Eine blaue Nachbildung des Darms.
BMMFs können indirekte Krabserreger sin, die auf Zellen der Darmschleimwand einwirken. © Andrii Zastrozhnov / iStock / Getty Images Plus

BMMF | Tumoren

WAS RINDFLEISCH, MILCH UND DNA-STÜCKE MIT DARMKREBS ZU TUN HABEN

Der Nobelpreisträger Harald zur Hausen hatte schon früher die Hypothese aufgestellt, dass ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Konsum von Rindfleisch und Milch und dem Auftreten von Darmkrebs besteht. Spielen dabei auch BMMFs, neuartige infektiöse Erreger in ebensolchen Produkten, eine Rolle?

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

BMMFs, ringförmige DNA-Elemente, heißen eigentlich „Bovine Meat and Milk Factors“ und sind nach ihrem Fundort – Milchprodukten und Rinderseren – benannt. BMMFs und Entzündungsmarker wurden in der Umgebung bösartiger Darmtumoren signifikant häufiger gefunden als im Darmgewebe tumorfreier Menschen. Die DNA-Teilstücke lösen über aktivierte Sauerstoffmoleküle Mutationen aus. Damit fördern sie langfristig die Krebsentstehung. Doch wie geht das genau?

Marker-Protein in der Tumor-Umgebung
Dazu untersuchten Wissenschaftler aus dem Team um Timo Bund am Deutschen Krebsforschungszentrum Gewebeproben von an Darmkrebs Betroffenen sowie von Gesunden. Zum Nachweis der BMMFs nutzte man ein von ihnen produziertes Protein namens Rep. Bei den Untersuchungen stellte sich zur Überraschung der Wissenschaftler heraus: Nicht die Krebszellen selbst enthielten das Rep-Protein, sondern die Zellen in der nächsten Umgebung der Tumoren, insbesondere Zellen der Bindegewebsschicht unter der Darmschleimhaut.

Rep in Makrophagen-Nähe
Das Forscherteam hegte den Verdacht, dass die bloße Anwesenheit der BMMFs chronisch-entzündliche Prozesse im Darmgewebe auslösen könnte. Ein Indiz dafür: entzündungsfördernde Makrophagen. Tatsächlich fanden sich diese Entzündungszellen in direkter Umgebung der Tumoren. Sehr interessant war auch die Tatsache, dass die Signale für das Rep-Protein und für den Makrophagen-Marker CD68 nahezu deckungsgleich sind: Rep liegt also unmittelbar um oder in den Makrophagen vor. Und das auch noch häufiger in kombinierter Form von Rep/CD68 inmitten der Tumorumgebung.

Mehr Reproduktion, mehr Mutationen
Auch bestimmte reaktive Sauerstoffverbindungen fanden die Forscher. Harald zur Hausen erklärt: „Solche Sauerstoffradikale begünstigen die Entstehung von Erbgutveränderungen.“ In den schlauchförmigen Vertiefungen der Darmschleimwand, den Darmkrypten, sitzen diejenigen Stammzellen, die für die ständige, schnelle Regeneration der Darmschleimhaut verantwortlich sind. Doch: Je mehr Reproduktionen zusammenkommen, desto höher ist auch das Risiko, dass auch Gene getroffen werden, deren Defekt das Zellwachstum außer Kontrolle geraten lässt. Und chronische Entzündungen sind als Krebstreiber bekannt.

Infektion im Baby-Alter
„Wir betrachten die BMMFs daher als indirekte Krebserreger, die teilweise wahrscheinlich über Jahrzehnte hinweg auf die sich teilenden Zellen der Darmschleimwand einwirken“, so zur Hausen. Er geht davon aus, dass die Infektion mit den DNA-Elementen schon früh im Leben erfolgt, etwa zum Zeitpunkt des Abstillens. „Die Ergebnisse unterstützen unsere Hypothese, dass der Konsum von Milch und Rindfleisch ursächlich mit der Entstehung von Darmkrebs in Zusammenhang steht.“

Ein frühzeitiger Nachweis der BMMFs könnte besonders gefährdete Menschen identifizieren, die dann rechtzeitig die Darmkrebsvorsorge in Anspruch nehmen sollten.

Alexandra Regner,
PTA und Medizinjournalistin

Quelle: informationsdienst wissenschaft

×