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Kulturpflanzen

WOHLSCHMECKENDES GEMÜSE

Vielen ist die beige-rosafarbene Knolle von Topinambur noch unbekannt. Aber sie taucht immer öfter in den Gemüseabteilungen der Geschäfte und auf den Speiseplänen von Restaurants auf.

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Ursprünglich stammt Topinambur (Helianthus tuberosus L.) aus Nord- und Mittelamerika. Heute wird die Pflanze aus der Familie der Korbblüter (Asteraceae) weltweit kultiviert. Vor allem gibt es große Kulturen in Nordamerika, Asien, Australien und Russland. Man findet aber auch kleinere Anbaugebiete in Deutschland, die sich in Brandenburg, Niedersachsen und Baden-Württemberg befinden. Die Pflanze ist sehr anspruchslos. Sie kann jahrelang auf dem gleichen Standort verbleiben und gedeiht auch auf nährstoffarmen Böden, vorausgesetzt, diese weisen keine Staunässe auf.

Besonders gute Wachstumsbedingungen findet der Korbblütler auf vollsonnigen Standorten, er kommt aber auch mit Halbschatten zurecht. In Mitteleuropa verwildert Topinambur häufig und kann sich ähnlich wie andere neueingebürgerte Pflanzen (Neophyten) stark ausdehnen. Aufgrund der enormen Wuchsleistung gepaart mit einer fehlenden Konkurrenz und wenigen Fressfeinden gelingt es dem Korbblütler, heimische Pflanzen zu verdrängen. Die Kultivierung der als invasiv eingestuften Pflanze erfordert daher eine besondere Aufmerksamkeit.

Sonnengelbe Blüten Topinambur ist eine mehrjährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von bis zu vier Metern erreichen kann. An ihren aufrechten, verzweigten Stängeln sitzen gestielte, eiförmig-lanzettliche Blätter, die etwa handtellergroß werden. Sie sind ebenso wie die Stängel rau und behaart. Helianthus tuberosus L. gehört zur selben Gattung wie die Sonnenblume (Helianthus annus L.). Die enge Verwandtschaft wird nicht nur im botanischen Namen deutlich (Helianthus = Sonnenblume), der sich vom griech. helios = Sonne und ánthos = Blume ableitet.

Sie ist auch am körbchenförmigen Blütenstand zu erkennen, der sich aus gelben Zungen- und orangefarbenen Röhrenblüten zusammensetzt. Die zwittrigen Blüten sitzen in den Achseln der oberen Laubblätter und erreichen einen Durchmesser von vier bis acht Zentimetern. Ihre Blütezeit erstreckt sich von August bis November. Die Blüten beginnen zu blühen, wenn eine bestimmte Tageslänge unterschritten wird (Kurztagspflanze). Daher blüht sie bei uns erst im Herbst, wenn die Tage kürzer werden. Als Frucht bilden die Blüten Achänen aus. Aufgrund der späten Blütezeit reifen allerdings in Mitteleuropa in der Regel keine Samen aus.

Exotische Knollen Helianthus tuberosus L. vermehrt sich vegetativ mit ihren Wurzelknollen, die sich im Juli und August an den unterirdischen Ausläufern bilden. Auf die Wurzelknollen macht auch der Artname tuberosus aufmerksam, der lat. knollig bedeutet. Die Knollen sind birnen-, apfel- bis spindelförmig und erreichen eine kartoffelähnliche Größe. Daher ist Topinambur auch unter den Synonymen Erdbirne, Erdapfel oder Indianerkartoffel bekannt. Ihre Haut ist im Gegensatz zu der Kartoffelschale aber fein und dünn, sodass die Knollen optisch auch an Ingwer erinnern. Im rohen Zustand wird ihr Geschmack mit dem von Artischocken verglichen, was ihr auch den Namen Jerusalem-Artischocke eingebracht hat. Gegart verzehrt ähnelt sie mit ihrem leicht süßen und nussigen Aroma hingegen eher Pastinaken.

Alte Kulturpflanze Die Ureinwohner des heutigen Kanadas verwendeten ihre essbaren Knollen bereits in der vorkolumbianischen Zeit als Grundnahrungsmittel. Französische Siedler brachten die exotische Pflanze Anfang des 17. Jahrhunderts schließlich in ihre alte Heimat, wo sie schnell zur Delikatesse des Adels wurde. In Frankreich erhielt sie schließlich auch erst ihren heute bekannten Namen Topinambur – benannt nach dem brasilianischen Indianerstamm Tupinambá, der zu- fällig gerade am französischen Hof zu Besuch war. Lange Zeit waren die Knollen auch in Europa ein wichtiges Nahrungs- und Futtermittel. Vor allem wurden sie von den Franzosen geschätzt. Allerdings erhielten sie Mitte des 18. Jahrhunderts Konkurrenz von der Kartoffel, da diese ertragsreicher und besser lagerfähig war. Aus der deutschen Küche waren sie schließlich lange Zeit verschwunden. Inzwischen stehen sie aber wieder häufiger auf dem Speiseplan.

Vielseitig verwendbar Das weißlich bis gelbe Fruchtfleisch des Topinambur lässt sich auf vielerlei Art und Weise einsetzen. Man kann die Knollen braten, backen, dünsten, gratinieren, frittieren und roh essen. Im Gegensatz zur Kartoffel sind sie sogar ungeschält und ungegart ein gesunder Genuss. Als Salatbeilage werden sie einfach in dünne Scheiben geschnitten, gehobelt oder geraspelt und mit etwas Zitronensaft und Öl mariniert. Das verfeinert nicht nur den Geschmack, die Zitronensäure verhindert auch die Bräunung des Topinambur an der Luft.

Wie Ingwer lässt sich auch Topinambur nur schlecht schälen. Am besten geht es mit einem Sparschäler oder wenn die Knolle wie Pellkartoffeln gegart wird. Nach wenigen Minuten Blanchieren im kochenden Salzwasser lässt sich ihre Schale einfach abpellen. Möchte man die Schale mit verzehren, sollte man sie zuvor gründlich reinigen. Am besten schrubbt man dafür die Knollen mit einer Bürste unter fließendem Wasser ab. Zudem findet man im Handel verschiedenste getrocknete Produkte aus Topinambur. Beispielsweise werden die Knollen zu Mehl, Brot, Chips, Granulat oder Pulver weiterverarbeitet.

Gesunde Alternative Die Knollen sind vitaminreich (z. B. verschiedene B-Vitamine, Vitamin C) und weisen einen hohen Kalium-Gehalt auf. Sie sind gut für die Ernährung von Diabetikern geeignet, da enthaltenes Inulin den Blutzuckerspiegel nicht beeinflusst. Zudem wird Inulin als Mehrfachzucker nicht verdaut und wirkt somit präbiotisch als Ballaststoff. Auf diese Weise unterstützt der Verzehr der Topinambur-Knollen den Aufbau einer gesunden Bakterienbesiedlung im Darm (z. B. mit Bifidobakterien). Zugleich sorgt ihr hoher Ballaststoff-Anteil für eine lange Sättigung.

Früher war es üblich, Topinambur-​Knollen zur Gewinnung von Inulin und einem daraus hergestellten Fructosesirup zu verwenden. Heute kann in Reformhäusern und Biomärkten wieder Topinambursirup als alternatives Süßungsmittel erworben werden. Außerdem werden die Knollen zu Branntwein destilliert, der je nach Region unter verschiedenen Namen (z. B. Rossler, Borbel) vertrieben und als Verdauungsschnaps angepriesen wird. In der Apotheke finden sich homöopathische Präparate mit Helianthus tuberosus, die den Appetit hemmen und somit eine Gewichtsabnahme unterstützen sollen.

Tipps zur Lagerung Aufgrund ihrer dünnen, zarten Haut geben die Knollen viel Feuchtigkeit ab und verschrumpeln schnell. Daher sollte Topinambur innerhalb weniger Tage verbraucht werden. Verlängern lässt sich die Lagerzeit durch eine Aufbewahrung an einem dunklen, kühlen Ort (z. B. Kühlschrank). Auch schützt ein Bedecken der Knollen mit einer Schicht Erde (z. B. im Kübel). Einfrieren ist auch möglich.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/19 ab Seite 74.

Gode Chlond, Apothekerin

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