Beckenboden | Schwangerschaft
SCHWERE GEBURT
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Eine Geburt ist schwierig. Sie ist schmerzhaft, Mutter und Kind sind dabei Risiken ausgesetzt. Ja, die Kuschel- und Glückshormone, wenn das Kind endlich da ist, entlohnen die (meisten) frischgebackenen Mütter für ihre Arbeit. Wäre es anders, wären wir wohl alle Einzelkinder.
Aber Hunde, Pferde und Menschenaffen tun sich leichter als wir Menschen. Die meisten Säugetiere brauchen keine Hebamme, ziehen sich zur Geburt sogar zurück. Warum ist das bei uns anders? Wissenschaftler*innen um Nicole Grunstra von der Universität Wien erklären das Phänomen – mit Computersimulationen des Beckenbodens.
Warum ist die Geburt so schwierig?
Anatomisch unterscheidet der Mensch sich von anderen Säugetieren durch sein großes Gehirn, das in einem entsprechend großen Schädel sitzt. Hinzu kommt der aufrechte Gang. Dieser verändert die Position der Beckenknochen, sodass zwischen ihnen weniger Platz ist als bei anderen Tieren.
Das ist auch der Grund, warum unsere Säuglinge recht unfertig auf die Welt kommen
- mit einer druckempfindlichen Fontanelle.
- Ein Fohlen beginnt eine halbe Stunde nach der Geburt zu laufen, ein Menschenbaby braucht dazu etwa 9 bis 18 Monate.
Um ein voll ausgereiftes Kind auf die Welt zu bringen, ist im menschlichen Becken einfach kein Platz. Warum ist es im Laufe der Evolution nicht etwas breiter geblieben, um einfachere Geburten zu ermöglichen?
Druck auf den Beckenboden
Es liegt am Beckenboden. Das Gewebe ist einen Kompromiss eingegangen, wie die Beckenbodenhypothese von Nicole Grunstra zeigt. Der elastische Beckenboden reicht vom Steißbein bis zum Schambein. Er schützt und stützt dort Organe wie Blase, Darm und Gebärmutter, damit diese nicht absacken. Und er gibt dem Kind in der Schwangerschaft Halt.
Bisherige Untersuchungen zeigen, dass ein breiteres Becken den Beckenboden schwächt, denn bei Frauen mit breitem Becken treten bestimmte Formen der Inkontinenz häufiger auf. Der Zusammenhang mit den schwierigen menschlichen Geburten ist jedoch neu. Nicole Grunstra und ihre Kolleg*innen aus Wien und Austin (Texas) erkannten den Bezug, indem sie am Computer Beckenböden verschiedener Größen und Stärken simulierten. Sie verwendeten dazu ein Verfahren aus dem Bauwesen, die sogenannte Finite-Elemente-Analyse. Grunstra erklärt:
Dieser Ansatz hat es uns ermöglicht, den Effekt der Beckengröße auf das Durchhängen isoliert zu betrachten, ohne dabei Daten lebender Menschen berücksichtigen zu müssen.
Wie stark darf der Beckenboden sein?
So stellte das Team fest: Bei einem breiteren Becken nimmt die Beckenbodenfläche zu. Bei einer größeren Fläche hängt der Beckenboden jedoch überproportional stark durch. Um dies auszugleichen, spielten die Forscher*innen Simulationen mit unterschiedlichen Gewebestärken durch. Könnte ein dickerer Beckenboden das Durchhängen nicht ausgleichen?
„Eine vollständige Kompensation der Auslenkung des Beckenbodens kann nur erreicht werden, wenn der Beckenboden unverhältnismäßig viel dicker wird”, sagt Grunstra. Dann wiederum wäre das Gewebe so steif, dass Frauen das Kind nicht mehr hindurchpressen könnten. Grunstra fasst zusammen:
Letztlich muss das Kind geboren werden, und ein Beckenboden, der nicht mehr ausreichend gedehnt werden kann, würde die Geburt dramatisch erschweren.
Fazit: Ein Kompromiss
Die Forscher sehen im Beckenboden daher einen Kompromiss der Evolution. Zwischen der stützenden Funktion für Organe und Kind einerseits und andererseits der Tatsache, dass das Kind irgendwann durch das Gewebe hindurchmuss.
Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/warum-menschliche-geburten-schwierig-sind/
https://nachrichten.idw-online.de/2021/04/13/beckenboden-mitverantwortlich-fuer-die-evolution-der-menschlichen-geburtsprobleme/
https://www.sueddeutsche.de/wissen/affen-geburt-biologie-tiere-1.5156139
Yuval Noah Harari: „Eine kurze Geschichte der Menschheit“, Pantheon Verlag 2011
https://www.tierklinik-sarstedt.net/pferdeklinik/wissenswertes-f%C3%BCr-pferdebesitzer/fohlengeburt-und-erstversorgung/