Ein Leber-Modell, das mit einem USB-Anschluss ausgestattet ist
Eine Leber, die man einfach an den PC anschließt? Ganz so einfach ist es nicht. © Shidlovski / iStock / Getty Images Plus

Good News der Woche | Tierversuche

TECHNOLOGIE STATT TIERVERSUCH

Bei der Zulassung neuer Arzneistoffe ist eine nachweislich geringe Lebertoxizität eine große Hürde für die Hersteller. In der Regel müssen die Lebern von Hunden, Ratten und anderen Tieren herhalten. Das ist zum einen ethisch umstritten, zum anderen sind die Ergebnisse nicht zu 100 Prozent auf den Menschen übertragbar. Forscher präsentierten nun eine Lösung.

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Jeder, der etwas mit Pharmazie am Hut hat, kennt den Contergan®-Skandal. Das in den 1960er Jahren als mildes Schlaf- und Beruhigungsmittel vertriebene Medikament wurde insbesondere Schwangeren empfohlen – es sollte sich positiv auf Morgenübelkeit und Unruhezuständen auswirken. Im Tierversuch schnitt das Präparat sehr gut ab. Zwei Jahre nach Markteinführung traten gehäuft verkürzte Extremitäten bei Neugeborenen auf und einer der größten Arzneimittelskandale Deutschlands begann. Dabei bewirkt Thalidomid selbst keine Missbildungen, aber einzelne der mehr als hundert Metaboliten, die beim Abbau in der Leber entstehen. Da der Umbau der Substanz in der Leber von Art zu Art unterschiedlich verläuft, fielen die Tierversuche unauffällig aus.

Insgesamt liefern Tierversuche lediglich zu 71 Prozent sichere Testergebnisse. Daher sind Beobachtungen nach der Zulassung weiterhin von großer Bedeutung. Doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Organ-Chips. In Zusammenarbeit mit der Firma AstraZeneca entwickelten amerikanische Wissenschaftler einen Leber-Chip, der in der Lage ist, die Reaktion der Leber auf die verschiedenen Test-Substanzen im Rahmen einer Arzneimittelstudie nachzubilden und in Echtzeit verfolgen lässt. Der Chip ist durchsichtig, besitzt die Größe eines Dominosteins und verfügt im Inneren über parallel verlaufende Mikrokanäle, die mit echten, humanen Leberzellen bestückt sind. Die Zellen arbeiten auf vergleichbare Weise zusammen, wie es das Gesamtorgan Leber ebenfalls tut. Die Forscher können die Vorgänge unter dem Mikroskop verfolgen.

Bei Tests mit Chips, die mit Ratten-, Hunde- und menschlichen Leberzellen bestückt waren, konnten die Forscher nachweisen, dass sie gezielt solche Substanzen detektieren konnten, die beispielsweise für Ratte und Hund ungiftig, für den Menschen aber sehr wohl hepatotoxisch sind. „Dies ist ein wichtiger Meilenstein in den Bemühungen, den Prozess der Arzneimittelentdeckung und -entwicklung zu verbessern (…)“, sagte Dr. Geraldine A. Hamilton, Präsidentin und wissenschaftliche Leiterin von Emulate und Mit-Autorin der Studie. „Diese Arbeit stellt eine große Errungenschaft für den Bereich der Organchips dar, denn sie zeigt die Fähigkeit dieser Technologie, Einblicke in humanrelevante Reaktionen zu geben, bei denen aktuelle präklinische Tiermodelle oft versagen. Dies muss von anderen evaluiert und bestätigt werden, aber wenn dies der Fall ist, dann könnte dies die Art und Weise verändern, wie Medikamente weltweit entwickelt werden, und dazu beitragen, die Anzahl der Tiere zu reduzieren, die weltweit bei der Entwicklung von Medikamenten eingesetzt werden", fügte der Mitverfasser der Studie und Harvard-Professor Don Ingber hinzu.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quellen:
https://trends.medicalexpo.de/project-432089.html
DAZ.online

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