Lebensmittel im Mülleimer© Daisy-Daisy / iStock / Getty Images Plus
In Deutschland landen jährlich über 18 Millionen Tonnen an Lebensmitteln unnötigerweise im Müll.

Verbraucher | Forschung

WENN ZU VIELE LEBENSMITTEL IN DER TONNE LANDEN

Egal ob Obst, Fleisch, Wurst, Käse oder doch der Lieblingsjoghurt – zu viele Lebensmittel landen laut der WHO im Müll. Und  das, obwohl es vermeidbar wäre. Die Konsequenz: Ressourcen werden verschwendet und der Umwelt geschadet.

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Haben Sie sich schon mal gefragt, wie viele Lebensmittel pro Jahr eigentlich im Mülleimer landen? Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind es etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel pro Jahr, die unnötigerweise weggeworfen werden. Auch in Deutschland landen über 18 Millionen Tonnen an Lebensmittel im Müll, was rund einem Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs in Deutschland entspricht. Rund zehn Millionen Tonnen könnten vermieden werden. 

Gut die Hälfte, etwa fünf Millionen, landen in privaten Haushalten in der Tonne. Darunter fallen beispielsweise auch Nudeln oder Zucker, die anders als andere verderbliche Lebensmittel auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch gegessen werden können. 

Verbraucher spüren inneren Konflikt

Ein Forscherteam der Universität Trier ist auf die Suche nach einer Erklärung für die Lebensmittelverschwendung gegangen und fündig geworden. „Wahrscheinlich kennen wir alle den Konflikt: Auf der einen Seite wissen wir, dass das Wegwerfen von Lebensmitteln der Umwelt schadet. Auch entstehen Kosten, wenn man dann das Produkt neu kauft. 


Auf der anderen Seite verbinden wir negative Assoziationen mit abgelaufenen Lebensmitteln. Sie lagen vielleicht länger herum und sehen nicht mehr so schön aus, sodass man vielleicht sogar vermutet, dass es riskant sein könnte, die Lebensmittel zu essen“, erklärt Sozialpsychologe und Projektleiter Dr. Benjamin Buttlar.
 

Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein solcher Zwiespalt gegenüber Lebensmitteln  eine immense Rolle beim Wurf in die Tonne spielt. In ihrem Experiment wurden Teilnehmern beispielsweise haltbare Produkte gezeigt, bei denen bereits das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war. Die Probanden hatten nun die Aufgabe, mittels einer Computermaus das jeweilige Nahrungsmittel als positiv oder negativ einzustufen. Hierfür wurde der Weg des Mauszeigers aufgezeichnet, um einen möglichen Konflikt deutlich zu machen: „Je geradliniger der Verlauf ist, desto weniger herrscht ein innerer Konflikt  vor“, erklärt Buttlar.


Die Teilnehmer erhielten in einem weiteren Experiment zusätzliche Informationen wie die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums oder die ökologischen Konsequenzen von Lebensmittelverschwendung. Ziel war es, herauszufinden, ob sich solches zusätzliches Material positiv auf die Einstellung auswirkt. 


Im Ergebnis änderte sich die Einstellung gegenüber den Lebensmitteln nicht wesentlich. „Lange ging die Forschung davon aus, dass Menschen einfach nicht genug über ein Thema wissen und deshalb Dinge tun, die eigentlich nicht gut sind. Aber diese Erklärung greift zu kurz. Der Sachverhalt ist wesentlich komplexer. Bei Lebensmittelverschwendung spielt beispielsweise eine Rolle, ob wir gerade dazu in der Lage sind, Informationen zu verarbeiten, sodass wir Lebensmittel testen, oder ob wir uns doch lieber auf das Mindesthaltbarkeitsdatum verlassen; dabei spielen auch unsere Gewohnheiten eine große Rolle“, so der Projektleiter.

Aber welche Schlussfolgerungen lassen sich nun letztlich aus diesem Experiment ziehen? Die Forscher sind sich einig, dass es intelligente Kampagnen und Informationen braucht, um etwas an der aktuellen Situation zu ändern. Eine wichtige Rolle spielt hier beispielsweise die Faustformel „2+2+2“ für Lebensmittelreste. Aber was verbirgt sich dahinter? Die Erklärung ist eigentlich ganz einfach.

Faustformel 2+2+2
Zwei Stunden können frisch zubereitete Lebensmittel außerhalb des Kühlschranks stehen,
zwei Tage im Kühlschrank aufbewahrt werden und
zwei Monate im Gefrierfach sein, ohne dass man die Haltbarkeit zusätzlich prüfen muss.
 

Weitere Lösungsansätze sind gefragt

Eine weitere wichtige Säule wären technische Lösungen, wie beispielsweise die Entwicklung von Verpackungen für hochpasteurisierte Milch, die ihre Farbe ändern, wenn die Milch nicht mehr genießbar ist. Eine solche Möglichkeit könnte dafür sorgen, dass es für den Verbraucher nicht zu einem inneren Konflikt kommt. 


„Mit unserer Forschung wollen wir dazu beitragen, dass sich Menschen ihrer Ambivalenz gegenüber Lebensmitteln bewusst werden. Das kann auch schon zu einem Umdenken führen“, so Buttlar. Weitere Forschungen auf diesem Gebiet sind geplant oder laufen bereits. 


Aktuell untersucht das Team ein vielfach bekanntes Verhalten: Viele Menschen kontrollieren Lebensmittel wie Joghurts nicht sofort, wenn sie gerade das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, sondern lassen sie erst noch im Kühlschrank stehen. „Wenn sie nach einigen Tagen „lange genug“ abgelaufen sind, sagen sie sich dann, dass es in Ordnung ist, dass man sie wegwirft. Wir wollen herausfinden, wodurch man dieses Aufschieben der Entscheidung beeinflussen kann“, erklärt der Projektleiter. 
 

Quellen:

Buttlar B, Löwenstein L, Geske M-S, Ahlmer H, Walther E. „Love Food, Hate Waste? Ambivalence towards Food Fosters People’s Willingness to Waste Food“. Sustainability. 2021; 13(7):3971. https://doi.org/10.3390/su13073971

https://idw-online.de/de/news768608

https://www.infranken.de/ratgeber/gesundheit/ernaehrung/unnoetige-lebensmittelverschwendung-so-viel-essen-landet-jaehrlich-im-muell-art-5070260

https://www.welthungerhilfe.de/lebensmittelverschwendung/

https://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ernaehrung-konsum/lebensmittelverschwendung/verschwendung#:~:text=Laut%20der%20FAO%20werden%20derzeit,pro%20Jahr%20in%20der%20Tonne.


 

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