Hämorriden
SENSIBLER BEREICH
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Am Po juckt es schon seit längerer Zeit und jetzt befindet sich auch noch Blut am Toilettenpapier? Viele Menschen denken sich, dass es peinlich sei, darüber zu sprechen. Völlig unnötig, denn Hämorriden kommen in jedem gesunden Organismus vor. Das gut durchblutete Gewebe dichtet den Enddarm durch seine Schwellkörperfunktion zusammen mit den Schließmuskeln ab, sodass keine Stuhlreste austreten und die empfindliche Haut am After reizen.
Hat sich irgendwann genug Fäzes angesammelt, erschlafft der innere Schließmuskel, das Blut fließt aus den Gefäßpolstern und der Stuhl kann abgegeben werden. Umgekehrt erweitert sich das Gefäßpolster, wenn man Ausscheidungen halten muss. Erst bei krankhaften Veränderungen spricht man von einem Hämorridalleiden. Dabei kann das Blut nicht mehr abfließen und staut sich, folglich dehnen sich die Gefäße des Schwellkörpers und es bilden sich Knoten. Das Sitzen wird dann beschwerlich und Betroffene plagen sich oft mit dem Gefühl, den Darm nicht vollständig entleeren zu können. Auch Jucken, Schmerzen, Nässen, Brennen und Blutungen sind für ein Hämorridalleiden charakteristisch.
Heikles Thema Bei proktologischen Erkrankungen ist die Apotheke häufig die erste Anlaufstelle für Patienten, noch bevor sie einen Arzt konsultieren. Diskretion und Feingefühl sind das A und O bei der Beratung, denn viele Menschen scheuen sich, offen über das Thema zu sprechen. Zunächst ist es wichtig, die genauen Symptome zu erfragen: Liegen ein leichtes Jucken und ein harmloses Wundgefühl vor oder handelt es sich bereits um Schmerzen am After mit Blut im Stuhl? Welche weiteren Beschwerden bestehen?
Weisen Sie die Betroffenen darauf hin, dass der Verdacht auf Hämorriden unbedingt von einem Mediziner abgeklärt werden muss – denn Erkrankungen des Analbereichs wie beispielsweise Analthrombosen, perianale Ekzeme, Fissuren oder Fisteln gehen mit ähnlichen Symptomen einher. Hinzu kommt, dass Hämorriden dritten und vierten Grades kein Fall für die Selbstmedikation sind.
Exkurs Anatomie Der Schließapparat ist in die Beckenbodenmuskulatur eingebettet und hat die Funktion, den Stuhlgang zu kontrollieren. Er besteht aus dem Enddarm mitsamt Analkanal, den Schließmuskeln und den Hämorriden. Der Analkanal ist etwa zwei bis sechs Zentimeter lang und endet an der Analöffnung. Von innen ist er mit der Analschleimhaut ausgekleidet, nach außen hin wird er durch die Hämorriden und durch den inneren und den äußeren Schließmuskel abgedichtet. Die Schleimhaut besteht aus zahlreichen Nervenfasern und Dehnungsrezeptoren, welche die Beschaffenheit der Fäzes erkennen und dem Organismus signalisieren, wann eine Entleerung des Darms nötig ist.
TIPPS FÜR IHRE KUNDEN
+ Der Gang zur Toilette sollte stressfrei erfolgen. Heftiges Pressen und übertrieben lange Aufenthalte auf dem stillen Örtchen sind zu unterlassen. Nach dem Stuhlgang tupfen Betroffene sich am besten mit weichem Toilettenpapier sanft ab oder reinigen den Bereich mit Wasser. Waschlotionen sollten unbedingt pH-neutral sein.
+ Trinken ist gesundheitlich ein wichtiges Thema, denn nur mit ausreichend Flüssigkeit kann der Darm korrekt arbeiten.
+ Eine ballaststoffreiche Ernährung führt zu mehr Wohlbefinden und beugt Hämorridenproblemen vor.
+ Viele Menschen, die unter den vergrößerten Polstern leiden, verbringen einen Großteil des Tages auf den eigenen vier Buchstaben. Mehr Bewegung und Sport helfen – der Darm dankt es!
+ Schmerzlindernde Medikamente sollten nicht über einen längeren Zeitraum auf eigene Faust verwendet werden. Raten Sie Betroffenen, dann mit einem Arzt zu sprechen, um die weitere Behandlung abzuklären.
+ Um Hautreizungen zu vermeiden, ist es empfehlenswert, hautfreundliche und kochfeste Unterwäsche zu tragen.
Der innere Schließmuskel ist ringförmig und besteht aus glatter Muskulatur – er sorgt dafür, dass der Enddarm beispielsweise im Schlaf undurchlässig bleibt und wird vom äußeren Schließmuskel unterstützt. Dieser kann reflexartig aktiviert oder willentlich gesteuert werden, um die Darmentleerung zu aktivieren oder heraus zu zögern. Der Beckenboden setzt sich aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe zusammen. Er schließt das Becken nach unten hin ab und stützt die Organe im Bauchraum. Beim Stuhlgang entspannt er sich, umgekehrt wird er angespannt, wenn Fäzes eingehalten werden soll.
Klassifizierung Hämorridenleiden sind zwar nicht gefährlich, jedoch äußerst unangenehm. Je nach Schweregrad teilt man sie in verschiedene Stadien ein: Im ersten Grade sind sie weder zu sehen noch zu ertasten und rufen kaum Beschwerden hervor. Nur selten entdecken Kunden in dieser Phase ein wenig Blut am Toilettenpapier. Das zweite Stadium geht bereits mit den typischen Symptomen einher. Außerdem treten die Hämorriden während des Stuhlgangs kurzfristig aus dem After heraus und sind dann sicht- und tastbar. Normalerweise ziehen sie sich selbstständig wieder zurück.
Hämorriden dritten Grades lassen sich permanent erfühlen und können mit den Fingern in den Anus zurückgeschoben werden. In diesem Stadium haben Betroffene bereits erhebliche Schmerzen. Auch Hämorriden vierten Grades befinden sich dauerhaft vor dem After, es gelingt allerdings nicht mehr, sie mit den Fingern zurückzudrücken. Neben Juckreiz, Schmerzen und Hautirritationen kommt es zu Blutungen, einem Fremdkörpergefühl und manchmal zu einem unwillkürlichen Stuhlabgang.
Von der Salbe bis zur Operation Die Behandlung des Hämorridalleidens zielt darauf ab, die Beschwerden zu beseitigen, den Analkanal zu regenerieren und folglich eine normale Darmentleerung zu gewährleisten. Bei der medizinischen Untersuchung stellt der Arzt fest, welches Erkrankungsstadium vorliegt und entscheidet auf dieser Grundlage die weitere Vorgehensweise. In der Anfangsphase reicht die Umstellung der Lebensgewohnheiten oft aus, um eine deutliche Verbesserung zu erzielen.
»Hämorridalleiden sind zwar nicht gefährlich, jedoch äußerst unangenehm. Je nach Schweregrad teilt man sie in verschiedene Stadien ein«
Außerdem ist zu diesem Zeitpunkt die Anwendung von Zäpfchen und Salben mit lokal wirksamen Substanzen sinnvoll. In manchen Fällen verödet der Proktologe die Hämorriden. Gummibandligaturen oder Operation kommen in den fortgeschrittenen Stadien zum Einsatz. In der vierten Phase ist eine Operation zwingend erforderlich.
Erste Maßnahmen Ungesunde Ernährungsgewohnheiten, eine nicht ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Bewegungsmangel, sitzende Tätigkeiten oder starkes Pressen beim Stuhlgang fördern die Entstehung von Gefäßerweiterungen im Gewebepolster. Der erste Schritt ist daher zunächst eine Umstellung der Lebensgewohnheiten. Die Ernährung sollte ausgewogen und ballaststoffreich (mit viel rohem Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Trockenobst) sein. Am besten verkneifen sich Betroffene den Konsum von stopfenden Nahrungsmitteln wie zum Beispiel Weißbrot, Fast-Food, Schokolade oder Bananen.
Empfehlen Sie Ihren Kunden, viel zu trinken und sich ausreichend zu bewegen, um Obstipationen vorzubeugen. Erkrankte sollten auf Reizstoffe wie scharfe Gewürze, Zitrusfrüchte oder Alkohol verzichten. Außerdem ist es ratsam, stets eine sorgfältige Analhygiene durchzuführen, bei welcher der After vorzugsweise mit weichen Tüchern und Wasser gereinigt wird. Auch lauwarme Kamillensitzbäder lindern die Symptome und tun den Kunden gut.
Besser nicht aussitzen Apothekenpflichtige Salben oder Zäpfchen enthalten Lokalanästhetika sowie entzündungshemmende und adstringierende Wirkstoffe. Lidocain gilt in der Selbstmedikation als Mittel der ersten Wahl, denn das Lokalanästhetikum reduziert Schmerzen und Juckreiz. Verlangt der Kunde nach einer pflanzlichen Alternative, können Sie ihm Präparate mit Trockenextrakten aus der Rinde der Zaubernuss (Hamamelis) empfehlen. Die enthaltenen Gerbstoffe wirken adstringierend, entzündungshemmend sowie leicht blutstillend und lindern auf diese Weise Juckreiz, Brennen und Nässen.
In fortgeschrittenen Stadien kann der Arzt Salben oder Zäpfchen mit entzündungshemmenden Glukokortikoiden verordnen. Weisen Sie Ihre Kunden darauf hin, die Präparate bevorzugt nach der Stuhlentleerung anzuwenden. Gemeinsam ist allen Mitteln, dass sie zwar die Beschwerden verbessern, jedoch nicht die vergrößerten Hämorriden beseitigen. Dies kann nur durch den Proktologen geschehen.
Nach einer Hämorridenbehandlung ist es ratsam, die empfindliche Haut im Analbereich zu pflegen. Spezielle Salben und Zäpfchen enthalten einen Hautschutzkomplex, der eine wasserabweisende Funktion besitzt, den After vor Reizungen schützt und den Stuhlgang durch seinen Gleiteffekt erleichtert.
Verschiedene Methoden Es existieren unterschiedliche Verfahren zur Entfernung von vergrößerten Hämorriden. Bei der Verödung (Sklerosierung) wird eine ölige Lösung in die Hämorridalknoten gespritzt – nachteilig ist, dass es im Anschluss häufig zu Rückfällen kommt. Schnürt man die Hämorriden an der Basis ab, handelt es sich um eine sogenannte Gummibandligatur. Die Polster sterben dadurch ab, weil die Blutversorgung unterbrochen wird. Sie lösen sich schließlich von selbst und werden mit der Fäzes ausgeschieden.
SCHWANGERSCHAFT
Oft haben werdende Mütter Probleme mit Hämorriden, weil sich bereits vergrößerte Polster verschlimmern und Symptome wie Jucken, Brennen und Nässen im Analbereich hervorrufen. Grund dafür sind die Schwangerschaftshormone – durch sie erweitern sich die Gefäße und das Gewebe wird lockerer. Auch das Gewicht des Kindes, welches im Verlauf der Schwangerschaft zunehmend auf den Beckenboden und den Enddarm drückt, begünstigt die Beschwerden. Hinzu kommt, dass Schwangere häufig unter Verstopfungen leiden und folglich beim Toilettengang stark pressen. Auch wenn die Frauen während der Schwangerschaft zum ersten Mal über die Symptome klagen, kann man davon ausgehen, dass die Gefäßpolster schon zuvor vergrößert waren. In der Regel heilt das Hämorridalleiden nach der Geburt des Kindes von alleine wieder aus.
Hämorriden dritten und vierten Grades werden operativ beseitigt: Eine Möglichkeit ist, die Polster im Inneren des Afters mithilfe eines speziellen Nahtgerätes auszustanzen (Stapler-Hämorridopexie). Das Verfahren ist zwar patientenschonend, aber nicht bei allen Erkrankungsformen geeignet. Bei der Hämorridektomie nach Milligan-Morgan und Ferguson werden die Hämorriden ausgeschnitten. Riskanter ist die Hämorridektomie nach Fansler-Arnold, bei der es gegebenenfalls aufgrund des großen Wundgebietes zu Komplikationen kommt. Im Rahmen dieser Behandlung wird der Analkanal plastisch wiederhergestellt. Vorbereitend muss eine genaue Absprache zwischen Patient und Arzt stattfinden.
Differentialdiagnostik erforderlich Hämorriden sind leicht mit anderen Erkrankungen zu verwechseln, da die Beschwerden unspezifisch sind und ebenso auf weitere proktologische Leiden hindeuten können. Verweisen Sie Ihre Kunden mit langanhaltenden Symptomen daher stets an einen Arzt. Zu den Enddarmerkrankungen, die ähnliche Beschwerden verursachen, zählen unter anderem Analvenenthrombosen, -fissuren, -polypen und -karzinome sowie eine Divertikulose, Analfisteln, Marisken oder Ekzeme.
- Bei einer Analvenenthrombose bildet sich innerhalb kürzester Zeit eine schmerzhafte, pflaumengroße Schwellung am Afterrand oder im Analkanal, die dennoch ungefährlich ist und nach einer gewissen Zeit von alleine wieder verschwindet. Ursachen sind häufig körperliche Anstrengungen oder ein zu starkes Pressen bei der Defäkation.
- Bei Analfissuren findet man, wie bei einem Hämorridalleiden, nach dem Toilettengang Blut auf dem Papier. Die kleinen Risse in der sensiblen Haut des Analkanals bereiten den Patienten mitunter starke Schmerzen. Kräftiges Pressen beim Stuhlgang, Obstipation sowie anhaltender Durchfall fördern die Erkrankung.
- Analpolypen sind Vergrößerungen der Analpapillen durch entzündliche Prozesse in deren Umgebung. Unter Umständen beeinträchtigen sie die Schließfunktion des Afters. Heftige Schmerzen entstehen, wenn die Polypen eingeklemmt werden. Zur Behandlung setzt man entzündungshemmende Zäpfchen und Salben ein, in einigen Fällen ist eine Operation nötig.
- Beim Analkarzinom handelt es sich um einen bösartigen Tumor im Analkanal. Selbst für einen erfahrenen Arzt ist es oft schwierig, ein Analkarzinom von anderen proktologischen Erkrankungen zu unterscheiden, da die Symptome (Schmerzen beim Stuhlgang, Juckreiz und Blut im Stuhl) unspezifisch sind. Daher sollte bei dem Verdacht auf eine Krebserkrankung unbedingt eine Gewebeprobe entnommen werden.
- Darmdivertikel sind Ausstülpungen der Darmschleimhaut an strukturell schwachen Stellen. Meist sind sie harmlos und führen erst zu Beschwerden, wenn sie sich entzünden und bluten.
- Analfisteln sind entzündlich veränderte Gänge im Bereich der Analregion. Ursache sind kleine Analabszesse, die sich spontan nach außen oder innen entleeren.
- Marisken sind harmlose Hautfalten am After. Sie entwickeln sich bei vielen Menschen am äußeren Analrand, treten einzeln oder vermehrt auf und können kranzförmig angeordnet sein. Im Volksmund werden sie fälschlicherweise auch als „äußere Hämorriden“ bezeichnet. Gefährlich sind die Zipfel nicht, sie stellen allenfalls ein kosmetisches oder hygienisches Problem dar. Angeschwollene Marisken sind manchmal ein Hinweis auf ein behandlungsbedürftiges Hämorridalleiden.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 14.
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)