Die Lust auf Süßes und Fettiges ist bei Kindern ein angeborenes, evolutionär begründetes Verlangen. Doch allzuviel davon fördert späteren Alkoholabusus. © happy_lark / iStock / Getty Images Plus

Europäische Studie | Erlerntes Ernährungsverhalten

WAS HÄNSCHEN NICHT LERNT….

Pizza, Bratwurst, Softdrinks – ach, sie sind ja so lecker. Wer seinen Kindern diese Geschmackspräferenz beibringt, erhöht das Risiko, dass sie später als Jugendliche häufiger Alkohol trinken. Das ergab eine internationale Studie mit deutscher Beteiligung.

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Kinder, die viel zucker- und fettreiche Nahrungsmittel zu sich nehmen, haben im Verhältnis zu Kindern, die sich fett- und zuckerarm ernähren, ein deutlich höheres Risiko als Jugendliche zum Schluckspecht zu werden. Zehn europäische Institutionen, unter anderem das deutsche Leibnitz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie, haben das herausgefunden. So herausragend war diese Studie, dass sie vor kurzem mit dem President’s Award der European Society für Prevention Research (EUSPR) ausgezeichnet wurde.

Nun ist es aus zahlreichen vergangenen Studien bekannt, dass der Konsum von Zucker und Fett zu Sucht oder suchtähnlichem Verhalten führen kann. Anders als bei vielen anderen Drogen ist es hier keine einzelne Substanz, die das Suchtverhalten auslöst. Schon die bloße Präferenz dafür kann allerdings zu Suchtverhalten – also Überkonsum, Kontrollverlust und gierigem Verlangen - dem so genannten „Craving“, führen.

Für Süßes haben gerade Kinder ein angeborenes Verlangen, das seine Wurzeln in der menschlichen Evolution hat und in einer urzeitlichen Welt des Mangels die für das Wachstum nötige Energiezufuhr sicherstellen soll. Beim Fett spielen übrigens ähnliche Mechanismen eine Rolle. Zudem sind Fette prima Geschmacksträger, von denen sich auch viele Erwachsene gern verführen lassen.

Ein europäisches Studienteam wollte nun wissen, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen der Nahrungsmittelpräferenz in der Kindheit und dem späteren Konsum der am meisten verbreiteten, landläufigen Droge Alkohol gibt. Greifen etwa Kinder, die viel Zucker und Fett, Cola, Chips und Pommes zu sich nehmen, als Heranwachsende auch häufiger zur Flasche?

Dazu untersuchte man das Ernährungsverhalten von Kindern im Alter zwischen zwei und neun Jahren, und zwar in acht europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Estland, Italien, Spanien, Schweden, Ungarn und Zypern). Zusätzlich wurden dieselben Kinder und ihre Familienmitglieder fünf Jahre später noch einmal befragt.

Das Ergebnis: Wer als Kind besagte Nahrungsmittel reichlich genossen hat, trinkt später als Jugendlicher deutlich häufiger regelmäßig Alkohol. Dieses Muster fand sich bei beiden Geschlechtern und in allen untersuchten Ländern. Zwar haben die familiären Lebensumstände der Kinder –also etwa Einkommen und Bildungsstand der Eltern – Einfluss auf die Qualität der Ernährung; den positiven Zusammenhang zwischen ungesunder Ernährung und späterem Alkoholkonsum konnten sie allerdings nicht erklären.

In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass sich das Verlangen nach Fett und Alkohol gegenseitig verstärkt. Möglicherweise wird also durch eine fett- und zuckerreiche Ernährung im Kindesalter ein grundsätzliches Verlangen nach Sucht erzeugenden Stoffen „erlernt“, das sich in späteren Jahren etwa in erhöhtem Alkoholkonsum manifestiert. Die Studienergebnisse machen deutlich – gemäß dem Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – wie stark ungesunde Ernährungsgewohnheiten im Kindesalter das Leben und vor allem die Gesundheit im Erwachsenenalter negativ beeinflussen können. Es ist daher aus Sicht der Studienautorinnen und –autoren enorm wichtig, mithilfe von politischen Maßnahmen das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Auswirkungen ungesunder Ernährung zu schärfen und Produktion und Vertrieb ungesunder Nahrungsmittel stärker zu regulieren – etwa mit einer Zuckersteuer.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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