der Woche Sport zu treiben, erreicht etwa 75 Prozent der Bevölkerung das WHO-Ziel nicht. Daher gibt es Bestrebungen von öffentlichen Gesundheitsinstitutionen, die regelmäßige Bewegung im Alltag zu fördern.

Um Gewicht zu verlieren, ist mehr Aktivität und Kalorienverbrauch nötig. Sportwissenschaftler empfehlen täglich 10 000 Schritte oder dreimal pro Woche ein intensives sportliches Training. Besonders vorteilhaft ist eine Kombination von Kraft- und Ausdauersport. Doch wer sich neu für mehr Bewegung entscheidet, sollte erstmal langsam beginnen und sich nicht überfordern.

Menschen mit Adipositas und metabolischem Syndrom sollten ihr Sportprogramm mit dem Arzt abstimmen und die Vitalparameter regelmäßig überprüfen lassen. Außerdem sollte bei übergewichtigen Sportlern auf gelenkschonende Aktivitäten geachtet werden, zum Beispiel Walken, Radfahren oder Schwimmen. Wer abnehmen will, sollte wissen, dass der Kalorienverbrauch beim Sport nicht mit mehr Nahrungszufuhr „belohnt“ werden sollte.

Ernährungsumstellung Abnehmen funktioniert nur über eine negative Energiebilanz und Steigerung der Fettverbrennung. Eine Reduktionskost sollte deshalb die sportliche Aktivität begleiten. Um abzunehmen, sollte diejenige Person pro Tag etwa 500 bis 600 Kalorien weniger aufnehmen als gewohnt, maximal 1800 Kilokalorien am Tag. Damit ist ein langsamer Gewichtsverlust von etwa 0,5 Kilogramm pro Woche zu erreichen.

Empfehlen Sie Ihren Kunden eine kalorienreduzierte Mischkost. Radikaldiäten verschaffen zwar kurzfristige Erfolge, begünstigen aber den sogenannten Jo-Jo-Effekt. Perspektivisch lernen die Abnehmwilligen auf diese Weise, wie auch die spätere Ernährung aussehen sollte. So sollten viel Obst und Gemüse, vollwertige Kohlenhydrate, wenig tierische Fette, mehr pflanzliche Öle und Fisch auf den Speiseplan.

Zuckerhaltige Getränke sollten vermieden werden und Wasser das Hauptgetränk sein. Auch kleine Snacks zwischen den Mahlzeiten sind auszulassen. Am besten sind drei feste Mahlzeiten am Tag. Wichtig ist, dass bei dieser Ernährung möglichst viele Mahlzeiten enthalten sind, die auch die persönlichen Geschmacksvorlieben bedienen und gerne gegessen werden. Ab und an einmal ein Stück Schokolade oder andere Genussmittel in Maßen sind erlaubt, denn die Person soll lernen seinen Speiseplan flexibel und klug zu variieren.

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