Die Vererbungsregeln lassen sich durch das Gen-Drive-Verfahren künstlich außer Kraft setzen. © Rost-9D / iStock / Getty Images Plus

Gen-Drive | Vererbungsregeln

VERERBUNGSLEHRE: NATÜRLICHE MECHANISMEN AUSHEBELN

Die Gen-Drive-Technologie macht es möglich, in die Gesetze der Vererbungslehre einzugreifen. Dadurch ist es möglich, bestimmte Kopien eines Gens häufiger an die Nachkommen weiterzugeben. Forschern ist ein solcher Eingriff nach Insekten nun auch erfolgreich bei Säugetieren gelungen. Welche Schlussfolgerungen ziehen die Forscher nun daraus?

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Kennen Sie die Mendel‘sche Vererbungslehre? Diese besagt unter anderem, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Kopie eines Gens an die Nachkommen weitergegeben wird, bei Vater und Mutter gleich liegt. Allerdings trifft diese Regel heutzutage nicht immer zu, wie Wissenschaftler nun wissen. Springende Gene oder Transposons beispielsweise folgen nicht den üblichen Vererbungsmustern. Außerdem ist es mittlerweile möglich, die Vererbungsregeln mithilfe des Gen-Drive-Ansatzes künstlich außer Kraft zu setzen. Bei diesem Ansatz wird durch gentechnologische Eingriffe ins Erbgut dafür gesorgt, das bestimmte Allele überproportional stark vererbt werden. In der Forschung wurde diese Beeinflussung bislang lediglich an Insekten vorgenommen. Stechmücken, die Krankheiten übertragen können, wurde entsprechend so manipuliert, dass die Nachkommen unfruchtbar waren.

Hannah Grundwald von der University of California in San Diego und ihre Kollegen sind nun einen Schritt weiter gegangen und haben dieses Verfahren an Säugetieren angewandt. Mittels des Mechanismus der Genschere CRISPR/Cas9 wurde das Erbgut der Mäuse so verändert, dass es die Bauleitung für das Enzym Cas9 sowie eine Führungs-RNA enthielt, die das Enzym zu einer bestimmten, unerwünschten Sequenz des Tyrosinase-Gens leitet. Dieses Gen ist für die Fellfarbe der Mäuse verantwortlich. An der anvisierten Stelle wird der DNA-Strang mit Cas9 zerschnitten und der Reparaturmechanismus in Gang gesetzt. Das Besondere ist nun, dass als Vorlage für die Reparatur die DNA-Sequenz des nicht geschädigten Schwesterchromosoms dient. Somit können aus ursprünglich zwei unterschiedlichen Kopien eines Gens zwei identische gemacht werden. Aus Heterozygotie wird Homozygotie.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Reparaturmaßnahme lediglich im Stadium der weiblichen Eizellproduktion bei weiblichen Mäusen funktioniert. Wurde das Verfahren bei der männlichen Keimbahn eingesetzte, schlug der Versuch fehl. Rund 70 Prozent des Mäuse-Nachwuchses erbte das gewünschte Allel. Normalerweise sind es die zu erwartenden 50 Prozent. Es bleibt festzuhalten, dass mehr Mäusebabys mit weißem Fell geboren wurden als zu erwarten war. Bestünde die Möglichkeit, diese Methode weiter zu verbessern, sehen Forscher deutliches Potential für die medizinische Forschung. Grundwald und ihre Kollegen wollen daher den Gen-Drive anwenden, um Tiermodelle für genetisch komplexe Erkrankungen wie Krebs zu entwickeln.

Doch die Erkenntnisse sind noch für weitere Bereiche interessant und relevant. So könnte man beispielsweise invasive Nagetierpopulationen unter Kontrolle halten. Der Genetiker Bruce Conklin von der University of California in San Francisco, der nicht an der Studie beteiligt war, ist von dem wichtigen Fortschritt, den diese Studie gezeigt hat, überzeugt: „Die Entwicklung einer Technik, die einen Gen-Drive bei Säugetieren erzeugt, ist ein weiterer Meilenstein in diesem spannenden Forschungsfeld“, schreibt er in einem Kommentar im Fachmagazin „Nature“.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de

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