Gesteigerter Bedarf
SCHWANGERSCHAFT
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Mehr noch als der Verbrauch an Energie steigt in der Schwangerschaft der Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen. Eine ausreichende Versorgung mit den notwendigen Vitalstoffen legt eine wichtige Grundlage für die positive Entwicklung des ungeborenen Kindes. Ihre Zufuhr ist oftmals mit einer bewussten Ernährung nicht in befriedigender Menge möglich. Kritisch ist besonders die Versorgung mit Folat, Eisen, Jod und der Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure.
Eisen In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Eisen aufgrund der Zunahme des mütterlichen Blutvolumens, der Bildung der Plazenta und durch den Mehrbedarf des Fetus. Seit langem wird schon im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen der Eisenstatus überprüft, da ein Mangel an diesem Spurenelement das Wachstum des Kindes behindert und das Risiko für Frühgeburten erhöht.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Schwangeren eine tägliche Zufuhr von 30 Milligramm (mg) Eisen. Meist wird dieser Bedarf nicht ausreichend über die Aufnahme eisenreicher Lebensmittel wie Fleisch, Wurstwaren, Leber, Vollkorn, Hülsenfrüchte oder Nüsse gedeckt. Fällt der Hämoglobinwert unter elf Gramm pro Deziliter Blut, wird von einer Eisenmangelanämie ausgegangen und eine orale Einnahme gut resorbierbarer Eisen-II-Präparate angeraten.
Jod Daneben ist auch der Jodbedarf in der Schwangerschaft mit 230 Mikrogramm (μg)pro Tag deutlich erhöht. Nicht nur die Mutter benötigt das Spurenelement für die Produktion von Schilddrüsenhormonen. Auch der Fetus braucht täglich ca. 50 μg Jod für deren Herstellung, denn er bildet bereits ab der zehnten bis zwölften Woche diese Hormone selbstständig. Fehlt ausreichend Jod, können die geistige und körperliche Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigt und ein Neugeborenen-Struma (Kropf) die Folge sein. Lässt sich der Bedarf nicht durch eine jodreiche Ernährung mit Seefisch, Meerestieren und jodiertem Speisesalz im gefordertem Maß decken, wird in der Schwangerschaft eine von Fachgesellschaften empfohlene tägliche Supplementierung von 100 bis 150 μg Jod neben der jodreichen Ernährung notwendig.
TIPP
In der Schwangerschaft kann auch eine Vitamin-D-Supplementation sinnvoll sein, denn neueren Untersuchungen zufolge ist die Mehrzahl der Schwangeren mit dem Vitamin unterversorgt. Raten Sie Schwangeren aber, sich diesbezüglich an ihren Arzt zu wenden, der den Vitamin-D-Status im Blut bestimmen kann.
Folsäure – Folat Weiterhin ist zumeist die Versorgung mit dem wasserlöslichen B-Vitamin Folsäure bzw. Folat kritisch. Folsäure kommt selbst nicht ursprünglich in der Natur vor, sondern ist ein Kunstprodukt. Die natürlichen Folsäureverbindungen aus der Nahrung werden als Folate bezeichnet. Sie sind in allen grünen Blattgemüsen zu finden, daneben gelten Getreide und Leber als folatreich.
Die DGE empfiehlt Schwangeren, täglich 600 μg Nahrungsfolat aufzunehmen, da ihr Bedarf an Folaten infolge der Vergrößerung des Uterus, der Anlage der Plazenta, der Zunahme der mütterlichen Erythrozytenzahl sowie des embryonalen Wachstums steigt. Die meisten erreichen dies nicht mit der üblichen Kost und sind mit dem Vitamin unterversorgt.
Zu geringe Folatspiegel in den roten Blutkörperchen erhöhen jedoch beim Ungeborenen das Risiko für bestimmte kindliche Fehlentwicklungen wie Neuralrohrdefekte (Spina bifida/offener Rücken, Anenzephalie/Froschkopf), die mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen einhergehen können, sowie Herzfehler oder Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Auch werden ein verringertes Geburtsgewicht sowie Spontanaborte und Frühgeburten damit in Verbindung gebracht.
Biologisch aktive Folate Folsäure, die für eine Supplementierung eingesetzt wird, ist eine synthetische Substanz ohne Vitaminfunktion. Sie muss erst in der Leber in die biologisch aktive Folatverbindung, in das 5-Methyltetrahydrofolat (5-MTHF) überführt werden, um verwertet werden zu können. Diese Umwandlung wird enzymatisch gesteuert. Allerdings kann die Aktivität des erforderlichen Enzyms individuell unterschiedlich ausgeprägt sein, sodass dann die Folsäure bei der Einnahme von Supplementen nur unzureichend in das vitaminwirksame 5-MTHF verstoffwechselt wird.
Inzwischen sind Präparate erhältlich, die neben Folsäure auch die körpereigene Vitaminform 5-MTHF enthält. Frauen, die aufgrund einer Enzymvariante nicht ausreichend biologisch aktives Folat aus synthetischer Folsäure bilden, können von diesen profitieren.
Diese Erkenntnis ist in die aktuellen Empfehlungen des bundesweiten Expertennetzwerks „Gesund ins Leben” eingeflossen. Die beteiligten Berufsverbände und Fachgesellschaften raten daher Frauen mit Kinderwunsch, ein Supplement mit Folsäure/Methylfolat (mindestens 400 μg pro Tag) einzunehmen.
Rechtzeitige Zufuhr notwendig Das Neuralrohr, eine Entwicklungsvorstufe des zentralen Nervensystems, schließt sich schon zwischen dem 22. und 28. Schwangerschaftstag, also zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Frauen noch gar nicht wissen, dass sie Nachwuchs erwarten. Daher ist eine adäquate Zufuhr an Folaten bzw. Folsäure für Frauen mit Kinderwunsch bereits vor der Befruchtung wichtig und es müssen präkonzeptionell präventiv wirksame Folatspiegel in den roten Blutkörperchen von über 900 Nanomol pro Liter aufgebaut werden.
DHA Seit Neuerem empfehlen Fachgesellschaften eine tägliche Aufnahme von mindestens 200 mg der Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit. DHA ist eine essenzielle Fettsäure, die im Gehirn und in der Netzhaut der Augen hochkonzentriert vorkommt. Eine ausreichende Versorgung der Schwangeren mit der Omega-3- Fettsäure soll die fetale Hirnentwicklung, die spätere Sehfunktion sowie motorische und kognitive Funktionen günstig beeinflussen. Daher wird Schwangeren und Stillenden, die nicht regelmäßig wöchentlich zwei Portionen fetten Seefisch verzehren, eine DHA-Supplementierung angeraten.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/11 ab Seite 82.
Gode Meyer-Chlond, Apothekerin