Ängste und Depressionen verstehen und behandeln
21 Minuten
- 1Depression: Definition
- 2Depression: Ursachen
- 3Antidepressiva
- 4Angststörungen
- 5Angststörungen behandeln
- 6Lernerfolgskontrolle
01. Januar 2024
Leitlinie vorhanden
Für die Diagnostik und Behandlung der unterschiedlichen Formen der Angststörung existiert eine im Jahre 2021 aktualisierte Leitlinie. Die medikamentöse Therapiestrategie ähnelt der Pharmakotherapie bei der Depression. Auch bei den Angststörungen kommen vor allem SSRI und SNRI zum Einsatz, wobei die Auswahl der einzelnen Wirkstoffe bei den unterschiedlichen Formen variiert. Darüber hinaus können bei den einzelnen Angststörungen noch weitere Substanzklassen Verwendung finden (z. B. Calciummodulatoren).
Lavendel bei Angststörungen
Der Arzneilavendel ist eine pflanzliche Alternative bei ängstlichen Verstimmungen. Er enthält ein ätherisches Öl mit den Hauptkomponenten Linalool und Linalylacetat. Es ist Untersuchungen zufolge in der Lage, spannungsabhängige Calciumkanäle in angststeuernden Hirnregionen zu modulieren. Damit geht eine geringere Ausschüttung an erregenden Botenstoffen und folglich eine anxiolytische Wirkung einher. Über 15 Studien mit insgesamt mehr als 2500 Probanden bestätigen die Wirksamkeit eines speziellen Lavendel-Präparates mit dem Wirkstoff Silexan®.
Es war in den klinischen Studien so gut anxiolytisch wirksam wie 0,5 mg Lorazepam oder 20 mg Paroxetin – und das ohne Hangover-Effekte, da der pflanzliche Wirkstoff nicht sedierend wirkt. Die angstlösende Wirkung konnte auch in einer Meta-Analyse belegt werden, die auf die therapeutische Wirkung des pflanzlichen Arzneimittels bei innerer Unruhe und Angstgefühlen fokussierte.
Ebenso wie die NVL zur Unipolaren Depression gibt auch die Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen eine starke Empfehlung für eine Psychotherapie, wobei die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) Mittel der Wahl ist.
Die Leitlinie hebt hervor, dass eine Psychotherapie dem Patienten mit einer Angststörung allein oder in Kombination mit der Pharmakotherapie angeboten werden soll, wobei die Präferenz des Patienten zu berücksichtigen ist. Auch weist sie darauf hin, dass bei der Wahl der Behandlungsform entstehende Kosten, der Zeitaufwand sowie Wartezeiten eine Rolle spielen können.
Den Autoren ist bewusst, dass es unter Umständen sehr lange dauert, bis die Patienten einen Therapieplatz erhalten. Eine Pharmakotherapie ist hingegen sofort verfügbar, ebenso wie Online-Programme, die daher von der Leitlinie neu aufgenommen wurden. Zudem sieht sie die Möglichkeit für eine virtuelle Expositionstherapie vor.
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) bei Angststörungen
Hierfür finden sich im DiGA-Verzeichnis folgende dauerhaft aufgenommene Apps: „HelloBetter Panik“, „Invirto – Die Therapie gegen Angst“, „Mindable: Panikstörung und Agoraphobie“, „Selfapys Online-Kurs bei Generalisierter Angststörung“ und „Velibra“. Vorläufig ist zunächst „Novego: Ängste überwinden“ dabei.
Frei von Furcht
Angststörungen sollten möglichst schnell diagnostiziert und therapiert werden. Je früher, umso besser, da sie unbehandelt zur Chronifizierung neigen. Eine überwältigende Furcht ist aber kein unweigerliches Schicksal, das zwangsläufig lebenslang anhält.
Angst entwickelt sich als Prozess und wird durch bestimmte negative Erfahrungen beziehungsweise Schlüsselerlebnisse erlernt. Dieser Vorgang ist umkehrbar. Angst kann ebenso wieder verlernt werden. Hier setzen psychotherapeutischen Verfahren an, mithilfe derer sich der Betroffene seinen Ängsten stellt und lernt, dass die angstbesessene Situation ungefährlich ist und er ihr mit adäquaten Bewältigungsstrategien begegnen kann.
Medikamentöse Therapiestrategien
Bei der Panikstörung/Agoraphobie sind die SSRI Citalopram, Escitalopram, Paroxetin und Sertalin sowie das SNRI Venlafaxin Mittel der Wahl. Sind diese Substanzen nicht wirksam oder werden sie nicht vertragen, wird das TZA Clomipramin eingesetzt.
Patienten mit einer generalisierten Angststörung sollen die SSRI Escitalopram und Paroxetin erhalten. Als SNRI kommen Duloxetin und Venlafaxin in Frage. Zudem ist der Calciummodulator Pregabalin eine Alternative. Zeigen diese Therapieoptionen keinen Erfolg oder gehen mit Unverträglichkeiten einher, können die Anxiolytika Opipramol oder Buspiron zur Anwendung kommen.
Zur Behandlung der sozialen Phobie werden die SSRI Escitalopram, Paroxetin und Sertalin sowie das SNRI Venlafaxin empfohlen. Alternativ bei Nichtansprechen oder Unverträglichkeiten soll der MAO-Hemmer Moclobemid angeboten werden.
Der Einsatz von Benzodiazepinen wird bei allen drei Formen der Angststörung nicht empfohlen, er wird lediglich in begründeten Ausnahmefällen akzeptiert. Zur Behandlung einer spezifischen Phobie empfiehlt die Leitlinie keine Medikamente, da hier für eine Pharmakotherapie keine Wirksamkeitsempfehlungen vorliegen.
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.
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