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Trockene Haut und Neurodermitis

VERANLAGUNG UND LEBENSSTIL

Die Anlage zu trockener Haut liegt schon in den Genen. Die Tendenz kann aber durch falsche Gewohnheiten noch verstärkt werden. Bei der Erkrankung Neurodermitis ist Hauttrockenheit eines der Leitsymptome.

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Trockenheit und Juckreiz Die Neurodermitis, auch als atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem bezeichnet, ist eine der häufigsten Hauterkrankungen im Säuglings- und Kindesalter. Etwa 10 bis 15 Prozent aller Kinder sind mehr oder weniger schwer davon betroffen. Den meisten Patienten bleibt die Erkrankung das ganze Leben erhalten. Nur in seltenen Fällen tritt die atopische Dermatitis erstmals nach der Pubertät auf. Weltweit hat die Erkrankung in den vergangenen Jahren zugenommen. Man geht davon aus, dass Umweltfaktoren, aber auch übertriebene Hygiene dafür verantwortlich sind. Die wichtigsten Leitsymptome der Neurodermitis sind die extrem trockene Haut, der quälende Juckreiz und die durch Kratzen entstehenden Ekzeme.

Weitere Hinweise auf Neurodermitis sind der charakteristische Ausfall der äußeren Teile der Augenbrauen sowie schlecht heilende Einrisse in den Mundwinkeln. Die Erkrankung äußert sich in den verschiedenen Lebensabschnitten in unterschiedlicher Weise. Die frühkindliche Phase beginnt meist mit etwa drei Monaten. Betroffen sind vor allem die Wangen, die behaarte Kopfhaut und die Streckseiten der Extremitäten. Auf der Kopfhaut bilden sich Verkrustungen, die wegen ihres Aussehens, das an übergekochte Milch erinnert, als Milchschorf bezeichnet werden. In der frühkindlichen Phase sind nässende Formen der Erkrankung häufiger als in späterem Lebensalter.

In späteren Phasen treten sogenannte lichenifizierte Hautveränderungen, also Veränderungen durch Verdickung und Vergröberung der Hautfelder, in den Vordergrund. Im Erwachsenenalter sind dann vor allem die großen Gelenkbeugen, der Hals und das Gesicht betroffen. Manchmal treten beim Erwachsenen auch nur isolierte Handekzeme auf. Der Juckreiz bleibt in jedem Stadium das Hauptsymptom. Durch Kratzen kommt es zu Entzündungen, zu Pigmentveränderungen und gelegentlich sogar zur Narbenbildung. Die entzündlich veränderte Haut kann von Mikroorganismen, häufig Staphylococcus aureus, infiziert werden, was wiederum die Abheilung verhindert und weitere Entzündungen auslöst.

Typisch für die Erkrankung ist auch ihr Verlauf in Schüben. Während eines akuten Schubs juckt die Haut ganz besonders. Durch das fast unvermeidbare Kratzen entzündet sie sich, nässt und blutet häufig sogar. In der chronischen Phase ist die Haut extrem trocken und neigt zur Lichenifikation. Meist verschlechtert sich die Neurodermitis im Winter, wenn der Feuchtigkeitsgehalt der Luft sinkt. Häufig treten gleichzeitig beim Patienten oder in seiner Familie andere atopische Erkrankungen, wie allergisches Asthma oder Heuschnupfen, auf.

Ursachen und Pathogenese Was der atopischen Dermatitis zugrunde liegt, ist noch immer nicht völlig geklärt. Ohne Zweifel sind genetische Ursachen daran beteiligt, letztlich handelt es sich jedoch um eine Erkrankung des Immunsystems. Allen atopischen Erkrankungen ist gemeinsam, dass die Produktion der Antikörper vom Typ IgE krankhaft gesteigert ist. Die gesteigerte IgE-Bildung führt zu einer vermehrten Freisetzung von Histamin und Entzündungsmediatoren. Histamin ist offensichtlich für den starken Juckreiz verantwortlich.

Nicht nur allergische Reaktionen, sondern auch psychischer Stress können zu einer vermehrten Histaminausschüttung führen. Insgesamt ist bei Neurodermitikern die Juckreizschwelle erniedrigt, auch hält die Juckreizempfindung länger an als bei anderen Personen. Typisch dafür ist die Unverträglichkeit von Textilien aus Schurwolle. Andere Symptome der Neurodermitis wie die extreme Trockenheit der Haut scheinen nicht immunologischer Natur zu sein. Die Barrierefunktion der Haut ist gestört, was zu einer Erhöhung des transepidermalen Wasserverlusts führt.

Zudem ist das Wasserbindevermögen der Hornschicht der Epidermis durch fehlende natürliche Feuchthaltefaktoren, in erster Linie Harnstoff, erniedrigt. Messungen haben gezeigt, dass der Harnstoffgehalt der geschädigten Haut um bis zu 85 Prozent reduziert ist. Der erste Schritt der Behandlung der atopischen Dermatitis sollte immer in der Elimination der auslösenden Faktoren liegen. Die Auslöser sind individuell sehr unterschiedlich, einige Patienten vertragen Seifen oder Waschmittel nicht. Inwieweit Nahrungsmittel eine Rolle spielen, ist strittig.

Lindern und Intervalle verlängern Die Basisbehandlung der Neurodermitis hat die Wiederherstellung der gestörten Barrierefunktion, die Linderung des Juckreizes und die Verlängerung der erscheinungsfreien Intervalle zum Ziel. Sie sollte regelmäßig, am besten zweimal täglich, auch während ekzemfreier Intervalle, durchgeführt werden. Nicht befallene Areale sind ebenfalls pathologisch verändert und sollten in gleicher Weise mitbehandelt werden. Die Basistherapie bei atopischer Dermatitis besteht in der Zufuhr von reichlich Fett und feuchtigkeitbindenden Substanzen. Je trockener und rissiger die Haut ist, umso fetthaltiger sollte die Creme sein.

Im akuten Stadium sind feuchte Zubereitungen wirksamer. Auch Kälte, beispielsweise in Form von kalten Duschen, kann dann den Juckreiz vermindern. Spezielle Vorlieben des Patienten sollten berücksichtigt werden. Sie beruhen oftmals auf individuellen Besonderheiten der Neurodermitikerhaut wie einer verminderten Schweißsekretion oder der Unverträglichkeit bestimmter Lipide. Auch jahreszeitlich bedingt werden unterschiedlich stark wasserhaltige Zubereitungen bevorzugt. Die gestörte Barrierefunktion der Haut und der dadurch erhöhte transepidermale Wasserverlust kann zumindest für kurze Zeit durch die Zufuhr von Lipiden günstig beeinflusst werden. Hierfür eignen sich prinzipiell lipophile Grundlagen, wasserfreie Zubereitungen werden allerdings wegen des Okklusionseffektes häufig als unangenehm empfunden.

Als geeignet hat sich auch der Zusatz von Harnstoff in Konzentration von drei bis zehn Prozent, erwiesen, der zu einer Hydratisierung der Hornschicht führt. Seine Wirkung ist am stärksten ausgeprägt, wenn Harnstoff in einer W/O-Emulsion angeboten wird. Insbesondere bei Kindern kann Harnstoff zu Hautirritationen führen, weshalb einige Dermatologen harnstoffhaltige Präparate erst nach dem fünften Lebensjahr empfehlen. Häufig können die Unverträglichkeiten jedoch durch Wahl eines geeigneten Vehikels vermieden werden. So erweisen sich O/W-Emulsionen als Grundlage meist als besser verträglich. Begrenzt man die Harnstoffkonzentration bei Kindern zusätzlich auf drei Prozent, so treten nur in wenigen Fällen Reizungen auf.

Befindet sich die Haut Erwachsener in einer chronischen Phase, kann die Harnstoffkonzentration bis zu zehn Prozent betragen. Im akuten Schub sowie bei der Anwendung im Gesicht liegt die Obergrenze bei fünf Prozent. Ebenfalls gute Ergebnisse wurden mit Linolensäure, die im Nachtkerzenöl und im Borretschsamenöl enthalten ist, erzielt. Viele Atopiker weisen einen Mangel an dieser essenziellen Fettsäure auf. Durch die Zufuhr der Omega-6-Öle auch mit der Nahrung, werden ungesättigte Fettsäuren, die nicht über die Arachidonsäure verstoffwechselt werden, in die Zellmembranen eingebaut.

Arachidonsäure gilt als Vorstufe der wichtigsten Entzündungsmediatoren. Liegt ein Mangel an Linolensäure vor, so werden in die Bausteine der Lipidbarriere andere Fettsäuren eingebaut. Die Folge sind mangelhafte Funktionsfähigkeit und Stabilität. Sowohl durch topische wie auch orale Applikation können diese Mangelsituationen ausgeglichen werden, wodurch sich die Barrierefunktion verbessert. Eine ideale Basisbehandlung für Neurodermitiker sollte trotzdem einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren enthalten.

Auch die Hornschichtlipide bestehen überwiegend aus gesättigten Fettsäuren. Dies hat zur Folge, dass sich die Lipidlamellen der Hornschicht bei Körpertemperatur in einer Art Gel-Zustand befinden. Hier ist der Stoffaustausch am geringsten. Steigt der Anteil an ungesättigten Fettsäuren durch übermäßige Zufuhr von außen, so gehen die Lipide in einen Sol-Zustand über und die Durchlässigkeit erhöht sich.

Zur Hautreinigung sollten möglichst keine Seifen, sondern saure oder neutrale Syndets verwendet werden. Als günstig haben sich Ölbäder als Badezusätze erwiesen, die auf der Oberfläche des Badewassers einen Ölfilm ausbilden, der dann auf die Haut aufzieht. Neurodermitiker sollten allerdings nicht allzu häufig baden oder duschen, denn trotz milden Syndets und Ölbädern werden Feuchthaltefaktoren ausgeschwemmt, was die Haut austrocknet.

Glukokortikoide Im akuten Stadium ist das oberste Ziel die Verminderung des quälenden Juckreizes, ein Problem, das bis heute nicht zufriedenstellend gelöst ist. Hier eignen sich meist stärker wasserhaltige Zubereitungen oder fett-feuchte Umschläge mit wirkstofffreien oder kortikoidhaltigen Fettsalben. Zentraler Bestandteil der Therapie ist die lokale Applikation von Glukokortikoiden. Der Verzicht auf diese hochwirksamen Arzneistoffe ist oftmals gleichbedeutend mit einer langen Leidenszeit. Dank der neuen Substanzen und ihres gezielten Einsatzes ist nur in Ausnahmefällen mit einer Hautatrophie zu rechnen.

Trotzdem ist bei vielen Betroffenen noch immer eine große „Kortison- Angst“ vorhanden, die man ihnen im Gespräch nehmen sollte. Kortikoide reduzieren den Gehalt an Histamin in der Haut, das als Hauptursache für den Juckreiz angenommen wird. Außerdem wirken Glukokortikoide immunsupprimierend und hemmen die Freisetzung der Arachidonsäure aus den Zellmembranen. Vor allem bei Kindern, deren Haut eine wesentlich höhere Resorptionsfähigkeit aufweist als die Haut Erwachsener, sollten keine stark und lang anhaltend wirkenden Kortikoide verwendet werden.

Aufgrund seiner im Verhältnis zu den anderen Verbindungen eher schwachen Wirkung ist Hydrokortison besonders geeignet. Prednicarbat wird zwar in der Haut inaktiviert und weist somit keine systemischen Effekte auf, unerwünschte kutane Wirkungen können bei langfristiger Anwendung trotzdem auftreten. Als besonders nebenwirkungsarm hat sich Mometason erwiesen.

Glukokortikoide zur dermalen Applikation sind mit Ausnahme des Hydrokortisons in Konzentrationen bis 0,5 Prozent und einer Menge von maximal 20 Gramm verschreibungspflichtig. Die Kortikoid-Therapie der Neurodermitis bedarf jedoch wegen ihrer langen Dauer großer Erfahrung und sollte einem erfahrenen Arzt vorbehalten bleiben.

Desinfizienzien Einige Patienten mit nässenden und infizierten Ekzemen sprechen gut auf desinfizierende Wirkstoffe an. Bei Kindern hat sich der Einsatz von Farbstoffen mit desinfizierender Wirkung, wie Gentianaviolett (Pyoktanin), als wirksam erwiesen. Als Individualrezeptur in Konzentrationen von 0,1 bis 0,25 Prozent auf die betroffenen Hautareale aufgetragen, vermag es die Keimbesiedlung zu reduzieren und Ekzeme zu bessern. Nachteilig ist die zwar reversible, aber sehr kräftige Verfärbung der Haut.

Immunmodulatoren Da es sich bei der atopischen Dermatitis um eine Fehlfunktion des Immunsystems handelt, können auch mit immunsuppressiv wirkenden Substanzen Erfolge erzielt werden. Das Makrolidlacton Tacrolimus ist als Salbe in Konzentrationen von 0,1 und 0,03 Prozent für die Behandlung der Neurodermitis bei Erwachsenen zugelassen, die nicht angemessen auf andere Therapien reagieren oder diese nicht vertragen. In der Konzentration von 0,03 Prozent ist die Salbe außerdem auch für Kinder ab zwei Jahren zugelassen, die nicht ausreichend auf andere Therapieformen ansprechen.

Der Wirkungsmechanismus richtet sich selektiv auf die bei der Neurodermitis überschießende Immunantwort der Haut. Tacrolimus hemmt Immunantworten, indem die Synthese bestimmter Zytokine verhindert wird. Da der Wirkstoff nicht in den Kollagenstoffwechsel eingreift, ist auch bei langfristiger Anwendung nicht mit einer Hautatrophie zu rechnen. Deshalb ist die Therapie mit Tacrolimus auch besonders für Gesicht und Hals geeignet. Systemische Effekte sind bei stark geschädigter Haut möglich. Die Resorption verringert sich im Laufe der Therapie aber durch die Wiederherstellung der Barrierefunktion.

Meist wird Tacrolimus gut vertragen, gelegentlich treten Brennen, Jucken und Hautrötungen auf, die jedoch bald wieder abklingen und keinen Grund für einen Therapieabbruch darstellen. Ein ungeschützter Aufenthalt in der Sonne ist während der Behandlung zu vermeiden. Außerdem dürfen andere Hautpflegemittel innerhalb von zwei Stunden vor beziehungsweise nach der Applikation nicht im gleichen Hautbereich angewendet werden. Da Tacrolimus erst seit einigen Jahren für die Behandlung der Neurodermitis zugelassen ist, liegen noch keine aussagefähigen Erfahrungen über Spätfolgen bei einer Langzeitbehandlung vor.

Möglicherweise besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung maligner Erkrankungen. Weitere, mit Tacrolimus verwandte Immunmodulatoren sind Sirolimus und Pimecrolimus. Letzteres hemmt Entzündungszytokine in der Haut und zeigt bei sehr guter Verträglichkeit ebenfalls weder Hautatrophie noch systemische Wirkungen.

Antihistaminika Da Histamin entscheidend am Juckreiz beteiligt ist, werden in vielen Fällen während der akuten Phasen Antihistaminika systemisch verabreicht. Durch den starken Juckreiz können die Betroffenen häufig nicht einschlafen, sodass vom Arzt bevorzugt Antihistaminika mit sedierender Wirkung ausgewählt werden. Bei Infektionen der Ekzeme, die auf lokale Desinfizienzien nicht ansprechen, können auch systemische Antibiotikagaben indiziert sein. Seit einigen Jahren wird auch UV-Strahlung zur Behandlung der atopischen Dermatitis eingesetzt.

Die Wirkung begründet sich aus der immunsuppressiven Wirkung der UV-Strahlen. Wird UVB-Strahlung oder kombinierte UVA/UVB-Strahlung eingesetzt, so ist mit den bekannten Folgeschäden zu rechnen. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass auch langwellige UVA-Strahlung wirksam ist. Als teilweise sehr effektiv haben sich Klimatherapien erwiesen. Besonders das Klima der Nordseeinseln führt selbst bei schwersten Fällen in erstaunlich kurzer Zeit zur zumindest vorübergehenden Beschwerdefreiheit.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 02/17 ab Seite 34. 

Sabine Breuer, Apothekerin/Redaktion

„Veranlagung und Lebensstil”

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