Rund 3,5 Prozent der elf Millionen Schulkinder in Deutschland haben Angst vor der Schule oder eine Schulphobie. © MarkPiovesan / iStock / Getty Images Plus

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WENN SCHULANGST KRANK MACHT

Zehntausende Schüler leiden unter Schulangst - und gehen oft nicht zum Unterricht. Das Phänomen hat nichts mit Schwänzen zu tun. Aber verursacht viel Leid.

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Angst vor schlechten Noten, fiese Mitschüler, Stress - Schule kann für Kinder hart sein. Für manche ist es so schlimm, dass sie krank werden. Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Übelkeit können die Folge sein. Viele gehen dann gar nicht mehr zur Schule. Fachleute sprechen von Schulangst.

Für Schulpsychologen ist es ein alltägliches Thema. Etwa 3,5 Prozent der rund 11 Millionen Schulkinder in Deutschland sind laut DAK-Kinder- und Jugendreport 2018 von Schulangst und Schulphobie betroffen - Jungen etwas häufiger als Mädchen. Schulangst und Schulphobie haben aber nichts mit Schwänzen zu tun. Denn im Gegensatz zum Schwänzen wüssten Eltern in der Regel davon.

Schulphobie sei meist eine Trennungsangst und trete bereits ab der Einschulung auf, erklärt Astrid Holch, Oberärztin der Kinder- und Jugendpsychosomatik an der München Klinik Schwabing. «Die Schulangst bezeichnet die tatsächlichen konkreten Ängste in der Schule. Prüfungsangst, soziale Ängste, Ängste aufgrund von Leistungsüberforderung oder durch erlebtes Mobbing in der Schule.»

Dass Schmerzen bei Kindern eine psychologische Ursache haben, ist nicht immer leicht festzustellen. Eltern veranlassen oft zahlreiche medizinische Untersuchungen, um eine körperliche Ursache für das Leiden ihres Kindes zu finden.

«Anfangs gibt es eher unspezifische Zeichen - Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit, vielleicht auch Rückenschmerzen - so dass es mal hier und mal da etwas gibt», sagt Holch. Wichtig sei es für Eltern zunächst einmal, ihr Kind ernst zu nehmen, ergänzt Andreas Oberle, Leiter der Sozialpädiatrie am Olgahospital Stuttgart. «Ich merke ja, ob das eine zuordenbare Sache ist, und wenn ich das Gefühl habe, ich kriege es nicht sortiert, dann muss ich mir Rat holen.» Öffentlich wollen die meisten Familien nicht über das Thema sprechen.

Die Ursachen für Schulangst und Schulphobie sind vielfältig. Man müsse verstehen, wie ein Kind tickt, meint Oberle. Neben individuellen Gründen wie einer psychischen Störung, einer Lese- oder Rechenschwäche, oder Angst vor Bestrafung, gibt es auch Gründe aus dem Umfeld des Kindes: Tod, Erkrankung, Trennung der Eltern, aber auch das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern.

Gerade bei Problemen zuhause könnten sich viele Kinder nur noch schwer auf den Unterricht konzentrieren: «Das Kind hat den Kopf überhaupt nicht mehr zum Lernen frei», sagt Gereon Schädler, Chefarzt Neuropädiatrie am Klinikum Josefinum in Augsburg.

In der Schule gibt es zudem oft enormen Druck. Schädler spricht von «krassen Leistungsanforderungen» - für Schüler und Lehrer zugleich. Wenn einem Kind Bewältigungsstrategien für stressige Situationen und Misserfolge fehlen, kann das die Schulangst begünstigen.

Um einem Kind mit Schulangst oder Schulphobie zu helfen, ist häufig eine Psychotherapie notwendig. Ob stationär oder ambulant hängt dabei vom Einzelfall ab. Eine Therapie dauert laut Schädler rund ein bis anderthalb Jahre.

Neben einer klassischen Gesprächstherapie gibt es in der München Klinik Schwabing zahlreiche weitere Angebote für Jugendliche. In Musik-, Kunst- und Bewegungstherapien, in Gruppensitzungen oder bei gemeinsamen Ausflügen etwa zum Klettern oder zum Weihnachtsmarkt sollen die Jugendlichen einen Zugang zu ihren Gefühlen finden, eigene Grenzen überwinden und Vertrauen lernen.

Teil der Therapie ist auch das Herantasten an die Schule. «Die Annäherung zurück an die Schule erfolgt schrittweise. Manchmal geht der erste Schulbesuch nur bis zum Gebäude oder man sagt im Sekretariat «Hallo» und der Lehrer begrüßt einen», erklärt Holch.

Oftmals kämen die Kinder aber erst zu einem therapeutischen Erstgespräch, wenn sie bereits mehrere Monate in der Schule gefehlt haben, so die Experten. Die Symptomatik und das Vermeiden habe sich bei ihnen verfestigt. «Grundsätzlich gilt: Je früher man sich professionelle Hilfe holt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Situation für die Betroffenen schnell wieder bessert», heißt es beim Schulpsychologische Dienst München.

Doch Schulangst ist nicht nur Sache der Kliniken und Schulen. Schädler sieht etwa Sportvereine als Ort, an dem ein Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen gelernt und Selbstbewusstsein geschaffen werden kann. Und auch Eltern beeinflussen mit ihrem Verhalten ihre Kinder. Deshalb können sie in einer Beratung beim Schulpsychologischen Dienst nicht nur über ihr Kind nachdenken, sondern auch ihr eigenes Agieren hinterfragen. Holch sagt: «Meine Empfehlung wäre, mehr Mut zu machen. Eltern können sagen: «Ich glaube schon, dass du das schaffst! Und wenn es doch nicht ganz klappt, macht das nichts.»

Quelle: dpa

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