Impfstoff | Nebenwirkungen
WAS IST DENN NUN MIT ASTRAZENECA?
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Das Kind hat nun einen Namen: VIPIT, vaccine-induced prothrombotic immune thrombocytopenia oder zu Deutsch Impfstoff-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie. Gemeint sind die Sinusvenenthrombosen, bei denen gleichzeitig weiße Blutkörperchen zugrunde gehen und punktförmige Hauteinblutungen auftreten, und das nach Impfungen mit dem COVID-Impfstoff von AstraZeneca. Auch der hat nun übrigens endlich einen Namen erhalten: Vaxzevria.
Einen ersten Ansatz, VIPIT zu verstehen, lieferten Wissenschaftler*innen um Professor Dr. Andreas Greinacher von der Universität Greifswald. Sie untersuchten Blutproben von neun Personen im Alter von 22 bis 49 Jahren, die kurz nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff Thrombosen erlitten. Sieben Probandinnen hatten eine zerebrale Venenthrombose, eine Patientin eine Lungenembolie, ein Patient eine splanchnische Venenthrombose. Vier der untersuchten Frauen verstarben, bei jeder von ihnen wurden hohe Anti-PF4/Heparin-Antikörper-Titer festgestellt.
Therapie möglich
PF4 ist ein Plättchenfaktor, den aktivierte Thrombozyten ausschütten. Er bindet mit hoher Affinität an Heparin und hemmt dieses, außerdem aktiviert es weitere Thrombozyten. Manche Menschen bilden aus bisher unbekannten Gründen Antikörper gegen den PF4/Heparin-Komplex – und diese Anti-PF4/Heparin-Antikörper führen zu Thrombosen. Dies hatte Greinacher bereits in Studien zu Heparin-induzierten Thrombozytopenien (HIT) festgestellt. Er hat auch die Bezeichnung VIPIT vergeben. Er meint:
Wir wissen, was zu tun ist: wie man es diagnostiziert, und wie man es behandelt.
Er empfiehlt: mit intravenösem Immunglobulin den Plättchenfaktor aus dem Immunkomplex verdrängen. Seine Arbeit hat er auf einem Preprint-Server veröffentlicht, sie steht nun offen zur Diskussion und Bewertung. Zwei deutsche medizinische Fachgesellschaften haben ihn bereits für seine Lösung des Problems gelobt.
AstraZeneca nur noch Ü60
Unterdessen gaben die Gesundheitsminister der Länder am 30. März auf Anraten der Ständigen Impfkommission (STIKO) bekannt, dass der Impfstoff von AstraZeneca nur noch bei Über-60-Jährigen eingesetzt werden soll, unabhängig vom Geschlecht. Gesundheitsökonom und Epidemiologe Karl Lauterbach sieht darin kein Problem für die deutsche Impfstrategie:
Wir werden eine kleine Delle haben von ein paar Tagen, wo es Verwirrung gibt, aber dann wird das Impftempo wieder voll anziehen. Ich rechne nicht damit, dass wir auf dem Impfstoff sitzen bleiben.
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte zuletzt erklärt, der Impfstoff sei wirksam und sicher, Experten ihn aber weiterhin prüfen würden. Der EMA-Sicherheitsausschuss berät vom 6. bis 9. April erneut. Anschließend wird eine aktualisierte Empfehlung erwartet.
Folgen für die Impfstrategie
Fraglich ist noch, ob durch die erneut geänderte Empfehlung das Vertrauen der Bevölkerung in die Vakzine schwindet. Laut dem Vorsitzenden der STIKO, Thomas Mertens, könne jedoch auch das Gegenteil der Fall sein: „Es wurde intensiv geprüft und Alarm geschlagen, und jetzt reagiert man darauf. Das sollte eigentlich vertrauensbildend sein.“
Jüngere Impfwillige, die beruflich oder aus gesundheitlichen Gründen schon impfberechtigt sind, sind demnach vorerst auf die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer, Moderna und, sobald ausgeliefert, Johnson & Johnson angewiesen. Und hier gibt es gute Neuigkeiten: Im neuen BioNTech-Werk in Marburg rollt die Produktion an. Die Produktionsleiterin erklärt: „Die erste Charge ist immer so ein bisschen das Sahnehäubchen auf den ganzen Bemühungen, die man da monatelang hatte.“
Gesa Van Hecke,
PTA und Redaktionsvolontärin
Quellen:
www.pharmazeutische-zeitung.de/impf-nebenwirkung-aufgeklaert-und-jetzt-124686/seite/alle/
www.researchsquare.com/article/rs-362354/v1
dpa