Schüssler Salze
ZWÖLF MÜSSEN ES SEIN
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Seine Therapie sollte sanft sein wie die Homöopathie, doch weniger kompliziert in der Anwendung. Der Oldenburger Mediziner vertrat die Annahme, dass Krankheiten zu einem großen Teil durch einen gestörten Mineralstoffhaushalt entstehen und ein entsprechendes Defizit einen gravierenden Effekt auf den gesamten Organismus besitzt. Er ging weiterhin davon aus, dass pathogene Reize die Aktivität der Zellen ankurbeln, da diese versuchen, die Störfaktoren abzuwehren. Dabei würden sie einen Teil ihrer mineralischen Funktionsmittel verlieren und selbst einen pathogenen Zustand annehmen.
Durch den Ausgleich eines Mangels wollte Schüßler Krankheiten therapieren. Im Rahmen seiner Forschungen entdeckte er den Zusammenhang zwischen einem unzureichenden Vorliegen diverser Mineralstoffe und verschiedenen Erkrankungen. Er bestimmte zwölf Grundsubstanzen, die so genannten Funktionsmittel. Diese Mineralsalze haben einen entscheidenden Einfluss auf verschiedene Organe und Stoffwechselvorgänge. Viele akute und chronische Leiden können durch deren Substitution erfolgreich bekämpft werden.
Um die Zellen wieder aufzufüllen, sei laut Schüßler eine Potenzierung notwendig. Die so gewonnenen, feinstofflichen Mineralien gelangen in dieser Form sofort in das Innere der Zellen, also dorthin, wo der Organismus sie benötigt. Versorgungslücken, die extrazellulär bestehen, seien nach Ansicht des Arztes durch eine nährstoffreiche Nahrungszufuhr auszugleichen.
Antlitzanalyse Das Fehlen von Mineralstoffen wird nach Dr. Schüßler durch charakteristische Zeichen im Gesicht diagnostiziert. Diese so genannte Anlitzanalyse wurde von Schüßler selbst entwickelt und vom deutschen Mediziner Dr. Kurt Hickethier ausgebaut. Letzterer bezeichnete das Vorgehen als Sonnenschau.
Die typischen, optischen Merkmale zeigen sich lange bevor ein Defizit im Blut auftaucht. Geübte Beobachter sind in der Lage, im akuten Krankheitsgeschehen einen Wechsel der spezifischen Symptome festzustellen. So kann sich eine Verknappung des Ferrum phosphoricums durch eine dunklere, blaue bis schwarze Färbung an den inneren Augenwinkeln äußern. Nach eigenen Angaben konnte Hickethier dann die Rückbildung der Veränderungen bei der Einnahme des entsprechenden Mineralstoffs verfolgen.
Unterschied zur Homöopathie Oft setzen Kunden die Biochemie nach Dr. Schüßler und die Lehre Hahnemanns gleich. Dies ist jedoch ein Fehlschluss: Schüßler hat die zwölf Mineralsalze zwar, wie in der Homöopathie, stark verdünnt, dennoch heben sich die Substanzen von den klassisch homöopathischen Mitteln ab. Zugegeben – die identischen lateinischen Bezeichnungen und ihre Potenzen deuten auf eine Äquivalenz der Heilverfahren hin.
Lehrsätze Schüßlers
Der Oldenburger Arzt veröffentlichte seine Erkenntnisse über die Biochemie und erzielte damit zu damaligen Zeiten beträchtliche Aufmerksamkeit. Seine erste Regel lautet, dass alle Krankheiten durch einen Mangel an bestimmten essenziellen Mineralstoffen entstehen. Zweitens wird durch die Zufuhr der fehlenden Substanzen das Defizit im Mineralhaushalt der Zellen beseitigt, wodurch Heilung eintritt.
Des Weiteren darf der Ausgleich nur in geringen Dosen erfolgen. Der vierte Lehrsatz besagt, dass die Mittel verdünnt werden, damit der Übertritt der Mineralstoffe durch die Schleimhäute der Mundhöhle, des Schlundes und der Speiseröhre direkt ins Blut erfolgen kann.
Doch im Gegensatz zu Samuel Hahnemann, der Ähnliches mit Ähnlichem heilte, behandelte Dr. Schüßler Körperzellen mit Mineralstoffen, damit die Organe des Menschen einwandfrei arbeiteten. Er selbst betonte, dass sein Verfahren keine homöopathische Prozedur sei, da es das Simileprinzip nicht einbeziehe.
Eine weitere Abgrenzung zu Hahnemanns Prinzip besteht darin, dass die Potenzen in der Biochemie eine andere Bedeutung als in der Homöopathie aufweisen. Für wasserlösliche Ausgangssubstanzen sollte man laut Schüßler „D6“ verwenden. Wasserunlöslichen Verbindungen wird die Potenz D12 zugeordnet. Folglich gibt es Schüßler-Salze nur in den Potenzen D6 und D12, selten in D3.
Auch die Einnahmeempfehlungen beider Richtungen differieren. Koffeinhaltige Getränke, Gewürze oder ätherische Öle beeinträchtigen die Wirkung der Schüßler Salze nicht (anders als bei Homöopathika).
Weisen Sie Ihre Kunden auf die unterschiedliche Dauer der Anwendung hin: Bei biochemischen Funktionsmitteln empfiehlt sich eine Substitution über die Beschwerdefreiheit hinaus. Dadurch werden die Mineralstoffspeicher ausreichend aufgefüllt. Die Verabreichung homöopathischer Arzneimittel hingegen erfolgt nur solange, bis die Symptome nachlassen. Zumindest der rechtliche Status der beiden Gebiete erweist sich als identisch: Die Wirksamkeit der Methoden ist nicht nachgewiesen und ihre Annahmen sind wissenschaftlich nicht anerkannt. Es gelten die Herstellungsvorschriften des HAB.
Zwölf Mineralsalze Jedes Salz erfüllt eine bestimmte Aufgabe im Organismus und hat einen unterstützenden Effekt auf bestimmte Prozesse. Im Folgenden werden Ihnen die einzelnen Verbindungen vorgestellt:
Nr. 1 Calcium fluoratum Der Körper braucht dieses Mineral, um das Bindegewebe fest und gleichzeitig elastisch zu halten. Es hat daher eine Bedeutung für die Haut und die Gelenke. Calcium fluoratum hilft zum Beispiel bei Verhärtungen wie Narben oder Hornhaut, bei Besenreisern sowie beginnenden Krampfadern.
Nr. 2 Calcium phosphoricum Phosphate dienen als wichtige Energielieferanten. Daher gilt der „phosphorsaure Kalk“ als Aufbau- und Wachstumsmittel. Die Verbindung beeinflusst die Blutbildung und die Zellteilung. Nach langen Krankheitsphasen unterstützt sie den Genesungsprozess und eignet sich ferner für Patienten, die unter andauernder Müdigkeit leiden. Desweiteren profitieren die Zähne und Knochen von einer Einnahme.
Nr. 3 Ferrum phosphoricum Das Akutmittel kann bei Entzündungen und Fieber verabreicht werden. Es wird auch als „Salz des Immunsystems“ bezeichnet und hat besonders in der Erkältungszeit einen hohen Stellenwert. Weil es im Gehirn und in der Muskulatur den Stoffwechsel fördert, lindert es Konzentrationsprobleme, Kopf- und Muskelschmerzen.
Nr. 4 Kalium chloratum Hierbei handelt es sich um ein Mukosamittel. Man setzt es bei akuten Haut- und Schleimhautentzündungen ein. Zu den Indikationen zählen Otitis media, Verletzungen jeglicher Art,Tubenkatarrh, Augenentzündungen, Bronchitis, Warzen und auch chronische Entzündungen von Sehnen und Schleimbeutel.
Üblicherweise werden ein bis zwei Tabletten täglich eingenommen
Nr. 5 Kalium phosphoricum Dieses biochemische Salz hat eine Funktion für Nerven und Psyche. Es kann Erschöpfungszustände, leichte depressive Verstimmungen, Gereiztheit und Nervosität regulieren. Der Organismus tankt Energie, daher erzielt man besonders bei Menschen mit Antriebsschwäche Vorteile.
Nr. 6 Kalium sulfuricum Wenn mit den Salzen drei und vier keine ausreichende Entzündungsreduktion erreicht wurde, kann man auf Kaliumsulfat zurückgreifen. Es ist an wesentlichen Neubildungs- und Regenerationsprozessen beteiligt. Durch seine entschlackende Aktivität sorgt es dafür, dass Entzündungsprodukte rasch ausgeschieden werden. Die Anwendung ist unter anderem bei folgenden Fällen vielversprechend: Erschöpfung, chronische Entzündungsanzeichen, Kehlkopfkatarrh, Zahn- und Kopfschmerzen, chronische Formen von Blasenentzündungen, Sinusitis, Bronchitis, Schnupfen sowie Magen-und Darmschleimhautentzündungen.
Nr. 7 Magnesium phosphoricum Das Funktionsmittel ist für Muskeln und Nerven von großer Bedeutung. Es entspannt und hilft daher bei krampfartigen Leiden. Bekannt ist die so genannte „heiße Sieben“. Dabei werden zehn Tabletten in 0,2 Liter heißem, abgekochtem Wasser aufgelöst. Der Einsatz empfiehlt sich besonders bei akuten Problemen. Durch Magnesiumphosphat lassen sich nachstehende Beschwerden abdecken: Krämpfe, Zuckungen, Konzentrations- und Sehstörungen, Neuralgien, Schmerzen, Muskelverspannungen, Migräne, Nervosität oder Aufregung.
Nr. 8 Natrium chloratum Dieses Salz reguliert den Wasserhaushalt. Es gleicht sowohl einen Überschuss als auch ein Defizit an Flüssigkeit aus. Schüßler bezeichnete Natriumchlorid als Salz für das Schleimgewebe. Es bezieht sich auf Bereiche, die feuchtigkeitsabhängig arbeiten (Verdauungstrakt, Speicheldrüsen, Tränendrüsen, Belegdrüsen im Magen). Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz bei Problemen infolge von Gelenkverschleiß.
Nr. 9 Natrium phosphoricum Die biochemische Verbindung nennt man auch „Salz des Stoffwechsels“. Sie hält den Säure-Base-Haushalt im Gleichgewicht. Da sie alkalisch ist, werden überschüssige Säuren abgefangen. Anwendungsgebiete der Nummer 9 sind säurebedingte Beschwerden wie Reiseübelkeit, Sodbrennen, fettige Haut und Haare, Akne, Gicht und Muskelkater.
Nr. 10 Natrium sulfuricum Glaubersalz hat in der Biochemie die Aufgabe eines Entschlackungsmittels. Es aktiviert die Darmausscheidung, befreit den Organismus von „Schlackenstoffen“ und entzieht dem Körper überflüssiges Wasser. Daher lassen sich damit zum Beispiel Magen-Darmerkrankungen oder Ödeme behandeln. Auch bei Akne, nässenden Hauterkrankungen, bestimmten rheumatischen Beschwerden, Feigwarzen, Adipositas, grippalen Infekten, Bronchitis oder Bronchialasthma ist es angezeigt.
»Um das Auffüllen der Speicher zu gewährleisten, sollen die Präparate über den Beschwerdezeitraum hinaus noch etwas weiter verwendet werden.«
Nr. 11 Silicea Das elfte Schüßler Salz ist ein Schönheitsmittel. Es wird bei Wachstumsschwierigkeiten von Haaren und Nägeln eingesetzt. Die Kieselsäure verleiht dem Bindegewebe Festigkeit und Elastizität. Darüber hinaus hat sie einen positiven Einfluss auf Knochen und Gelenke. Silicea hilft bei übermäßiger Faltenbildung, Cellulite, brüchigen Fingernägeln, Haarausfall, Bindegewebsschwäche und Schwangerschaftsstreifen.
Nr. 12 Calcium sulfuricum Bei Gelenkschmerzen, die aus einem Verschleiß resultieren, kann Kalziumsulfat genutzt werden. Es ist am Aufbau des Knorpelgewebes beteiligt. Auch Leber und Galle lassen sich durch das Salz stärken. Zudem ist es in der Lage, eitrige Prozesse zu lindern. Das Funktionsmittel regt Entgiftungsorgane an und ist daher wichtig für den Stoffwechsel.
Dr. Schüßler hatte den Einsatzbereich der Nummer 12 mehrmals verändert und das Salz schließlich aus der Reihe eliminiert.
Ergänzungsmittel Verschiedene Anhänger der Biochemie führten nach Schüßlers Tod Erweiterungen der zwölf Hauptmittel ein. Sie sind das Ergebnis zusätzlicher Forschungen aus dem beginnenden 20. Jahrhundert. Werden mit der Behandlung der Basissubstanzen nicht die gewünschten Erfolge erzielt, sollte zusätzlich ein Ergänzungssalz Verwendung finden. Dazu gehören:
- Nr. 13 Kalium arsenicosum (bei Hautleiden, Krämpfen, Lähmungen, Magen-Darm-Entzündungen, Schwäche und Nervenstörungen)
- Nr. 14 Kalium bromatum (wirkt auf Nervensystem, Drüsen und Haut; Einsatz bei Schlafstörungen und als Beruhigungsmittel)
- Nr. 15 Kalium jodatum (bei Schilddrüsenstörungen und Bluthochdruck, zur Förderung der Konzentrationsfähigkeit)
- Nr. 16 Lithium chloratum (bei rheumatischen Beschwerden, Herzproblemen, Gicht, Leiden der Nieren und der ableitenden Harnwege)
- Nr. 17 Manganum sulfuricum (Einfluss auf die Eisenversorgung, bei Allergien und chronischen Entzündungen)
- Nr. 18 Calcium sulfuratum (bei Erschöpfungszuständen)
- Nr. 19 Cuprum arsenicosum (als Krampfmittel)
- Nr. 20 Kalium-Aluminium sulfuricum (als Verdauungstherapeutikum)
- Nr. 21 Zincum chloratum (zur Immunstimulation, unterstützend zu Silicea gegen Haarausfall und brüchige Nägel)
- Nr. 22 Calcium carbonicum (Förderung des Knochenaufbaus, auch bei Zahnungsbeschwerden, Niedergeschlagenheit, Ängstlich- und Weinerlichkeit)
- Nr. 23 Natrium bicarbonicum (bei Übersäuerung)
- Nr. 24 Arsenicum jodatum (als Stärkungsmittel)
- Nr. 25 Aurum chloratum natronatum (bei Wechseljahrsbeschwerden)
- Nr. 26 Selenium (Einfluss auf das Zellwachstum und die Schilddrüse)
- Nr. 27 Kalium bichromicum (positiver Effekt auf Diabetes mellitus und auf den Cholesterinhaushalt)
Meist D6-Potenz Die Salze werden üblicherweise in den Potenzen D6 und D12 angeboten. Fast immer nutzt man Erstere. Lediglich die Funktionsmittel Calcium fluoratum (Nr. 1), Ferrum phosphoricum (Nr. 3) und Silicea (Nr. 11) verwendete Schüßler in der Potenz D12.
Verschiedene Kombinationen
Die Komplex-Biochemie ist eine Sonderform. Dabei sind mehrere Mineralsalze in einem Mittel zusammengefasst. Bei der Verknüpfung von Einzelsubstanzen mit unterschiedlichen Ansatzpunkten deckt man ein breiteres Spektrum ab. Ob Verdauungsbeschwerden, Fieber, Krämpfe, Kopfschmerzen oder Kreislaufprobleme – ein Produkt reicht, um den heilenden Impuls in Gang zu setzen.
Bei der Therapie kommt es vor allem auf die Auswahl des richtigen Salzes an. Der Organismus reagiert auf einen adäquaten Reiz unabhängig von der Menge und beginnt, die Ungleichgewichte zu regulieren.
In der Regel beschränkt sich die Einnahme bei chronischen Verläufen auf ein bis drei Tabletten täglich. Verbessert sich die Symptomatik, ist es ratsam, die Anwendungshäufigkeit zu reduzieren. Doch um das Auffüllen der Speicher zu gewährleisten, sollen die Präparate über einen gewissen Zeitraum weiter gebraucht werden, selbst wenn keine Beschwerden mehr bestehen.
Bei akuten Zuständen ist eine halbstündliche bis stündliche Gabe möglich. Eine Menge von sechs Tabletten täglich sollte dabei nicht überschritten werden. Die Funktionsmittel existieren auch als Salben oder Lotionen zur äußerlichen Anwendung. Man trägt sie ein bis zwei Mal täglich auf. Schüßler Salze eignen sich hervorragend für die Selbstmedikation.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/13 ab Seite 14.
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)