Krankheiten im Kindesalter
SCHWERE VERLÄUFE VERMEIDEN
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Streptococcus pneumoniae, meist einfach Pneumokokken genannt, sind grampositive, bekapselte Bakterien, die im Nasenrachenraum von Menschen leben – normalerweise ohne dass wir davon etwas merken. Insbesondere bei Kleinkindern scheinen sie sich wohlzufühlen: In einer Erhebung in England wurde vor der Einführung der allgemeinen Pneumokokkenimpfung bei rund der Hälfte der Neugeborenen bis Vierjährigen, bei gut 20 Prozent der Fünf- bis Siebzehnjährigen und bei acht Prozent der Erwachsenen eine Besiedlung des Nasopharynx nachgewiesen. Eine Weitergabe ist jederzeit per Tröpfcheninfektion möglich.
Vielfältige Krankheiten In aller Regel verursachen Pneumokokken keine Beschwerden. Insbesondere wenn das Immunsystem jedoch geschwächt ist, können sie sich vom Nasenrachenraum aus ausbreiten und Krankheiten hervorrufen – zu den häufigsten gehören in den oberen Atemwegen eine Mittelohrentzündung oder Nasennebenhöhlenentzündung und in den unteren Atemwegen eine Lungenentzündung. Besonders gefährlich wird es, wenn sie in Bereiche des Körpers eindringen, die normalerweise frei von Bakterien sind.
Dann spricht man von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen. Breiten sie sich in der Blutbahn aus, kommt es zu einer Bakteriämie und schlimmstenfalls zu einer Sepsis; Pneumokokken gehören aber auch zu den häufigsten Erregern von eitrigen Hirnhautentzündungen. Diese verlaufen bei etwa zehn Prozent der Betroffenen tödlich, bei weiteren fünfzehn Prozent bleiben Folgeschäden zurück.
Serogruppen Insgesamt werden bei den Pneumokokken über 90 Serogruppen anhand der unterschiedlichen Polysaccharide in den Kapseln der Bakterien unterschieden. Nur ein Teil davon ist für die Mehrzahl der Pneumokokken-Bakteriämien und Meningitiden verantwortlich.
Risikogruppen Besonders gefährdet mit Blick auf einen schweren Verlauf einer Pneumokokken-Erkrankung sind Menschen mit einem eingeschränkten Immunsystem. Dazu gehören insbesondere Säuglinge, Kleinkinder und Senioren, weil das Immunsystem noch nicht voll ausgebildet ist beziehungsweise, weil seine Funktion wieder nachlässt. Im europäischen Schnitt waren 2017 Menschen über 65 Jahren mit 18,9 Fällen pro 100 000 Einwohner am häufigsten von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen betroffen, gefolgt von Säuglingen bis zu einem Jahr mit 14,5 Fälle pro 100 000 Einwohner.
Insgesamt wurden knapp 23 000 Fälle von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen gemeldet. Das männliche Geschlecht ist über alle Altersgruppen hinweg etwas häufiger betroffen. Auch Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Meningokokken-Erkrankung. Das gilt ebenso für Patienten mit chronischen Erkrankungen.
Schließlich sind auch Menschen mit anatomischen oder fremdkörperassoziierten Risiken, zum Beispiel mit einer Liquorfistel oder einem Cochlea-Implantat, mit Blick auf eine Pneumokokken-Meningitis besonders gefährdet. Invasive Pneumokokken-Erkrankungen treten im Herbst und im Winter deutlich häufiger auf als im Sommer. Als mögliche Ursachen gelten eine geringere Luftfeuchtigkeit, vermehrter Aufenthalt in geschlossenen Räumen, häufige virale Infekte, kaltes Wetter und Luftverschmutzung.
Die Impfung erfolgt bereits im Säuglingsalter, da hier das Risiko für einen schweren Verlauf erhöht ist.
Diagnose Die Diagnose einer invasiven Pneumokokken-Erkrankung wird durch den Nachweis von Pneumokokken in normalerweise sterilen Kompartimenten des Körpers wie Blut oder Zerebrospinalflüssigkeit gestellt. Eine Pneumonie gilt dann als invasive Meningokokken-Erkrankung, wenn gleichzeitig eine Bakteriämie vorliegt.
Pneumokokken-Impfung Eine Impfung gegen Pneumokokken wird in Deutschland von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für alle Personen mit einem erhöhten Risiko empfohlen. Sie gehört daher zu den Standardimpfungen für alle Säuglinge: Für eine Grundimmunisierung sollen sie im Alter von zwei, vier und elf Monaten insgesamt dreimal geimpft werden; dies erfolgt parallel zu den Impfungen mit dem Sechsfach-Impfstoff. Es ist bekannt, dass der Impfschutz nach einigen Jahren nachlässt – allerdings sinkt das Risiko für einen schweren Verlauf bei älteren Kindern ebenfalls erheblich, sodass eine Auffrischung nicht vorgesehen ist.
Außerdem wird eine Pneumokokken-Impfung als Indikationsimpfung für Menschen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten empfohlen, darunter zum Beispiel T- und B-Zell-Defizienzen, HIV-Infektionen, immunsuppressive Therapien (z.B. wegen Autoimmunerkrankungen) oder Knochenmarktransplantation. Ebenfalls sollten Patienten mit chronischen Erkrankungen, zum Beispiel des Herzens oder der Lunge, Stoffwechselkrankheiten oder neurologische Erkrankungen, gegen Pneumokokken geimpft werden. Auch Menschen mit anatomischen und fremdkörperassoziierten Risiken wie zum Beispiel Cochlea-Implantat-Träger sollten (möglichst vor dem Eingriff) eine Pneumokokken-Impfung erhalten. Schließlich empfiehlt die STIKO die Impfung auch für alle älteren Menschen ab 60 Jahren.
Pneumokokken-Impfstoffe Aktuell liegen zwei verschiedene Arten von Impfstoffen vor: Bereits seit den 1980er Jahren steht ein Polysaccharidimpfstoff zur Verfügung, der gegen 23 verschiedene Serogruppen schützt. Als Antigen fungieren hier die Polysaccharide eben dieser 23 Serogruppen. Der Vorteil dieses Impfstoffs ist die breite Abdeckung der Mehrzahl aller wichtigen, krankheitserregenden Serogruppen. Der Nachteil besteht darin, dass er bei Säuglingen und Kleinkindern wenig wirksam ist. Besonders für sie wurden deshalb mehrere Konjugatimpfstoffe entwickelt, bei denen die Polysaccharide an Proteine gekoppelt („konjugiert“) wurden.
Durch diesen Trick wird die Immunogenität erhöht und sie sind auch bei den ganz jungen Impflingen effektiv. Allerdings ist das Verfahren deutlich aufwändiger, sodass die beiden derzeit verfügbaren Konjugatimpfstoffe nur gegen zehn beziehungsweise dreizehn verschiedene Serogruppen gerichtet sind. Für die Standardimpfung bei den Säuglingen wird aufgrund dieser Eigenschaften die Impfung mit einem Konjugatimpfstoff empfohlen. Für die Indikationsimpfungen bei erhöhtem Risiko wird eine sequenzielle Impfung mit einem 13-valenten Konjugatimpfstoff, gefolgt von einer Impfung mit dem Polysaccharidimpfstoff empfohlen.
Hier sind auch Wiederholungsimpfungen im Abstand von einigen Jahren vorgesehen. Auch bei der Pneumokokken-Impfung können die üblichen lokalen Impfreaktionen wie Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Einstichstelle sowie Allgemeinsymptome wie Fieber, Schläfrigkeit, unruhiger Schlaf oder Magendarmbeschwerden auftreten. Sie klingen in der Regel innerhalb von ein bis drei Tagen von selbst ab. Gelegentlich kann es zu einem Fieberkrampf kommen. Selten wurde ein kurzzeitiger schockähnlicher Zustand beobachtet, währenddessen die Muskelspannung nachlässt und das Kind nicht ansprechbar ist (hypoton-hyporesponsive Episode, HHE). Diese bildeten sich schnell und folgenlos zurück.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 07/2021 ab Seite 116.