Tipps aus der Phagenforschung
VIREN ALS VERBÜNDETE?
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Bakterienbefallende Viren, sogenannte Bakteriophagen, halten sich im warmen und feuchten Umfeld auf: in Flüssen, Meeren, Tümpeln sowie im Darm und auf Schleimhäuten von Mensch und Tier. Aufgrund des schädlichen Einflusses gegenüber Keimen gelten sie als mögliche Alternative zu Antibiotika. Ihre Vermehrung erfolgt dadurch, dass sie Stämme einer bestimmten Bakterienart infizieren und diese abtöten. Dies geschieht, indem sie an die Bakterien andocken, ihre DNA in das Innere schleusen, sodass die Bakterien ab sofort Kopien der Viren produzieren. Schließlich platzen sie auf, wobei die enthaltenen Viren freigesetzt werden und weitere Bakterien befallen. Der Kreislauf beginnt von vorne und endet, wenn keine Bakterien mehr übrig sind. Nachteilig ist jedoch, dass die Phagen möglicherweise Resistenzgene an Bakterien weitergeben und auf diese Weise Antibiotikaresistenzen fördern.
Attacke der Bakterienfresser In Einzelfällen überzeugten Phagen bereits durch ihren Therapieerfolg: So berichteten Wissenschaftler aus Pittsburgh und London in der Zeitschrift „Nature Medicine“ über eine personalisierte Phagentherapie mit genetisch veränderten, bakterienzerstörenden Viren. Diese wurde bei einer Infektion mit antibiotikaresistenten Mykobakterien eingesetzt und verbesserte kontinuierlich den Zustand eines 15-jährigen Mädchens, das an einer chronischen Infektion mit dem Mycobakterium abscessus litt.
Konzept in Deutschland Aktuell gibt es weder in Deutschland noch in der EU zugelassene Phagenpräparate. Allerdings liegt der EU-Kommission ein Antrag zur Genehmigung eines Bakteriophagen-Medikaments zur Bekämpfung von Listerien in Lebensmitteln und Produktionsanlagen vor. Das Projekt Phage4Cure ist ein gemeinsames Unternehmen von vier Instituten (Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH, Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), Charité Universitätsmedizin Berlin, Charité Research Organisation GmbH (CRO) mit dem langfristigen Ziel, Bakteriophagen als Medikamente im Kampf gegen bakterielle Infektionen zu etablieren und zur arzneimittelrechtlichen Zulassung zu bringen. Als erster Schritt soll ein inhalierbarer Wirkstoff gegen das Bakterium Pseudomonas aeruginosa hergestellt werden, welcher den internationalen Qualitätsrichtlinien für Arzneimittel entspricht.
Virale Untermieter Kürzlich haben Wissenschaftler eine bislang unbekannte Phagenart im menschlichen Körper entdeckt, eine Spezies aus der Unterfamilie der Tunavirinae. Da Phagen Resistenzen fördern und die Bakterienflora im Körper aus dem Gleichgewicht bringen können, untersuchten die Forscher, ob die Viren sich mit den üblichen Desinfektionsmitteln bekämpfen ließen – dies war nicht immer der Fall.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/2020 auf Seite 136.
Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin